16.12.2012 Aufrufe

Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge

Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge

Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Wolfgang</strong> <strong>Ruge</strong><br />

<strong>Von</strong> <strong>Descartes</strong> <strong>zu</strong> <strong>Deckard</strong> <strong>–</strong> Zur Identitätsfähigkeit künstlicher Intelligenzen im Science-Fiction-Film 10<br />

„Der Modus der SF wird durch ein wunderbares Element, das Novum, bestimmt. Sie unterscheidet sich<br />

von anderen wunderbaren Erscheinungen wie Fantasy oder Märchen dadurch, dass sie ihre Wunder<br />

pseudowissenschaftlich legitimiert, dass sie ihre Nova naturalisiert, so dass sie den Anschein wissenschaftlichtechnischer<br />

Machbarkeit aufweisen. Science Fiction ist folglich jener Teil des Wunderbaren, der sich in seiner Bildund<br />

Wortsprache an aktuellen Vorstellungen von Wissenschaft und Technik orientiert, um die bestehenden technologischen<br />

Verhältnisse in einen weiter fortgeschrittenen Zustand <strong>zu</strong> projizieren. Das ‚technizistisch Wunderbare‘ der Science Fiction<br />

hat eine dem Realitätseffekt analoge Wirkung <strong>zu</strong>m Ziel, nämlich eine Aura der Wissenschaftlichkeit und technischen<br />

Plausibilität <strong>zu</strong> erzeugen“ (Spiegel 2007, 51).<br />

Ich werde in dieser Arbeit der Definition Spiegels folgen, möchte sie jedoch um eine<br />

Anmerkung Errol Vieths (1999, 32) ergänzen, welche den Charakter des Novums genauer<br />

spezifiziert: Das Novum besitzt, so lokal begrenzt sein Wirken auch sein mag, immer<br />

globale Implikationen.<br />

Die globalen Implikationen des Novums sind nur ein Hinweis darauf, warum der<br />

Science Fiction <strong>–</strong> Film ein interessantes Forschungsfeld darstellt. Ich erachte den Modus,<br />

der in vielen Diskussionen oftmals als Schund angesehen wird, als einen Spiegel „der<br />

gesellschaftlichen und individuellen Reaktionen auf den technisch wissenschaftlichen<br />

Fortschritt, die von bedingungsloser Begeisterung bis <strong>zu</strong> totaler Ablehnung reichen<br />

können“ (Spiegel 2007, 110). Dieser Spiegel gibt freilich ein verzehrtes Bild wieder,<br />

welches die, von mir ins Auge gefasste, Frage nach dem Verhältnis des Menschen <strong>zu</strong>r<br />

Technik akzentuiert, was im Kontext dieser Arbeit aber durchaus gewünscht ist.<br />

Der „Modernisierungsspiegel Science Fiction“ beschränkt sich nicht auf die Abbildung<br />

gesellschaftlicher Verhältnisse; vielmehr ist der Logik des Modus eine Kommentarfunktion<br />

immanent. „Das Novum prägt den Charakter der SF-Welten, es verändert sie im Vergleich<br />

<strong>zu</strong> unserer empirischen Welt und stellt immer <strong>–</strong> wenn auch oft nur implizit <strong>–</strong> einen<br />

Vergleich an“ (Spiegel 2007, 110). Die verschiedenen Nova der SF können also als die<br />

Eckpunkte einer tentativen Suchbewegung nach einer alternativen und gegebenenfalls<br />

besseren Realität gesehen werden. Somit implizieren sie eine Haltung <strong>zu</strong>r Welt, die<br />

Zygmunt Bauman als konstitutiv für die Moderne erachtet: die Vorstellung, dass der<br />

Mensch nicht ein Spielball höherer, kosmischer Mächte ist, sondern die Welt selbst<br />

gestalten kann: „Der moderne Verstand ist zeitgleich mit der Vorstellung, daß die Welt<br />

verändert werden kann, entstanden“ (Bauman 2005, 37). Diese Vorstellung eines<br />

selbstständigen, die Welt verändernden Menschen benötigt zwingend die Vorstellung einer<br />

handelnden inneren Instanz, einer Instanz, die sich auf sich selbst beziehen kann. Welche

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!