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Von Descartes zu Deckard – - Wolfgang Ruge

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<strong>Wolfgang</strong> <strong>Ruge</strong><br />

<strong>Von</strong> <strong>Descartes</strong> <strong>zu</strong> <strong>Deckard</strong> <strong>–</strong> Zur Identitätsfähigkeit künstlicher Intelligenzen im Science-Fiction-Film 41<br />

fester Bestandteil ihrer Persönlichkeit. Für sie ist die Tatsache, dass sie eine Erinnerung an<br />

ihre Kindheit besitzt Beleg genug dafür, ein Mensch <strong>zu</strong> sein. Sie nimmt eine Kontinuität<br />

und Gleichheit ihrer selbst an und geht davon aus, dass auch <strong>Deckard</strong> diese (an-) erkennen<br />

muss. Somit besitzt sie sowohl eine personale als auch eine Ich-Identität im Sinne Eriksons.<br />

„Die wichtigste Botschaft des Identitätskonzepts von Erik H. Erikson ist die, dass sich Identität über das<br />

ganze Leben hin entwickelt, und ‚das Kernproblem der Identität‘, so kann man die Theorie<br />

<strong>zu</strong>sammenfassen, besteht ‚in der Fähigkeit des Ichs, angesichts des wechselnden Schicksals Gleichheit und<br />

Kontinuität aufrecht<strong>zu</strong>erhalten‘ (Erikson 1959b, S. 82). Erikson nennt das personale Identität. Wo dieses<br />

Bewusstsein mit dem Gefühl <strong>zu</strong>sammenkommt, ‚dass auch andere diese Gleichheit und Kontinuität<br />

erkennen‘, spricht er von Ich-Identität (Erikson 1946, S. 18)“ (Abels 2006, 285).<br />

Die Ich-Identität ist von Erikson als eine sozial-vermittelte gedacht. Ich ordne BLADE<br />

RUNNER dennoch dem Modus des Desengagements <strong>zu</strong>. Der Grund ist folgender: Die<br />

Erfahrungen, die das Selbst der Replikanten ausmachen, sind nicht sozial vermittelt,<br />

sondern implantiert. Somit wird auch die Sozialität, in der sich Identität konstituiert, nur<br />

implantiert und ist nicht die Quelle des Selbst. Die Quelle des replikantischen Selbst ist die<br />

implantierte Erinnerung, eine Essenz, die theoretisch in jeden beliebigen Körper<br />

integrierbar ist <strong>–</strong> wobei die Erinnerung natürlich auf einem materiellen Träger gespeichert<br />

werden muss, und somit das Ich nicht unabhängig vom Körper sein kann. Blade Runner<br />

vertritt dennoch <strong>Descartes</strong> mechanischtisches Weltbild.<br />

4.1.4 Mit fremden Augen sehen <strong>–</strong> die desengagierte Haltung <strong>zu</strong>r<br />

Wirklichkeit in Blade Runner<br />

Wie Georg Seeßlen und Fernand Jung (2003, 499) feststellen verweist schon der Name<br />

der Hauptperson Rick <strong>Deckard</strong><br />

„auf den Philosophen <strong>Descartes</strong>, dessen mechanistisches Weltbild <strong>zu</strong>r Doktrin geworden ist, und dessen<br />

Aussage ‚Ich denke, also bin ich‘ doch von den Replikanten gegen sie gewendet ist. Die Replikanten sind,<br />

weil sie denken, und sie sind besser, weil sie besser denken. Aber ihr Denken ist noch nicht befreit, es ist<br />

nicht nur künstlich […], sondern sich auch der Selbstbeschränkung bewusst“.<br />

Diese Künstlichkeit des replikantischen Denkens ist der Angriffspunkt der Blade<br />

Runner. In einem Test bedarf es in der Regel 20 Fragen, bis der Testende, aufgrund der<br />

fehlenden emotionalen Reaktion, sein Gegenüber als Replikant einordnen kann. Recht<br />

schnell ist <strong>zu</strong> sehen: der Getestete ist menschlich oder nicht. Eine zentrale Rolle spielt dabei<br />

das Auge, das als Motiv im Film omnipräsent ist. Jedoch steht es nicht für eine leibliche<br />

Verankerung menschlicher Erfahrung, sondern ist Repräsentant einer desengagierten

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