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Bilder:Andreas Friedel &Christoph Naumann<br />
DasAusbauhaus in Neukölln wurde unter anderemmit<br />
dem Deutschen Bauherrenpreis 2018<br />
ausgezeichnet. DasBaugruppenprojektumfasst<br />
24 Einheiten zum Wohnen und Arbeiten. Das<br />
Konzept machteesmöglich, räumlich großzügigeWohnverhältnisse<br />
zu Preisendes sozialen<br />
Wohnungsbaus anzubieten (ab1.150 Euro pro<br />
Quadratmeter,abhängig vomAusbaustandard).<br />
Die Bauherren hattendie Wahl zwischen<br />
„StandardLoft“,„StandardWohnung“ und der<br />
„Übernahme Rohbau zum Selbstausbau“.<br />
IM GESPRÄCH MIT<br />
JANA RICHTER<br />
DerRohbau wirdgestellt, den Ausbau übernehmen die Eigentümer –das Konzept „Ausbauhaus“ist neu im Geschosswohnungsbau. Es funktioniert.<br />
Auch dank frei überspannter Stahlbetondecken, die innerhalb der Wohnung keine tragenden Wände erfordern und individuelle Grundrisse zulassen.<br />
Frau Richter,wie war das, als Sie 2012 das<br />
Eckgrundstück in Neukölln direkt an der Ringbahn<br />
erwarben, auf dem später das Ausbauhaus<br />
entstehen sollte?<br />
Jana Richter: Das Grundstück stand zum<br />
Verkauf, damals war Neukölln noch nicht<br />
so gentrifiziert. Wir konnten das Bauland<br />
zum günstigen Preis erwerben, wussten damals<br />
aber noch gar nicht, wohin die Reise<br />
geht. Wir wollten das Projekt mit einer Baugruppe<br />
durchziehen, hatten aber noch kaum<br />
Erfahrungen mit dieser Art des Bauens.<br />
Die Idee zur besonderen Form bestand schon?<br />
Ja –wir trennen Gebäude und Ausbau. Das<br />
Haus ist wie ein Regal mit identisch großen<br />
Fächern. Die Wohnungen sind die Fächer,<br />
die jeder Nutzer nach seinem Geschmack<br />
gestalten kann. Beim Rohbau hatten die<br />
Mitglieder der Baugruppe also kein Mitspracherecht,<br />
beimAusbau hingegen ermöglichten<br />
wir eine große Vielfalt.<br />
Wie haben Sie das technisch gelöst?<br />
Wir arbeiten mit frei überspannten Stahlbetondecken.<br />
Die brauchen keine stützenden<br />
Wände im Inneren, so dass die Nutzer ihre<br />
Zwischenwände selber setzen können. Die<br />
Bauweise ist im Industriebau verbreitet, in<br />
den Niederlanden auch im Wohnungsbau.<br />
Doch in Deutschland hat sie sich noch nicht<br />
durchgesetzt. Außerdem haben wir pro<br />
Wohnung drei Versorgungsschächte angebracht<br />
–zwei außen, einen in der Mitte.<br />
Das ist einer mehr als normalerweise. Aber<br />
es macht mehr Varianten möglich.<br />
Bild:Andras Friedel<br />
Jana Richter vomArchitekturbüroPraeger Richter –<br />
hier mit Partner Henri Praeger.<br />
Welche Wohnformen gibt es?<br />
Alles vom Loftstil mit einem Küchenund-Bad-Kubus<br />
in der Mitte bis bin zur<br />
Patchwork-Sechszimmerwohnung.<br />
Braucht eine solche Form des Bauens nicht<br />
auch besondere Nutzer,die mit diesem hohen<br />
Maß an Selbstbestimmung zurechtkommen?<br />
Durchaus. In Neukölln haben wir eine starke<br />
Hausgemeinschaft. Die letzte Wohnung<br />
wurde erst nach fünf Jahren fertig, aber es<br />
gab keine Probleme unter den Nachbarn.<br />
Alle wissen: Die Wohnungen entwickeln<br />
sich permanent weiter.Wir haben aber auch<br />
für guten Schallschutz gesorgt.<br />
Wie viele Ausbauhäuser haben Sie inzwischen<br />
gebaut?<br />
In Lichtenberg gibt es noch eines mit 37<br />
Einheiten.Aktuell leiten wir ein Baugruppenprojekt<br />
in Neuruppin, ein Massivholzbau.<br />
Wollen Sie weiter fürBaugruppen aktiv bleiben?<br />
Das würde ich gerne, aber in Berlin werden<br />
Baugrundstücke eigentlich nur noch an den<br />
öffentlichen Wohnungsbau verkauft. Deshalb<br />
arbeiten wir jetzt daran, unser Ausbauhaus-Konzept<br />
auf den Mietwohnungsbau<br />
zu übertragen.<br />
Wird da nicht oft auf immer gleiche Rezepte<br />
gesetzt?<br />
Ja, und genau das wollen wir aufbrechen. In<br />
Berlin beispielhaft ist das Konzeptverfahren<br />
Schöneberger Linse.Oder auch das Quartierhaus<br />
der Statistik. Da entsteht eine große<br />
Vielfalt: Wohnungen, Gewerbe, Verwaltung.<br />
Das sollte auch zum Vorbild für Marzahn<br />
und Reinickendorf werden. Wir brauchen<br />
keine Monostrukturen, keine reinen Wohnsiedlungen,<br />
gerade in den Außenbezirken.<br />
AberVielfalt ist teurer.Wie könnte das<br />
aussehen? Zum Beispiel so: In der Mitte<br />
zwischen den Häusern wird ein urbaner<br />
Garten angelegt, den auch die Mieter nutzen<br />
dürfen. In den oberen Geschossen sind die<br />
Wohnungen, in den unteren Geschossen gibt<br />
es Werkstätten und Raum für Coworking.<br />
Und wichtig: Bei jedem Neubauprojekt sind<br />
30 Prozent geförderter Wohnungsbau.<br />
Das Interview führte Ingrid Bäumer