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Procycling 02.19

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NICO DENZ<br />

Die AG2R-Equipe beim Training. In Frankreich<br />

fühlt sich Denz so wohl, dass er seit<br />

seiner U23-Zeit dort unter Vertrag steht.<br />

Bei der Straßen-EM 2018 in Glasgow<br />

zählt der Deutsche zu den Stärksten im<br />

Feld. Ein Sturz im Finale macht aber alle<br />

Podiumshoffnungen zunichte.<br />

stieg hinaufziehen lässt. Die Folge: Disqualifikation.<br />

„Ein absoluter Tiefpunkt und ein Fehler, der<br />

mir nicht noch mal passiert“, gibt Denz, der sich<br />

von vielen Seiten großer Kritik ausgesetzt sieht,<br />

heute zu. „Es gibt dafür keine Entschuldigung, es<br />

war falsch und völlig unnötig. Am Ende der Etappe,<br />

nach zwei harten Vuelta-Wochen, durch die<br />

ich mich trotz Bronchitis gekämpft habe, habe ich<br />

mich dazu hinreißen lassen. Es war ein Fehler<br />

und ich bereue es.“<br />

WIEDERGUTMACHUNG & TALENTPROBE<br />

Das Team vertraut ihm in dieser schwierigen Zeit<br />

dennoch weiter – und stattet ihn mit einem neuen<br />

Zwei-Jahres-Vertrag aus. 2018 steht für den<br />

AG2R-Profi deshalb vor allem unter einem Stern:<br />

die zweite Chance nutzen und Wiedergutmachung<br />

leisten. „Ich möchte wieder zurückkommen,<br />

um zu zeigen, dass dieses Verhalten nicht<br />

meinen Werten entspricht und ich sportlich fair<br />

meine Leistung bringen kann – so wie ich es zuvor<br />

auch immer getan habe“, erklärt er vor dem Saisonstart.<br />

Und Denz hält Wort: Nach einem frühen<br />

Saisonstart bei der Tour Down Under fährt er<br />

bis Paris–Roubaix alle wichtigen belgischen und<br />

französischen Klassiker – und nimmt seine gute<br />

Form mit in den Giro d’Italia. Dort beweist er sein<br />

Talent nicht nur mit seinem zweiten Tagesrang<br />

auf jener zehnten Etappe von Penne nach Gualdo<br />

Tadino, sondern mit einer rundum starken Vorstellung.<br />

Mehrfach zeigt sich Denz in der Offensive,<br />

auch auf der letzten Etappe nach Rom sieht<br />

man ihn in der Spitzengruppe.<br />

Denz lässt aufhorchen – auch weil seine Leistungen<br />

auf dem Stiefel keine Eintagsfliege sind.<br />

Nach einer langen Sommerpause knüpft er an<br />

die Leistungen beim Giro an und schrammt bei<br />

der Europameisterschaft in Glasgow nur haarscharf<br />

an einer Sensation vorbei: In einem extrem<br />

schweren, von Regen und Kälte gezeichneten<br />

Straßenrennen ist er einer der Initiatoren der finalen<br />

Spitzengruppe: zehn Mann, die um die<br />

Medaillen kämpfen. Doch zehn Kilometer vor<br />

dem Ziel stürzt der vor Denz fahrende Niederländer<br />

Maurits Lammertink auf der rutschigen Fahrbahn<br />

in die Absperrungsgitter – er selbst kann<br />

nicht mehr ausweichen und stürzt ebenfalls. Zwar<br />

steht er schnell wieder auf, doch die anderen Fahrer<br />

warten nicht mehr – am Ende wird Denz nur<br />

Neunter und ist unter Wert geschlagen. „Meine<br />

erste Reaktion war natürlich blanke Enttäuschung.<br />

Ich fühlte mich richtig gut und muss wohl<br />

immer noch ein bisschen auf das ganz große Ding<br />

warten. Dennoch möchte ich auch das Positive<br />

hervorheben: Ich bin endlich dort angekommen,<br />

wo ich immer hin wollte. Ich kann im Finale eines<br />

richtig schweren Rennens mittlerweile auch ein<br />

Wörtchen mitreden und es ist nur noch eine Fra -<br />

ge der Zeit, bis es dann endlich mal klappt“, hofft<br />

er. Ein wahres Wort: Nur sechs Wochen später<br />

gelingt Denz nämlich zumindest ein „kleines<br />

großes Ding“: Beim französischen Halbklassiker<br />

Tour de Vendée prägt er weite Teile des Rennens<br />

und holt am Ende im Sprint aus einer Spitzengruppe<br />

heraus seinen ersten Saisonsieg – es ist<br />

der goldene Abschluss eines Jahres, in dem der<br />

24-Jährige nicht nur Wiedergutmachung für seinen<br />

Fehler bei der Spanien-Rundfahrt betrieben<br />

hat, sondern auch mehr als nur einmal sein Talent<br />

hat aufblitzen lassen.<br />

Die Formkurve zeigt bei Nico Denz also deutlich<br />

nach oben und nicht wenige Experten trauen<br />

dem in Frankreich fahrenden Deutschen aus<br />

Waldshut-Tiengen, der bis dato nur selten im<br />

Rampenlicht der internationalen Radsportszene<br />

gestanden ist, 2019 eine weitere Leistungssteigerung<br />

zu. Denz selbst geht jedenfalls motivierter in<br />

die Saison denn je: Im Vorfeld der Tour Down Under<br />

sammelte er in Spanien und Australien zahlreiche<br />

Grundlagenkilometer. Und nach weiteren<br />

IN DIESEM JAHR WILL ICH<br />

ZUERST BEI DEN KLASSIKERN<br />

EINEN GUTEN JOB FÜR<br />

OLIVER NAESEN MACHEN –<br />

DANN SCHAUEN WIR,<br />

WIE ES WEITERGEHT.<br />

Renneinsätzen sollen in den kommenden Wochen<br />

erneut die Frühjahrsklassiker und, wie im Vorjahr<br />

auch, wieder der Giro d’Italia auf dem Programm<br />

stehen. Nach seiner starken vergangenen Saison<br />

wird AG2R seinem deutschen Nachwuchsfahrer<br />

dabei sicherlich deutlich mehr Gelegenheiten bieten,<br />

auf eigene Kappe zu fahren, als bisher – auch<br />

wenn der sich gewohnt zurückhaltend zeigt: „Zuerst<br />

will ich bei den Klassikern einen guten Job<br />

für meinen Kapitän Oliver Naesen machen – dann<br />

schauen wir, wie es weitergeht“, wiegelt er bescheiden<br />

ab. Dass 2019 die nächsten Siege kommen<br />

werden, ist dem jungen Nico Denz dennoch<br />

durchaus zuzutrauen. Denn dass die großen Erfolge<br />

nur noch ein paar Zentimeter entfernt sind,<br />

hat er im vergangenen Jahr nicht nur auf der verregneten<br />

zehnten Etappe des Giro d’Italia bewiesen<br />

– auf jenem 244 Kilometer langen Teilstück<br />

durch die umbrische Hügellandschaft, als er sich<br />

ein Herz gefasst und trotz seiner angestammten<br />

Helferrolle die Gunst der Stunde für eine Attacke<br />

im Finale genutzt hat.<br />

© Dan Istitene/Getty Images<br />

FEBRUAR 2019 | PROCYCLING 29

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