Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge
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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Ruge</strong><br />
<strong>Von</strong> <strong>Descartes</strong> <strong>zu</strong> <strong>Deckard</strong> <strong>–</strong> Zur Identitätsfähigkeit künstlicher Intelligenzen im Science-Fiction-Film 53<br />
Abb. 39: Ein Blick durch die Augen Nummer fünfs<br />
Die Tatsache, dass der Roboter Nummer 5 nun ein Bewusstsein besitzt, wird dem<br />
Rezipienten dadurch veranschaulicht, dass sich fortan First-Person-Shots aus der Sicht des<br />
Roboters finden. Im Gegensatz <strong>zu</strong> den unbewussten Robotern, die schon vorgestellt<br />
wurden, betonen diese jedoch nicht mehr die Künstlichkeit des Roboters, sondern im<br />
Gegenteil: seine Menschlichkeit. Ein Blick durch die Augen Nummer Fünfs ist einfach<br />
beschrieben: normal. Er sieht keine Klötzchen, wie der Revolverheld aus Westworld; er<br />
sieht nicht mittels einer Infrarot-Kamera, wie der Terminator, und besitzt auch nicht<br />
dessen eingeblendete Befehlszeile. Er sieht so wie ein Mensch. Auch die Inszenierung der<br />
Blickachsen erfolgt nach menschlichen Konventionen, wenn Nummer 5 einen Gegenstand<br />
näher betrachtet. Nummer 5 erlebt sich in unmittelbaren Kontakt mit der Welt, womit der<br />
Film Bewusstsein <strong>zu</strong> Beginn dadurch inszeniert, dass er seinem Helden semantische<br />
Transparenz <strong>zu</strong>schreibt.<br />
4.3.2 Die Kindheit eines Roboters oder warum Nummer 5 auch das<br />
Kriterium der Adaptivität erfüllt<br />
Die Identitätsfindung Nummer Fünfs ist im höchsten Maße durch die ihm umgebene<br />
Umwelt geprägt. Er hat<br />
„eine neue Form gefunden, sich ins Menschliche ein<strong>zu</strong>schreiben. Er ist die erste Maschine, die da<strong>zu</strong> die<br />
(populäre) Kultur verwendet. Was er in Windeseile lernt, ist nicht so sehr ein Wissen, durch dessen<br />
schiere Präsenz er jedem ‚echten‘ Menschen überlegen sein müsste, als vielmehr ein Spiegel des Begehrens<br />
und der Emotionen <strong>zu</strong> werden. Die Menschen sehen die Maschine an, und sie glauben das kindlichundschuldige<br />
Wesen <strong>zu</strong> erkennen, das sie sich als Parallelschöpfung wünschen“ (Seeßlen/Jung 2003, 493).<br />
Wenn Georg Seeßlen und Fernand Jung hier davon sprechen, Nummer 5 hätte gelernt<br />
ein Spiegel des Begehrens und der Emotionen <strong>zu</strong> werden, unterstellen sie ihm eine<br />
Intentionalität, für die es keine Anzeichen im Film gibt. Der Eindruck der Kindlichkeit<br />
Nummer Fünfs entsteht nicht dadurch, dass dieser bewusst Emotionen spiegelt, sondern