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ZAP-2019-20

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Rechtsprechung Fach 18, Seite 1681<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>19</strong><br />

Betriebskostenvorauszahlung und 15 € Heizkostenvorauszahlung. Der Beklagte wies im März <strong>20</strong>13 auf<br />

die angemessene Bruttokaltmiete hin. Ab Oktober <strong>20</strong>13 bewilligte er für die Bruttokaltmiete monatlich<br />

271,50 € und die tatsächlich anfallenden Heizungskosten. Die Klage hiergegen hatte Erfolg. Die Berufung<br />

des Beklagten führte zur Aufhebung der Entscheidung des SG. Mit der Revision rügt er eine Verletzung<br />

von § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II.<br />

Das BSG knüpfte an seine bisherige Rechtsprechung zur Angemessenheit der Unterkunftskosten an,<br />

fasste diese zusammen und konkretisierte sie wie folgt:<br />

Bei dem Tatbestandsmerkmal „Angemessenheit“ handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff,<br />

dessen Konkretisierung voller gerichtlicher Kontrolle unterliege. Eine nicht justiziable Einschätzungsprärogative<br />

der Jobcenter bestehe nicht. Bei der Auslegung der „Angemessenheit“ müssten auch die<br />

§§ 22a-22c SGB II berücksichtigt werden.<br />

Hinweis:<br />

Diese (praktisch bisher kaum umgesetzten) Vorschriften sehen vor, dass die Länder ihre Kommunen ermächtigen<br />

können, die Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch kommunale<br />

Satzung zu regeln, geben hierfür Mindestinhalte an und regeln die Datengrundlage sowie die Fortschreibung<br />

der Werte (s. hierzu näher BERLIT in BERLIT/CONRADIS/PATTAR, Existenzsicherungsrecht, 3. Aufl.<br />

<strong><strong>20</strong>19</strong>, § 28 Rn 62 f.). Nach Maßgabe von § 35a SGB XII gelten die Bestimmungen auch für die Leistungsgewährung<br />

im SGB XII.<br />

Bei der Ermittlung der Angemessenheit seien zunächst die abstrakt angemessenen aus der Nettokaltmiete<br />

und den kalten Betriebskosten bestehenden Unterkunftskosten und in einem zweiten Schritt<br />

die subjektiv angemessenen Unterkunftskosten zu ermitteln. Die abstrakt angemessenen Unterkunftskosten<br />

müssten in folgenden Schritten festgestellt werden: (1) Feststellung der angemessenen<br />

Wohnungsgröße, (2) Bestimmung des angemessenen Wohnungsstandards, (3) Ermittlung der<br />

aufzuwendenden Nettokaltmiete für eine nach Größe und Wohnungsstandard angemessenen Wohnung<br />

nach einem schlüssigen Konzept im maßgeblichen örtlichen Vergleichsraum, (4) Berücksichtigung<br />

der angemessenen kalten Betriebskosten. Der Vergleichsraum sei der Raum, in dem grds. ein<br />

einheitlicher Angemessenheitswert gelte und in dem ein Umzug zur Kostensenkung zumutbar sei. In<br />

dem Raum müsse aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und Verkehrsverbindungen ein homogener<br />

Lebens- und Wohnbereich bestehen. Für einen Landkreis können mehrere Vergleichsräume<br />

gebildet werden (vgl. insoweit § 22b Abs. 1 S. 4 SGB II). Mit dem schlüssigen Konzept müsse<br />

gewährleistet werden, dass bei der Festlegung der Angemessenheitsgrenze die aktuellen Verhältnisse<br />

des Mietwohnungsmarkts im Vergleichsraum zugrunde liegen. Das Gericht selbst dürfe den Vergleichsraum<br />

nicht festlegen.<br />

Für die Schlüssigkeit des Konzepts sei erforderlich, dass bestimmte methodische Voraussetzungen<br />

berücksichtigt würden und das Konzept nachvollziehbar sei. Folgende Anforderungen müssten erfüllt<br />

werden: Die untersuchten Wohnungen müssten nach Größe und Standard definiert werden. Es seien<br />

Angaben über die Art und Weise der Datenerhebung erforderlich. Außerdem müsse angegeben werden,<br />

auf welchen Zeitraum sich die Datenerhebung beziehe. Die Datenerhebung selbst müsse repräsentativ<br />

und valide sein. Die Auswertung der Daten müsse anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätzen<br />

entsprechen. Die Ermittlung der Angemessenheit aus den Daten müsse begründet werden. Eine<br />

bestimmte Methode sei allerdings nicht vorgeschrieben.<br />

Gelange das Gericht bei der Überprüfung des als unbestimmter Rechtsbegriff gerichtlich voll überprüfbaren<br />

Tatbestandsmerkmals „Angemessenheit“ einschließlich der Festlegung des Vergleichsraums<br />

und des schlüssigen Konzepts zu rechtlichen Beanstandungen, müsse dem Jobcenter zunächst Gelegenheit<br />

gegeben werden, Stellung zu nehmen. Das Gericht selbst dürfe weder den Vergleichsraum<br />

festlegen noch ein schlüssiges Konzept entwickeln.<br />

<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong> 1071

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