ZAP-2019-20
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Rechtsprechung Fach 18, Seite 1691<br />
Rechtsprechungsübersicht – 1. Hj. <strong><strong>20</strong>19</strong><br />
Der klagende Rentenversicherungsträger verlangte im März <strong>20</strong>10 von der beklagten Bank Rente zurück,<br />
die er auf das dort geführte Konto der Rentnerin, die bereits am 19.11.<strong>20</strong>09 verstorben war, für die<br />
Monate Dezember <strong>20</strong>09 und Januar <strong>20</strong>10 überwiesen hatte. Der Todesfall war der Beklagten seit dem<br />
24. 11. <strong>20</strong>09 bekannt. Auf den anspruchsvernichtenden Einwand nach § 118 Abs. 3 S. 3 SGB VI konnte sich<br />
die Beklagte nicht berufen, weil diese Vorschrift neben den beiden geschriebenen Tatbestandsmerkmalen<br />
als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal weiter voraussetzt, dass das Geldinstitut bei einer<br />
anderweitigen Verfügung keine Kenntnis vom Tod des Rentenberechtigten hatte (s. obige Entscheidung<br />
des BSG, Rn 6 m.w.N.). Diese bestand aber vorliegend bereits seit Ende November <strong>20</strong>09. Die<br />
Beklagte hatte jedoch das Guthaben, das höher war, als der Rückzahlungsanspruch, bereits Ende Januar<br />
<strong>20</strong>10 an die Erbinnen der Verstorbenen ausgezahlt und das Konto danach gelöscht. Entscheidungserheblich<br />
war demnach, ob hierdurch der Rücküberweisungsanspruch erloschen war.<br />
Der im Revisionsverfahren der Parteien zuständige 5. Senat des BSG vertrat unter Hinweis auf den<br />
Wortlaut der Vorschrift des § 118 Abs. 2 S. 2 SGB VI („zurückzuüberweisen“) die Auffassung, der gegen die<br />
Bank gerichtete Anspruch setze das weitere Bestehen des Kontos des verstorbenen Rentners voraus<br />
(BSG, Vorlagebeschluss v. 17.8.<strong>20</strong>17 – B 5 R 26/14 R, zustimmend MUSHOFF, NZS <strong>20</strong>18, 194). Der 13. Senat<br />
des BSG vertrat hingegen die Auffassung, die Auflösung des Kontos führe nicht zum Untergang des<br />
Anspruchs des Rentenversicherungsträgers auf Rücküberweisung und hielt auf Anfrage an dieser<br />
Auffassung fest. Demnach war die Entscheidung des beim BSG gebildeten Großen Senats einzuholen<br />
(§ 41 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 SGG).<br />
Dieser entschied, dass der Anspruch eines Rentenversicherungsträgers gegen das Geldinstitut nach § 118<br />
Abs. 3 S. 2 SGB VI auf Rücküberweisung von Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten<br />
überwiesen worden sind, nicht durch die Auflösung des Kontos des Rentenversicherungsempfängers<br />
erlischt und folgt somit der Auffassung des 13. Senats. Begründet wird dies zunächst damit,<br />
der Wortlaut der Vorschrift mit dem Begriff „Rücküberweisung“ setze nicht zwingend den Fortbestand<br />
des Empfängerkontos beim Geldinstitut voraus. Ferner führt er systematische Gründe für seine Auffassung<br />
an. Schließlich hebt er auf den Regelungszweck des Gesetzes ab: Der Anspruch diene dazu,<br />
nach dem Tod des Berechtigten zu Unrecht weiter gezahlte Geldleistungen schnell, effektiv und<br />
vollständig dem Rentenversicherungsträger zurückzuerstatten, um die Solidargemeinschaft der Versicherten<br />
vor finanziellen Verlusten zu bewahren. Dieses Ziel, eine effektive Rückführung überzahlter<br />
Leistungen zu gewähren, würde verfehlt, wenn das Geldinstitut als in § 118 Abs. 3 S. 2 SGB VI ausdrücklich<br />
benannter Schuldner den Anspruch des Rentenversicherungsträgers zum Erlöschen bringen<br />
könnte, indem es das Konto etwa im Auftrag des Berechtigten auflöst. Dies wäre widersprüchlich und<br />
mit § 242 BGB unvereinbar.<br />
Hinweise:<br />
1. Die Entscheidung des Großen Senats vereinfacht bei Überzahlungen nach dem Tod des Berechtigten die<br />
Position des Rentenversicherungsträgers, weil er sich in vielen Fällen an das Geldinstitut halten kann und<br />
den u.U. mühsameren Weg vermeidet, den Rückforderungsanspruch gegen Empfänger von Geldleistungen<br />
und darüber Verfügende nach § 118 Abs. 4 SGB VI zu verfolgen.<br />
2. Das Urteil wird auch Auswirkungen auf die Rechtsbeziehungen zwischen der Bank und den Erben<br />
eines Rentenempfängers haben. Das BSG weist darauf hin, dass sich die Geldinstitute auf einfachem<br />
Wege davor schützen können, den Anspruch auf Rückforderung zu Unrecht gezahlter Geldleistungen<br />
befriedigen zu müssen, ohne dass ihnen der Rückgriff auf eine realisierbare Sicherheit offensteht. Sie<br />
haben die Möglichkeit, sich entweder mittels eines Guthabens auf dem Empfängerkonto oder – falls das<br />
Konto im Soll ist – mittels Verweigerung einer Verringerung des Solls zu sichern. Einmal regelt dies § 118<br />
Abs. 3 S. 1 SGB VI mit dem Normbefehl, dass Geldleistungen, die für die Zeit nach dem Tod des Berechtigten<br />
auf ein Konto bei einem Geldinstitut im Inland überwiesen wurden, als „unter Vorbehalt<br />
erbracht“ gelten. Die Geldinstitute können, so das BSG, die Sicherung mittels Zurückbehaltungsrechts<br />
und Kontobelastung den ihm erteilten Anweisungen der Kontoführungsberechtigten, insbesondere der<br />
Kontoauflösung, entgegenhalten. Die Berechtigung hierzu folge aus § 675o Abs. 2 BGB.<br />
<strong>ZAP</strong> Nr. <strong>20</strong> 23.10.<strong><strong>20</strong>19</strong> 1081