Procycling 02.19
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
MARIANNE VOS<br />
Bei den Olympischen<br />
Spielen in London<br />
2012 konnte Vos<br />
auch der strömende<br />
Regen nicht von<br />
Gold abhalten.<br />
Sechs Monate später, mit dem Abitur und dem<br />
Titel der niederländischen Straßenmeisterin in<br />
der Tasche, gewann Vos in Salzburg ihren ersten<br />
Straßenweltmeister-Titel der Elite. Die Schlagzeilen<br />
über das niederländische Wunderkind<br />
häuften sich.<br />
„Ich wurde in Holland bekannter und die Leute<br />
hatten ihre Meinung über mich und teilten sie. Ich<br />
wurde irgendwie ein wenig berühmt, und das hat<br />
mir eigentlich nicht wirklich gefallen“, sagt Vos<br />
über diese Zeit ihrer frühen Karriere.<br />
„Es gab eine Seite, die erfolgreich sein wollte<br />
und mit den Resultaten sehr zufrieden war, und<br />
es gab einen Teil, der meinte: Okay, ich habe nie<br />
darum gebeten, berühmt zu werden, ich will einfach<br />
nur Rennen fahren. Diese Zeit war ein wichtiger<br />
Lernprozess, und ich denke, ja, es … eigentlich<br />
habe ich viel daraus mitgenommen. In nur<br />
wenigen Jahren hatte ich persönlich einen großen<br />
Schritt gemacht, der sonst vielleicht 20 Jahre gedauert<br />
hätte.“<br />
Die meisten Gewinner, die meisten Siegertypen<br />
wie Vos hassen es zu verlieren. Der zweite Platz<br />
liegt nicht in ihrer Natur und bedeutet ihnen normalerweise<br />
nichts – man frage nur Mark Caven-<br />
dish. Als sechsjähriges Kind, als Vos zum ersten<br />
Mal auf einem Fahrrad saß, war sie genauso. Und<br />
2018 war dieser Siegeswillen so stark wie nie zuvor.<br />
Als sie auf der 2. Etappe der Women’s Tour<br />
einen Sprint an Coryn Rivera verlor, war der Anblick<br />
der weinenden Vos, auf dem Bürgersteig vor<br />
ihrem WaowDeals-Teambus neben einem Mülleimer<br />
sitzend, die Knie am Kinn und das Gesicht<br />
in den Händen vergraben, wirklich herzzerreißend.<br />
Ist ein weiterer Sieg inmitten all der anderen<br />
Auszeichnungen und Erfolge wirklich so wichtig?<br />
„Ich war schon immer sehr ehrgeizig bei allem,<br />
was ich tue, besonders im Sport, sobald es um ein<br />
Rennen ging“, gibt sie zu. „Ich musste lernen zu<br />
verlieren und das als Motivation für das nächste<br />
Mal zu sehen. Besonders als Kind konnte ich nach<br />
einem enttäuschenden Rennen sehr wütend sein.“<br />
Ihre Liebe zum Rennenfahren ist eine Sache,<br />
doch woher kommt dieser Antrieb, siegen zu müssen?<br />
„Es ist wahrscheinlich eine Kombination<br />
meiner Eltern“, sagt Vos. „Meine Mutter ist eine<br />
Perfektionistin. Sie will immer alles gut machen<br />
und erträgt es nicht, wenn etwas nicht klappt,<br />
und mein Vater ist immer auf der Suche nach Herausforderungen.<br />
Er sah noch nie die Probleme,<br />
ES GAB EINE SEITE, DIE<br />
ERFOLGREICH SEIN WOLLTE,<br />
UND ES GAB EINEN TEIL, DER<br />
MEINTE: OKAY, ICH HABE NIE<br />
DARUM GEBETEN, BERÜHMT ZU<br />
WERDEN, ICH WILL EINFACH<br />
NUR RENNEN FAHREN.<br />
sondern suchte immer nach den Möglichkeiten<br />
– wahrscheinlich treibt mich die Kombination aus<br />
beidem dazu, immer das Bestmögliche zu geben.<br />
Dann gibt es da noch die Region, in der ich aufgewachsen<br />
bin. Die Leute reden nicht darüber: Sie<br />
tun es einfach und arbeiten sich den Arsch ab. Ich<br />
glaube, das hat mich so weit gebracht.“<br />
FEBRUAR 2019 | PROCYCLING 65