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architektur - bauen und energie - kreuzgewölbe - fachmagazin - oktober 2019 - eMagazin 07/19 - perchtoldsdorf - magazin - licht - bauen - planen - autocad - architekten - planer - gebäude - bauwirtschaft - interior - creative - designer - innenausbau - architect - archilover - retail - innenarchitektur
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<strong>architektur</strong> FACHMAGAZIN<br />
90<br />
Licht<br />
„Aussicht“<br />
Der gewinnende Beitrag, der Lesesaal Ekonomikum,<br />
der in einem der von Peter Celsing im Jahre 1975 entworfenen<br />
Institutionsbauten der Uppsala Universität<br />
liegt, besteht aus zwei unterschiedlichen Räumen:<br />
einem Raum für Gruppenarbeit und soziale Tätigkeiten<br />
und dem eigentliche Lesesaal. Der Architekt und<br />
Lichtplaner Jonas Kjellander von Sweco Architects<br />
hat die Räume „Aussicht“ und „Einsicht“ genannt.<br />
Der erste Raum, den man betritt, die „Aussicht“, ist<br />
ein Raum für kollektives Arbeiten und Zusammensein,<br />
von Tageslicht durchflutet und mit Möbeln, die<br />
an unterschiedliche soziale Situationen angepasst<br />
sind: Gruppenarbeiten in kleinen, verglasten Besprechungszimmern,<br />
Gespräche an runden Kaffeetischen<br />
oder geselliges Zusammensein auf dem großen, bodennahen<br />
und mit grünem Wollteppich ausgekleideten<br />
Kollektivsofa, das vor einer schallabsorbierenden<br />
Mooswand steht. Die ruhige und angenehme Atmosphäre<br />
wird durch die Beleuchtung unterstützt und<br />
auf die Besucher übertragen. Auch die Tatsache,<br />
dass die Schuhe beim Eingang ausgezogen werden,<br />
trägt dazu bei, dass man sich respektvoller bewegt,<br />
so etwa wie wenn man bei jemandem Zuhause ist,<br />
meint Architekt Kjellander.<br />
Der eigentliche Lesesaal, die „Einsicht“, ist in einem<br />
Schutzraum eingebaut, der im Ernstfall innerhalb von<br />
48 Stunden entleert werden kann und der eigentlichen<br />
Funktion des Schutzraums dient. Aus dem<br />
fensterlosen und am Anfang der Planung noch recht<br />
trostlos wirkenden Raum ein attraktives Lernmilieu<br />
mit guten Licht- und Klimaverhältnissen zu gestalten,<br />
war eine Herausforderung.<br />
Dunkelheit kann auch ruhegebend sein. Variation ist<br />
natürlich und hilft uns, unsere Sinne zu schärfen. Die<br />
umgebende Dunkelheit unterstützt die Konzentration<br />
innerhalb einer der individuellen „Lichtblasen“, die jedem<br />
Platz zugewiesen ist, erklärt Architekt Kjellander.<br />
Hier signalisieren sowohl die Möbel als auch die Lichtgestaltung,<br />
dass es sich um ein ruhiges Milieu für individuelles<br />
Arbeiten und Studieren handelt. Reduzierte<br />
Allgemeinbeleuchtung in Kombination mit individueller<br />
Platzbeleuchtung ist üblich in gängigen Lesesälen.<br />
Was hier kennzeichnend ist, ist die Kombination<br />
aus verschiedenen Arten zum Sitzen und individuell<br />
gesteuerter Platzbeleuchtung für unterschiedliche<br />
Präferenzen, sowohl für analoges als auch digitales<br />
Arbeiten. Wir sind alle verschieden und wollen unterschiedlich<br />
sitzen, oder auch mal den Platz wechseln<br />
können während einer langen Arbeitssitzung.<br />
In der Mitte des Raumes befindet sich ein Sitzkreis<br />
aus vierzehn für dieses Projekt spezialdesignten Sesseln,<br />
die sowohl aktives als auch entspanntes Sitzen<br />
ermöglichen. Der Kreis bildet einen eignen Rahmen<br />
für unterschiedliche Gesprächssituationen, wenn<br />
der Raum vom Lesesaal zum „Raum für Gespräche“<br />
mutiert. Zusätzlich zu den in der Decke eingebauten<br />
Spotlights, sind die Plätze mit individuellen Tischlampen<br />
versehen.<br />
Das Erzählen am Lagerfeuer war eine der Ursprungsformen<br />
der Begegnungen von Menschen in vielen<br />
Kulturen seit Urzeiten, erzählt der Architekt. Der Kreis<br />
soll nicht größer sein, als dass man die Gesichtsausdrücke<br />
aller im Kreis ablesen kann, was sehr wichtig<br />
für ein gutes Gespräch ist, betont er. Dies wird auch<br />
durch das Licht, das von der Tischfläche ins Gesicht<br />
reflektiert, unterstützt.<br />
Die Akustik kann für diesen Teil des Raumes an unterschiedliche<br />
Gesprächssituationen angepasst werden,<br />
indem die schallabsorbierenden Elemente über<br />
der Feuerstelle weggeschoben werden. Auch das<br />
Beleuchtungsszenario kann an unterschiedlich große<br />
Gruppen und verschiedene Zwecke angepasst werden,<br />
je nachdem, ob es sich um eine Märchenstunde,<br />
einen Lyrikabend mit Publikum oder eine Vorstandssitzung<br />
handelt. Die ruhige Atmosphäre wird vom<br />
diskreten Sternenhimmel unterstützt, der von einem<br />
Astronomen der Uppsala Universität gestaltet wurde.<br />
In der Beurteilung der Jury zum gewinnenden Beitrag<br />
wurden die umfassenden Kenntnisse vom Zusammenspiel<br />
zwischen Farben, Formen und Materialien<br />
gelobt. Das umfangreiche Wissen von Lernmilieus<br />
und der Glaube an den jungen Menschen sowie sein<br />
Recht auf Würde wurden hervorgehoben. Die Jury<br />
lobte den großen Mut und den kreativen Einsatz von<br />
ursprünglichen Ausdrucksmitteln, die das Gefühl von<br />
Geborgenheit, Vertraulichkeit und Staunen in diesem<br />
einzigartigen Lernmilieu verstärken.<br />
Architekt Jonas Kjellander, der schon 2010 den<br />
Schwedischen Lichtpreis für die Planung des Kindergartens<br />
Matildelund in Kumla bekommen hat, erklärt<br />
bei der diesjährigen Preisverleihung sein Interesse<br />
für Lernmilieus: Schulen sind für ihn die wichtigsten<br />
Milieus, die wir gestalten, und Licht ist das wichtigste<br />
Werkzeug des Architekten. Er hofft durch diesen<br />
Preis vermehrt Möglichkeiten zu bekommen, um<br />
gute Beleuchtung nicht nur in Schulen, sondern auch<br />
in anderen Bereichen realisieren zu können und fügt<br />
hinzu, dass die Perspektive der Kinder als Maßstab<br />
uns allen guttun würde.