mein/4 März 2020
mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020
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„Kurz und knapp“ – Franziska Hauser
und als er fertig war, habe ich mich sehr danach gesehnt,
mir wieder was ausdenken zu dürfen. Das habe
ich jetzt gemacht.
Wann und wo schreibst du?
Bisher ging es nur 20 Minuten, während die Kartoffeln
kochten oder in der U-Bahn auf dem Weg von einem
Job zum nächsten, in der Garderobe, während eins der
Kinder beim Tanzkurs war. Immer wenn Zeit war. Auch
wenn keine Zeit war, zwischendurch. Ich bin schon stolz
auf diesen zweiten Roman und auf die Buchpreis-Nominierung.
Aber viel stolzer bin ich eigentlich darauf, dass
ich es geschafft habe, nebenbei zwei Kinder großzuziehen
und zu ernähren und Geld zu verdienen in Jobs, die
zwar schlecht bezahlt sind, dafür aber einen Sinn haben,
den ich mit Stolz vertreten kann. Das ist für mich die
eigentliche Leistung daran.
Klar gab es auch ständig Verzweiflungsanfälle, in denen
ich mich bei der ganzen Welt beschwert habe, dass es
so auf keinen Fall weitergehen kann. Die Arbeit nie ablegen
zu können, belastet ja immer die Familie und die
Liebe. Inzwischen sind die Kinder so groß, dass ich regelmäßiger
schreiben kann.
Franziska Hausers
„Die Glasschwestern“
erscheint am 28. Februar im
Eichborn Verlag.
und alt, und es ist viel Geschichte drin. Allerdings habe
ich mich mit dieser Familiengeschichte auch selbst traumatisiert.
In „Die Gewitterschwimmerin“ kommt eigentlich
alles Schreckliche vor, was Menschen einander so
antun können. Das habe ich ja alles irgendwie durchlebt.
Ich dachte, ich wäre es los, wenn das Buch fertig ist.
Aber bisher liegt es mir immer noch wie ein Felsen auf
den Schultern und hat mich total empfindlich gemacht.
Ich könnte bei jedem Stolperstein auf dem Bürgersteig
losheulen. Davon gibt es ja in Prenzlauer Berg wirklich
eine Menge. Andererseits bin ich ja auch froh von diesem
spürbaren Geschichtenreichtum umgeben zu sein.
Du bist ein Ost-Kind, hast du auch ein
Ost-Thema?
Wenn ich ein bisschen älter wäre, hätte ich auch diese
maroden DDR-Schwarz-Weiß-Fotos machen können
von leeren Straßen, in denen ein Trabi steht, ein paar
Straßenkatzen auf kaputten Fenstersimsen sitzen und
Omas in Dederon-Kitteln Einkaufsnetze schleppen. Man
konnte ja sehr schöne Fotos machen in der DDR. Die
waren auch damals schon schön. Und nach der Wende
waren eben überall nur noch Autos und Werbeplakate,
und alles wurde so laut und
bunt und grell und einfach fotografisch
für mich nicht mehr interessant.
Was macht dann die Fotografin?
Was man nicht mehr fotografieren
kann, kann man immer noch beschreiben.
Ich hole alles schreibend zurück.
Dabei habe ich gelernt, dem Leser nicht
vor die Füße zu werfen, was ich selbst
interessant finde. Das funktioniert nicht.
Ich muss ihm zutrauen, es selbst rauszufinden.
Und das finden dann natürlich oft die Leute raus,
die aus dem Osten kommen, weil sie vielleicht dieselbe
Sehnsucht haben. Mit dem Fotografieren ist es genauso.
Der Betrachter muss selbst denken dürfen.
Der zweite Roman „Die Gewitterschwimmerin“
(Eichborn) war 2018 für den Deutschen Buchpreis
nominiert, und der erste Roman „Sommerdreieck“
(Rowohlt) hat den Debütantenpreis der
lit.COLOGNE 2015 gewonnen.
Viele deiner Texte spielen in der Vergangenheit …
Woraus soll man sonst schöpfen? Vielleicht sind meine
Texte auch wie meine Fotos. Da ist immer viel kaputt
Was kommt als Nächstes?
Mein Uropa hat immer gesagt, das Leben fängt erst an,
wenn der Hund tot ist und die Kinder aus dem Haus
sind. Ich merke schon, dass ich jetzt langsam mal versuchen
muss, eine andere Rolle zu finden und nicht mehr
immer diese Herbergsmutter bleiben kann mit einer
großen Wohnung, wo ständig Essen auf dem Herd steht
und Kinder und Freunde da sind. Das ist einfach mein
Lieblingszustand, aber der ergibt sich immer seltener.
Schließlich habe ich jetzt schon eine kleine Enkeltochter.
mein/4
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