28.02.2020 Aufrufe

mein/4 März 2020

mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020

mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

„Kurz und knapp“ – Franziska Hauser

und als er fertig war, habe ich mich sehr danach gesehnt,

mir wieder was ausdenken zu dürfen. Das habe

ich jetzt gemacht.

Wann und wo schreibst du?

Bisher ging es nur 20 Minuten, während die Kartoffeln

kochten oder in der U-Bahn auf dem Weg von einem

Job zum nächsten, in der Garderobe, während eins der

Kinder beim Tanzkurs war. Immer wenn Zeit war. Auch

wenn keine Zeit war, zwischendurch. Ich bin schon stolz

auf diesen zweiten Roman und auf die Buchpreis-Nominierung.

Aber viel stolzer bin ich eigentlich darauf, dass

ich es geschafft habe, nebenbei zwei Kinder großzuziehen

und zu ernähren und Geld zu verdienen in Jobs, die

zwar schlecht bezahlt sind, dafür aber einen Sinn haben,

den ich mit Stolz vertreten kann. Das ist für mich die

eigentliche Leistung daran.

Klar gab es auch ständig Verzweiflungsanfälle, in denen

ich mich bei der ganzen Welt beschwert habe, dass es

so auf keinen Fall weitergehen kann. Die Arbeit nie ablegen

zu können, belastet ja immer die Familie und die

Liebe. Inzwischen sind die Kinder so groß, dass ich regelmäßiger

schreiben kann.

Franziska Hausers

„Die Glasschwestern“

erscheint am 28. Februar im

Eichborn Verlag.

und alt, und es ist viel Geschichte drin. Allerdings habe

ich mich mit dieser Familiengeschichte auch selbst traumatisiert.

In „Die Gewitterschwimmerin“ kommt eigentlich

alles Schreckliche vor, was Menschen einander so

antun können. Das habe ich ja alles irgendwie durchlebt.

Ich dachte, ich wäre es los, wenn das Buch fertig ist.

Aber bisher liegt es mir immer noch wie ein Felsen auf

den Schultern und hat mich total empfindlich gemacht.

Ich könnte bei jedem Stolperstein auf dem Bürgersteig

losheulen. Davon gibt es ja in Prenzlauer Berg wirklich

eine Menge. Andererseits bin ich ja auch froh von diesem

spürbaren Geschichtenreichtum umgeben zu sein.

Du bist ein Ost-Kind, hast du auch ein

Ost-Thema?

Wenn ich ein bisschen älter wäre, hätte ich auch diese

maroden DDR-Schwarz-Weiß-Fotos machen können

von leeren Straßen, in denen ein Trabi steht, ein paar

Straßenkatzen auf kaputten Fenstersimsen sitzen und

Omas in Dederon-Kitteln Einkaufsnetze schleppen. Man

konnte ja sehr schöne Fotos machen in der DDR. Die

waren auch damals schon schön. Und nach der Wende

waren eben überall nur noch Autos und Werbeplakate,

und alles wurde so laut und

bunt und grell und einfach fotografisch

für mich nicht mehr interessant.

Was macht dann die Fotografin?

Was man nicht mehr fotografieren

kann, kann man immer noch beschreiben.

Ich hole alles schreibend zurück.

Dabei habe ich gelernt, dem Leser nicht

vor die Füße zu werfen, was ich selbst

interessant finde. Das funktioniert nicht.

Ich muss ihm zutrauen, es selbst rauszufinden.

Und das finden dann natürlich oft die Leute raus,

die aus dem Osten kommen, weil sie vielleicht dieselbe

Sehnsucht haben. Mit dem Fotografieren ist es genauso.

Der Betrachter muss selbst denken dürfen.

Der zweite Roman „Die Gewitterschwimmerin“

(Eichborn) war 2018 für den Deutschen Buchpreis

nominiert, und der erste Roman „Sommerdreieck“

(Rowohlt) hat den Debütantenpreis der

lit.COLOGNE 2015 gewonnen.

Viele deiner Texte spielen in der Vergangenheit …

Woraus soll man sonst schöpfen? Vielleicht sind meine

Texte auch wie meine Fotos. Da ist immer viel kaputt

Was kommt als Nächstes?

Mein Uropa hat immer gesagt, das Leben fängt erst an,

wenn der Hund tot ist und die Kinder aus dem Haus

sind. Ich merke schon, dass ich jetzt langsam mal versuchen

muss, eine andere Rolle zu finden und nicht mehr

immer diese Herbergsmutter bleiben kann mit einer

großen Wohnung, wo ständig Essen auf dem Herd steht

und Kinder und Freunde da sind. Das ist einfach mein

Lieblingszustand, aber der ergibt sich immer seltener.

Schließlich habe ich jetzt schon eine kleine Enkeltochter.

mein/4

27

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!