Procycling 02.19
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WISSEN IST MACHT<br />
Teamchef Doug Ryder bei einer<br />
Besprechung im Dimension-Data-Bus.<br />
DAS ANALYSTEN-TEAM<br />
IM RADSPORT<br />
Team Dimension Data hat vielleicht deswegen einen Vorteil gegenüber anderen<br />
WorldTour-Teams, als ihr Titelsponsor in Bereich Datenanalyse und digitale Technologie<br />
arbeitet. Doug Scott, der bei Dimension Data den Bereich digitale Business-Lösungen<br />
verantwortet und im Vorstand des Radsportteams sitzt, sagte <strong>Procycling</strong>, dass sie sich<br />
als Sponsoren nicht nur Publicity wünschen, sondern dem Team gerne dabei helfen<br />
würden, besser zu fahren. Das wiederum diene dem Marketing des Unternehmens,<br />
was schließlich Hauptzweck des Sponsorings sei.<br />
„Es ist noch früh, aber wir sagen: Wir wollen herausbekommen, wie wir Technologie<br />
für das Team anwenden können“, sagte er. „Wir fügen nach und nach neue Dinge hinzu.“<br />
Ein erster Nutzen ist, dass eine App für die Fahrer entwickelt wurde, in die die Fahrer<br />
unterschiedliches Feedback über ihre körperliche Verfassung eingeben können. Als das<br />
Ärzteteam sich Bernhard Eisels Angaben für 2018 angeschaut hatte, wurde erkannt, dass<br />
möglicherweise etwas nicht stimmt. „Er klagte über Unwohlsein und Kopfschmerzen. Das<br />
hat die Ärzte alarmiert, die eine Untersuchung veranlassten, bei der dann festgestellt<br />
wurde, dass er ein Hämatom im Gehirn hatte und dringend operiert werden musste.“<br />
Das Team nutzt heute schon Datenanalyse, um seine Personalentscheidungen zu treffen.<br />
Nachdem es 18. der WorldTour 2018 wurde, stellte man neun neue Fahrer ein. „Wir haben<br />
eine Analyse für unser Team durchgeführt. Mit dem aktuellen Punktesystem ist unsere<br />
Mannschaft 2018 auf dem 18. Platz der WorldTour gelandet. Wenn du dir die Ergebnisse<br />
unserer Equipe von 2018 für 2019 anschaust und die Punkte addierst, wären wir 13. der<br />
WorldTour geworden. Wenn du den Durchschnitt der Resultate unserer Fahrer für 2019<br />
anschaust, wären wir Sechster der WorldTour. Und wenn jeder Fahrer sein bestesResultat<br />
der letzten fünf Jahre bei diesen Rennen 2018 erzielt hätte, wären wir Erste.“<br />
Doug Scott weiter: „Die Jungs sind keine Maschinen, und es kann alles Mögliche passieren,<br />
die Fahrer stürzen usw. Du kannst es nicht genau quantifizieren, aber wir sind überzeugt,<br />
dass man bessere Personalentscheidungen treffen kann. Und dann arbeiten wir noch<br />
an einem Untersystem, wo wir den Wert eines Domestiken bestimmen können – dafür<br />
gibt es keine Punkte, aber es ist wie eine Torvorlage im Fußball. Wenn wir Fahrer für<br />
2020 einstellen, verfeinern wir diese Methode, um zu sehen,<br />
welche Fahrer Punkte für das Team bringen.“<br />
fachen Farbsystem, inwieweit sich der Fahrer an<br />
den Plan gehalten hat.<br />
„Das ist das einzige Feedback, das wir bekommen“,<br />
sagt Fernández. „In anderen Sportarten ist<br />
es wahrscheinlich leichter, wo die Mitarbeiter täglich<br />
beim Training der Athleten anwesend sind.<br />
Aber es ist trotzdem besser als früher, wo wir alleine<br />
trainierten und zu den Rennen fuhren, ohne<br />
unseren Sportlichen Leitern Informationen über<br />
unsere Form geben zu können, abgesehen von unserem<br />
groben Gefühl.“<br />
Wie die Rennen analysiert und die Aufstellungen<br />
entschieden werden, kann ein sehr komplexer<br />
Prozess sein. „Wir quantifizieren und berücksichtigen<br />
alles“, erklärt Xabier Artetxe, Coach für das<br />
Team Sky. „Bei einem Etappenrennen sortieren<br />
wir erst die Etappen nach Typ des Rennens, das<br />
auf uns zukommt: wie viele Sprintetappen, ob es<br />
Bergankünfte gibt oder nicht, wie viele Höhenmeter<br />
es insgesamt gibt …“<br />
Er sagt weiter: „Wenn wir die Charakteristika<br />
des Rennens aufgeschlüsselt haben, wählen wir<br />
die Fahrer, die daran teilnehmen können, entsprechend<br />
ihren Qualitäten, ihrer Form und ihren<br />
Zielen in der Saison aus. Einen Sprinter zu einem<br />
hügeligen Etappenrennen wie der Baskenland-<br />
Rundfahrt zu schicken, um Resultate zu holen,<br />
wäre zum Beispiel sinnlos, aber ein solches Rennen<br />
kann ein guter Trainingsblock für seine<br />
nächsten Ziele sein. Dann besprechen Trainer<br />
und Sportliche Leiter zusammen alle anderen Aspekte,<br />
um eine Mannschaft zusammenzustellen,<br />
die zu den Zielen bei den Rennen und den allgemeinen<br />
Zielen des Teams passt.“<br />
Wenn das Aufgebot feststeht, ist es Zeit, es zu<br />
kommunizieren und anzufangen, das Rennen mit<br />
den Fahrern selbst vorzubereiten. „Wenn wir die<br />
Fahrer ausgesucht haben, sprechen wir mindestens<br />
eine Woche vor dem Rennen mit ihnen“, erklärt<br />
Artetxe die Methoden von Sky. „Die Sportlichen<br />
Leiter schicken ihnen Briefings, in denen<br />
jede Etappe bis ins Detail aufgeschlüsselt ist, Ziele<br />
für jeden Fahrer an jedem Tag definiert werden<br />
und der Gesamtplan für das Team dargelegt wird:<br />
Wer ist der Kapitän, wer hat welche Rolle.“<br />
Diese gründliche Definition der Rollen mag<br />
überflüssig erscheinen, aber die Fahrer legen viel<br />
Wert darauf. Sie empfanden es als eine der größten<br />
Verbesserungen, die Merijn Zeeman einführte,<br />
als er 2013 von Giant-Alpecin zu LottoNL–<br />
Jumbo kam.<br />
„Merijn leitet das Team im Training“, sagt<br />
Steven Kruijswijk, der 2018 Fünfter der Tour de<br />
France für das niederländische Team wurde. „Jeder<br />
Fahrer hat bei jedem Rennen ein Ziel – nicht<br />
76 PROCYCLING | FEBRUAR 2019