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ARCHITEKTUR ALPIN<br />
Gespür<br />
für Schnee<br />
TEXT NORMAN KIETZMANN<br />
FOTOS OSSIP VAN DUIVENBODE<br />
01<br />
STABILES SATTELDACH<br />
UNVERSTELLTES PANORAMA<br />
Das Chalet ist zum Teil in den Berg eingelassen<br />
und öffnet sich zur Talseite auf drei<br />
Etagen mit spektakulären Blicken auf das<br />
Dent-Blanche-Massiv, das Weisshorn sowie<br />
den höchsten Gipfel in der Schweiz: die<br />
4.634 Meter hohe Dufourspitze<br />
Auf 1.500 Höhenmeter muss ein Gebäude für schweren<br />
Schneefall ausgelegt sein. Die Höhe der Last hängt von der<br />
Konsistenz ab. Pulveriger Neuschnee wiegt gerade einmal<br />
30 bis 50 Kilogramm pro Kubikmeter. Nassschnee generiert<br />
bereits einen zehnfach höheren Druck auf das Dach.<br />
Gefriert der Schnee zu Eis, kann das Gewicht auf bis zu<br />
900 Kilogramm pro Kubikmeter anwachsen. Flachdächer<br />
können diese Lasten nicht mehr ausgleichen, weswegen<br />
in hohen Gebirgslagen bis heute Satteldächer verwendet<br />
werden – genau wie in der traditionellen Chalet-Architektur.<br />
Ein beeindruckendes Beispiel ist das 1752 bis 1756 erbaute<br />
Grand Chalet in Rossinière, das ab den 70er-Jahren vom<br />
Maler Balthus bewohnt wurde. Der 500 Quadratmeter<br />
große Bau mit fünf Etagen gilt bis heute als größtes Holzhaus<br />
in der Schweiz. Das Amsterdamer Architekturbüro<br />
SeARCH hat ihn als Vorbild für den Um- und Neubau<br />
eines Chalets im schweizerischen Anzère verwendet. Statt<br />
die historische Bauweise eins zu eins zu übernehmen,<br />
wurde sie mit zeitgenössischen Mitteln interpretiert. Das<br />
Satteldach ist geblieben. Der Baukörper ist hingegen in<br />
Sichtbeton ausgeführt und zum Teil mit Holzlamellen<br />
von außen verkleidet worden. Ein gelungener Balanceakt<br />
zwischen Tradition und Gegenwart.<br />
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