Procycling 02.19
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ALLESKÖNNERIN<br />
Hinter der Allgäuerin Lisa Brennauer liegt ein turbulentes Jahr: Sowohl auf der<br />
Bahn als auch auf der Straße fuhr sie große Erfolge ein, dennoch stand<br />
die 30-Jährige am Ende fast mit leeren Hände da, als ihr Team Wiggle High5<br />
den Betrieb einstellte. <strong>Procycling</strong> gegenüber hat sie erzählt, was sie dort gelernt<br />
hat und in ihre neue Equipe WNT-Rotor einbringen will.<br />
Interview Chris Hauke<br />
© Luc Claessen/Getty Images<br />
Lisa, bevor wir uns deinem neuen Team<br />
WNT-Rotor widmen, kurz ein Blick<br />
zurück: Du bist 2018 von Canyon-<br />
Sram zu Wiggle High5 gewechselt. Was war<br />
der Auslöser?<br />
Lisa Brennauer: Ich wollte was ändern. Das war<br />
eigentlich der einzige Grund. Mir ging es ja gut,<br />
ich war sechs Jahre lang in den gleichen Strukturen<br />
und bin total dankbar für die Zeit. Aber es ist<br />
auch kein Geheimnis, dass 2016 nicht so lief, wie<br />
ich es mir erträumt hatte. Und dann hinterfragt<br />
man halt vieles. Ich glaubte, mir würde eine Veränderung<br />
guttun. Ich habe den Trainer gewechselt<br />
und alles ein bisschen umgeschmissen. Es<br />
ging mir auch direkt gut. Ich habe schon in der<br />
Pause gespürt, dass ich wieder für die Sache brenne.<br />
Mein Bauchgefühl hat mir gesagt: Da geht was<br />
in die richtige Richtung.<br />
Das Team war in England angesiedelt,<br />
du warst die einzige Deutsche.<br />
Das war für mich natürlich neu und sehr spannend<br />
– mal wieder in einem Team zu sein, wo ich<br />
mit fast niemandem vorher zusammengearbeitet<br />
hatte. Es war ein wichtiger Schritt, um etwas zu<br />
ändern. Bei Wiggle wurde mir einiges an Verantwortung<br />
übertragen. Meine Kolleginnen haben viel<br />
von mir erwartet, wenn es darum ging, die Renntaktik<br />
zu bestimmen und meine Erfahrungen weiterzugeben.<br />
Ich habe schnell gemerkt, wie ich in<br />
dieser Rolle aufblühe, etwa bei der Thüringen<br />
Rundfahrt. Dort waren wir mit vielen jungen Fahrerinnen<br />
am Start, die sich gefreut haben, dass<br />
ihnen mal jemand eine Anleitung gibt, und die<br />
daran gewachsen sind. Wir hatten dort eine ganz<br />
tolle Woche. Am Ende habe ich sogar die Rundfahrt<br />
gewonnen, aber das war am Anfang gar nicht<br />
abzusehen. Ich konnte bei Wiggle andere, neue<br />
Aufgaben übernehmen. Das hat mir gutgetan.<br />
Daneben hast du auch auf der Bahn einige<br />
Akzente gesetzt. Wie kam es dazu?<br />
Ich hatte mich im Sommer 2017 mit den Verantwortlichen<br />
beim BDR zusammengesetzt und mit<br />
ihnen darüber gesprochen, ob ein Weg zurück auf<br />
die Bahn für mich denkbar wäre. Wir haben beschlossen,<br />
dass ich es mal versuche, und zwar bei<br />
den Europameisterschaften in Berlin Ende 2017.<br />
Das hat dann mehr oder weniger gut geklappt,<br />
denn wir sind zwar superschnell gefahren, haben<br />
aber gleich mal einen Sturz zustande gebracht, bei<br />
dem ich mir den Oberarm gebrochen habe. Damit<br />
war das mit der Bahn auch gleich mal wieder vorbei.<br />
Trotzdem hat mir die Zeit viel Spaß gemacht.<br />
Ich bin ja bis 2012 sehr viel Bahn gefahren. Bei<br />
den Olympischen Spielen in London bin ich als<br />
Bahnradsportlerin angetreten und erst dann mehr<br />
oder minder komplett auf die Straße gewechselt.<br />
Es war ja kein Neuanfang. Nach dem Unfall habe<br />
ich den Bundestrainer angerufen und ihm gesagt:<br />
Der erste Versuch ist zwar nach hinten losgegangen,<br />
aber könntet ihr euch vorstellen, dass wir die<br />
WM in Apeldoorn [Februar/März 2018] in Angriff<br />
nehmen? Als wir dort dann so schnell gefahren<br />
sind, gab es weitere Gespräche, ob ich mir vorstellen<br />
könnte, das irgendwie in die Straßensaison<br />
einzubauen. Bei den European Games in Glasgow<br />
bin ich dann tatsächlich Straße und Bahn gefahren<br />
[sie holte sich dort den Sieg in der Einerverfolgung<br />
sowie zwei Bronzemedaillen; Anm. d. Red.].<br />
30 PROCYCLING | FEBRUAR 2019