mein/4 März 2020
mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020
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Kevin Kühnert im Interview
Bildband „4 Blickwinkel –
Prenzlauer Berg“
Mit den Fotografen
Vera Rüttimann, Lutz Müller
Bohlen, Pavol Putnoki und
dem Autor Marc Lippuner.
Ab 15. März erhältlich unter
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und in über 20 Verkaufsstellen
in Prenzlauer Berg.
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gucke und meine 30 Lebensjahre Revue
passieren lasse, sehe ich, dass da einmal
alles durchgewechselt worden ist – was
Wohnraumerneuerung angeht, was die
Geschäfte angeht, die ich dort vorfinde,
was den öffentlichen Raum angeht.
mein/4: Welche Probleme und
Chancen entstehen daraus?
Kevin Kühnert: Herausforderungen sehe
ich ganz konkret in der Bezirkspolitik.
In Tempelhof-Schöneberg bin ich selbst
kommunalpolitisch als Bezirksverordneter
aktiv. Da bekomme ich die Probleme
vor Ort natürlich aus nächster Nähe
mit. Eine Herausforderung ist z. B., dass
wir unendlich viele Kitaplätze schaffen
müssen, mitunter 100 pro Monat in den
letzten Jahren. Wir sind gesetzlich dazu
verpflichtet, Kitaplätze anzubieten und
zwar für jeden. Natürlich auch für jene,
die jetzt neu nach Berlin kommen. Das
verlangt nach unheimlich viel Organisation.
Es müssen Schulen neu gebaut
werden, neue Sportplätze müssen angelegt
werden, gleichzeitig wollen wir
Grünanlagen erhalten und verteidigen.
Wir kommen in einer wachsenden Stadt
an einen Punkt, an dem Widersprüche
entstehen. An dem Dinge, die eigentlich
schützenswert sind, im Widerspruch stehen
zu Dingen, die wir zwingend brauchen,
um einer immer größer werdenden
Masse an Berlinerinnen und Berlinern
gerecht werden zu können. Das sorgt
für Konflikte, vor allem für Verteilungskonflikte,
nicht nur in finanzieller Hinsicht,
sondern auch was den öffentlichen
Raum angeht. Die größte Ressource in
einer Stadt ist Raum, und das merken
wir mittlerweile.
mein/4: Die Verteilungskonflikte,
die du beschreibst, sorgen ja
auch für eine Spaltung der Stadt.
Wie bringt man die Menschen
zum Großteil wieder zusammen?
Wie findet man eine breite
Zustimmung?
Kevin Kühnert: Ich glaube, es geht
hauptsächlich um zwei Sachen. Zum
16
„Die größte Ressource in
einer Stadt ist Raum …“
einen brauchen wir eine aktive demokratische
Gesellschaft. Nicht nur zehn
Prozent müssen sich engagieren, sondern
eine breite Mehrheit. Menschen,
die ihr Lebensumfeld als Aufgabe begreifen
und diese auch mitgestalten.
Und das Lebensumfeld sind nicht die
Bezirke. Die haben teilweise 300.000
und mehr Einwohner; das ist viel größer
als der Radius, in dem sich der Einzelne
bewegt. Die Menschen reden eher von
ihrem Stadtteil oder sogar von ihrer Eisscholle,
auf der sie leben. Darum geht
es. Es braucht Strukturen darunter, eine
aktive Nachbarschaft, so was wie Quartiersmanagement
in Kiezen, die sonst
abzurutschen drohen. Aus meiner Sicht
ist es sehr wichtig, als Politik vor Ort ein
Signal zu setzen: Ihr könnt und müsst
ein stückweit selbst gestalten, aber ihr
bekommt auch Hilfe dabei, wenn ihr
sie braucht. Der zweite Punkt ist, dass
wir der andauernden Profit- und Verwertungslogik
entgegentreten müssen
– und das kann nur durch politischen
Willen passieren. Daran arbeiten wir vor
allem. Viele Entwicklungen dieser Stadt
zeigen, dass wir eine Entmischung in
der Innenstadt haben, also dass ärmere
Menschen dort rausgedrängt werden
und Gated Communities entstehen, in
denen man abgeschottet unter seinesgleichen
ist. So etwas entsteht, weil immer
weiter an der Preisschraube gedreht
wird. Die Mieten gehen hoch. Es gibt
ja auch immer jemanden, der es zahlen
kann. Es bewerben sich nur nicht mehr
200 Menschen auf eine Wohnung, sondern
20. Aber einer davon nimmt diese
Wohnung auch für die Mondmiete,
die für sie aufgerufen wird. Die anderen
Menschen werden an den Rand oder
noch weiter nach außen verdrängt. Dafür
muss es eine Politik geben, die ganz
klar sagt: Wenn wir so nicht im Raum
zusammenleben wollen, und wenn wir
miteinander auskommen wollen, dann
müssen wir die Kontrolle über den
mein/4