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Berliner Kurier 27.04.2019

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Bilder:Andreas Friedel &Christoph Naumann<br />

DasAusbauhaus in Neukölln wurde unter anderemmit<br />

dem Deutschen Bauherrenpreis 2018<br />

ausgezeichnet. DasBaugruppenprojektumfasst<br />

24 Einheiten zum Wohnen und Arbeiten. Das<br />

Konzept machteesmöglich, räumlich großzügigeWohnverhältnisse<br />

zu Preisendes sozialen<br />

Wohnungsbaus anzubieten (ab1.150 Euro pro<br />

Quadratmeter,abhängig vomAusbaustandard).<br />

Die Bauherren hattendie Wahl zwischen<br />

„StandardLoft“,„StandardWohnung“ und der<br />

„Übernahme Rohbau zum Selbstausbau“.<br />

IM GESPRÄCH MIT<br />

JANA RICHTER<br />

DerRohbau wirdgestellt, den Ausbau übernehmen die Eigentümer –das Konzept „Ausbauhaus“ist neu im Geschosswohnungsbau. Es funktioniert.<br />

Auch dank frei überspannter Stahlbetondecken, die innerhalb der Wohnung keine tragenden Wände erfordern und individuelle Grundrisse zulassen.<br />

Frau Richter,wie war das, als Sie 2012 das<br />

Eckgrundstück in Neukölln direkt an der Ringbahn<br />

erwarben, auf dem später das Ausbauhaus<br />

entstehen sollte?<br />

Jana Richter: Das Grundstück stand zum<br />

Verkauf, damals war Neukölln noch nicht<br />

so gentrifiziert. Wir konnten das Bauland<br />

zum günstigen Preis erwerben, wussten damals<br />

aber noch gar nicht, wohin die Reise<br />

geht. Wir wollten das Projekt mit einer Baugruppe<br />

durchziehen, hatten aber noch kaum<br />

Erfahrungen mit dieser Art des Bauens.<br />

Die Idee zur besonderen Form bestand schon?<br />

Ja –wir trennen Gebäude und Ausbau. Das<br />

Haus ist wie ein Regal mit identisch großen<br />

Fächern. Die Wohnungen sind die Fächer,<br />

die jeder Nutzer nach seinem Geschmack<br />

gestalten kann. Beim Rohbau hatten die<br />

Mitglieder der Baugruppe also kein Mitspracherecht,<br />

beimAusbau hingegen ermöglichten<br />

wir eine große Vielfalt.<br />

Wie haben Sie das technisch gelöst?<br />

Wir arbeiten mit frei überspannten Stahlbetondecken.<br />

Die brauchen keine stützenden<br />

Wände im Inneren, so dass die Nutzer ihre<br />

Zwischenwände selber setzen können. Die<br />

Bauweise ist im Industriebau verbreitet, in<br />

den Niederlanden auch im Wohnungsbau.<br />

Doch in Deutschland hat sie sich noch nicht<br />

durchgesetzt. Außerdem haben wir pro<br />

Wohnung drei Versorgungsschächte angebracht<br />

–zwei außen, einen in der Mitte.<br />

Das ist einer mehr als normalerweise. Aber<br />

es macht mehr Varianten möglich.<br />

Bild:Andras Friedel<br />

Jana Richter vomArchitekturbüroPraeger Richter –<br />

hier mit Partner Henri Praeger.<br />

Welche Wohnformen gibt es?<br />

Alles vom Loftstil mit einem Küchenund-Bad-Kubus<br />

in der Mitte bis bin zur<br />

Patchwork-Sechszimmerwohnung.<br />

Braucht eine solche Form des Bauens nicht<br />

auch besondere Nutzer,die mit diesem hohen<br />

Maß an Selbstbestimmung zurechtkommen?<br />

Durchaus. In Neukölln haben wir eine starke<br />

Hausgemeinschaft. Die letzte Wohnung<br />

wurde erst nach fünf Jahren fertig, aber es<br />

gab keine Probleme unter den Nachbarn.<br />

Alle wissen: Die Wohnungen entwickeln<br />

sich permanent weiter.Wir haben aber auch<br />

für guten Schallschutz gesorgt.<br />

Wie viele Ausbauhäuser haben Sie inzwischen<br />

gebaut?<br />

In Lichtenberg gibt es noch eines mit 37<br />

Einheiten.Aktuell leiten wir ein Baugruppenprojekt<br />

in Neuruppin, ein Massivholzbau.<br />

Wollen Sie weiter fürBaugruppen aktiv bleiben?<br />

Das würde ich gerne, aber in Berlin werden<br />

Baugrundstücke eigentlich nur noch an den<br />

öffentlichen Wohnungsbau verkauft. Deshalb<br />

arbeiten wir jetzt daran, unser Ausbauhaus-Konzept<br />

auf den Mietwohnungsbau<br />

zu übertragen.<br />

Wird da nicht oft auf immer gleiche Rezepte<br />

gesetzt?<br />

Ja, und genau das wollen wir aufbrechen. In<br />

Berlin beispielhaft ist das Konzeptverfahren<br />

Schöneberger Linse.Oder auch das Quartierhaus<br />

der Statistik. Da entsteht eine große<br />

Vielfalt: Wohnungen, Gewerbe, Verwaltung.<br />

Das sollte auch zum Vorbild für Marzahn<br />

und Reinickendorf werden. Wir brauchen<br />

keine Monostrukturen, keine reinen Wohnsiedlungen,<br />

gerade in den Außenbezirken.<br />

AberVielfalt ist teurer.Wie könnte das<br />

aussehen? Zum Beispiel so: In der Mitte<br />

zwischen den Häusern wird ein urbaner<br />

Garten angelegt, den auch die Mieter nutzen<br />

dürfen. In den oberen Geschossen sind die<br />

Wohnungen, in den unteren Geschossen gibt<br />

es Werkstätten und Raum für Coworking.<br />

Und wichtig: Bei jedem Neubauprojekt sind<br />

30 Prozent geförderter Wohnungsbau.<br />

Das Interview führte Ingrid Bäumer

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