Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge
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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Ruge</strong><br />
<strong>Von</strong> <strong>Descartes</strong> <strong>zu</strong> <strong>Deckard</strong> <strong>–</strong> Zur Identitätsfähigkeit künstlicher Intelligenzen im Science-Fiction-Film 55<br />
Nachdem er die Auftankstation verlassen hat, fährt er gegen eine Wand und entdeckt<br />
dort eine Schalttafel (Abb. 40). Die folgenden Sekunden zeigen, wie er lernt die Knöpfe <strong>zu</strong><br />
bedienen. Ein Schnitt zeigt jeweils die Folge von Nummer Fünfs Aktionen <strong>–</strong> in diesem Fall<br />
das Ein- bzw Ausschalten einer Glühbirne (Abb. 41) -, darauf folgt ein Blick aus den<br />
Augen Nummer Fünfs auf die Schalttafel, sowie ein Blick von außen auf Nummer 5 (<br />
Abb. 42). Durch letzten Schnitt wird deutlich, dass Nummer 5 die Aufmerksamkeit<br />
weiterhin auf die Schalter fokussiert und nicht <strong>zu</strong>r Lampe blickt; die aufleuchtende Lampe<br />
registriert er nicht oder nur mittelbar durch eine Erhellung seiner Umgebung. Sein<br />
Verhalten ist auf jeden Fall „auf den eigenen Körper bezogen“ (Sodian 2008, 438).<br />
Nummer 5 wiederholt die Betätigung des Schalters und zeigt somit ein typisches Verhalten<br />
für die dritte Phase des sensumotorischen Stadiums, in der die „Wiederholung von<br />
objektbezogenen Handlungen, die interessante Effekt mit sich bringen“ (Sodian 2008, 438),<br />
typisch ist, wobei dies noch nicht bedeutet, „dass das Kind […] die eigene Handlung als<br />
Ursache des interessanten Effekts versteht“ (Sodian 2008, 438). Die oben beschriebene<br />
Schnittfolge kann so gelesen werden, dass Nummer 5 durch das Aufleuchten der Lampe<br />
und den so helleren Raum besser sieht, ein Betätigen des Schalters führt für ihn<br />
dementsprechend <strong>zu</strong> einem besseren oder schlechteren Sehen <strong>–</strong> wobei er dies nicht in ein<br />
kausales Ursache-Wirkung-Schema einordnen kann.<br />
„Das vor- oder präoperatorische Stadium […] ist gekennzeichnet durch die Bildung stabiler mentaler<br />
Repräsentationen. Damit wird das rein auf die aktuelle Situation bezogene Denken im ‚Hier und Jetzt‘<br />
überwunden und die Fähigkeit <strong>zu</strong>r Repräsentation von Vergangenheit und Zukunft sowie <strong>zu</strong>r Bildung<br />
von Vorstellungswelten geschaffen. Kinder kreieren im Spiel und in der Kommunikation <strong>zu</strong>nehmend<br />
komplexere, oft idiosynkratrische Symbole und erwerben rasch das wichtigste konventionalisierte<br />
Kommunikationsmittel: die Sprache“ (Sodian 2008, 439, Hervorh. W.R.).<br />
Abb. 43: Nummer 5 lernt lesen<br />
Dieses Stadium erreicht Nummer 5 während der Flucht, die vor allem durch den<br />
Erwerb von Sprache gekennzeichnet ist. Während er das Gelände der Nova Laboratories