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ZAP-2019-20

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Fach 18, Seite 1692<br />

Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>19</strong><br />

Rechtsprechung<br />

3. Die Entscheidung hat über das Rentenrecht hinaus Bedeutung: In der gesetzlichen Unfallversicherung<br />

besteht mit § 96 Abs. 3 SGB VII eine Vorschrift, die der Norm des § 118 Abs. 3 SGB VI entspricht. Für die<br />

Auszahlung der Renten der gesetzlichen Alterssicherung für Landwirte gilt § 118 SGB VI entsprechend,<br />

§ 40 Abs. 1 ALG. Schließlich regelt § 6 Abs. 2 S. 4 BVG die entsprechende Anwendung von § 118 Abs. 3-4 a<br />

SGB VI. Entsprechend anzuwenden ist § 118 Abs. 3-4a SGB VI ferner in der Grundsicherung für Arbeitsuchende<br />

(§ 40 Abs. 5 S. 2 SGB II). Eine eigenständige, inhaltlich aber entsprechende Regelung enthält für<br />

das Wohngeldrecht § 30 WoGG.<br />

2. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben<br />

Gesetzlich Rentenversicherte haben Anspruch auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach §§ 9,<br />

10, 11, 12, 16 – dort mit Verweis auf §§ 49-54 SGB IX – SGB VI. Die persönlichen Voraussetzungen<br />

haben die Versicherten erfüllt, wenn ihre Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder körperlicher,<br />

geistiger oder seelischer Behinderung erheblich gefährdet oder gemindert ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI)<br />

und Erfolgsaussichten einer Teilhabeleistung i.S.v. Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift bestehen. Der Begriff der<br />

„geminderten Erwerbsfähigkeit“ entspricht nicht dem der Erwerbsminderung i.S.v. § § 43, 240 Abs. 2<br />

SGB VI, vielmehr ist hierunter die Fähigkeit zur möglichst dauernden Ausübung der bisherigen<br />

beruflichen Tätigkeit im normalen Umfang zu verstehen (s. Kasseler Kommentar/KATER, § 10 SGB VI<br />

Rn 15 m.w.N.). Auf eine etwaige Einsetzbarkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt<br />

kommt es grds. nicht an.<br />

Abzustellen ist demnach auf den zuletzt innegehabten Arbeitsplatz. In die Betrachtung können ggf.<br />

auch alle weiteren beruflichen Tätigkeiten der letzten Jahre einbezogen werden, sofern sie nicht allzu<br />

lange zurückliegen und nicht nur verhältnismäßig kurze Zeit verrichtet wurden. Feste zeitliche Grenzen<br />

hinsichtlich der Rückanknüpfung bei der Bestimmung des bisherigen Berufs bestehen nicht. So hat das<br />

BSG durch Urt. v. 12.3.<strong><strong>20</strong>19</strong> – B 13 R 27/17 R den Teilhabeanspruch einer 1961 geborenen Klägerin bejaht,<br />

die zunächst 1984 und 1989 als Kontoristin tätig war, dann eine Ausbildung zur Physiotherapeutin<br />

absolvierte und zwischen 1992-<strong>20</strong>03 in der Hälfte der Zeit in diesem Beruf tätig war. Anschließend war<br />

sie arbeitslos, arbeitsunfähig und geringfügig in der Gastronomie beschäftigt. Im Mai beantragte sie<br />

Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und wies darauf hin, sie könne wegen ausgeprägter Gesundheitsstörungen<br />

an Händen und Knien nicht mehr als Physiotherapeutin tätig sein und sie stelle sich eine<br />

Qualifizierung zur Kauffrau im Gesundheitswesen oder in der Immobilienbranche vor. Die nach Ablehnung<br />

des Antrags erhobene Klage, die Deutsche Rentenversicherung zu verpflichten, den Antrag der<br />

Klägerin auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter Beachtung der Rechtsauffassung des<br />

Gerichts erneut zu bescheiden, war in allen drei Instanzen erfolgreich.<br />

Das BSG stellt bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen auf den zuletzt von der Klägerin ausgeübten<br />

Beruf als Physiotherapeutin ab. Unerheblich im Hinblick auf den Berufsbezug seien zunächst die<br />

von der Klägerin seit <strong>20</strong>07 ausgeübten nicht versicherungspflichtigen Tätigkeiten, die immer außer<br />

Betracht zu bleiben haben (s. Rn 34 der Entscheidungsgründe). Den Umstand, dass im Falle erst lange<br />

Zeit nach der letzten tatsächlichen Ausübung des bisherigen Berufs bzw. der bisherigen Tätigkeit<br />

auftretender Krankheiten/Behinderungen auch andere Ursachen dafür infrage kommen können, dass<br />

Versicherte diesen Beruf nicht mehr ausüben können, prüft das Gericht im Rahmen der Vorschrift des<br />

§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI, die voraussetzt, dass die Erwerbsfähigkeit „wegen“ einer Behinderung gefährdet<br />

ist und nicht aus anderen Gründen. Maßstab der insoweit anzustellenden Kausalitätsprüfung ist auch im<br />

Recht der gesetzlichen Rentenversicherung die Lehre von der wesentlich mitwirkenden Bedingung.<br />

Nach dieser sind kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen, die wegen ihrer besonderen Beziehung<br />

zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Ist eine Ursache gegenüber einer<br />

anderen von überragender Bedeutung, so ist nur diese als „wesentliche“ Ursache im Sinne des Sozialrechts<br />

zu qualifizieren. Die andere, damit nicht wesentliche Ursache, kann zwar gleichwohl „Auslöser“<br />

für den Ursachenzusammenhang sein, jedoch ohne dass ihr insoweit rechtlich entscheidende Bedeutung<br />

zukäme. Das BSG prüft, ob überragende Ursache im vorstehenden Sinne im Kontext des § 10 Abs. 1<br />

1082 <strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong>

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