mein/4 März 2020
mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020
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Bärbel‘s
ungebetener Ratschlag
Heute: Prokrastinieren
Eine Kolumne von Bärbel Stolz
Ich habe mit meiner Schwester in Ravensburg telefoniert.
Obwohl wir wirklich nur ganz kurz was besprechen
wollten, hat das Telefonat zwei Stunden gedauert.
Ich habe ihr vorgejammert, dass ich meine To-do-Liste
nicht ansatzweise abgearbeitet habe und einfach nicht
vorankomme. Und nicht mal wirklich sagen kann, was
ich stattdessen gemacht habe. Das hätte ich dann wenigstens
auf meine Done-Liste schreiben können. Allerdings
habe ich die noch nicht angelegt. Steht noch
auf meiner To-do-Liste.
Und du?
Hast du schon was geputzt, aufgeräumt, erledigt, organisiert?
Hast du eine To-do-Liste, bei der du gewissenhaft
Punkt für Punkt abarbeitest, oder folgst du einer
eingespielten Routine? Ich mache mir viele Listen. Auf
Zettel, in Hefte, im Kalender, im iPhone, als Sprachnachricht
… Eine Liste zu haben gibt mir das Gefühl,
meine Aufgaben im Griff zu haben. Trotzdem oder
vielleicht auch darum arbeite ich sie oft nicht ab. Ich
prokrastiniere. Prokrastinieren ist ein Wort, das ich als
Klugscheißerin eigentlich immer gerne mochte, das Pro
hat einfach etwas Positives, finde ich. Es kommt aus
dem Lateinischen und ist eine Zusammensetzung aus
pro = für und crastinum = morgen, bedeutet aufschieben
und meint das unnötige Verschieben von wichtigen
Aufgaben auf einen späteren Zeitpunkt. Im Internet
ist nachzulesen, dass ausdrücklich nicht das legitime
Aufschieben aufgrund äußerer Umstände gemeint sei,
sondern Bequemlichkeit oder der fehlende Überblick.
Das gibt mir zu denken. Denn ich neige zum Prokrastinieren
und habe mir immer eingeredet, dass es von
größter Wichtigkeit sei, mir dafür Zeit zu nehmen, um
die Kreativität in Gang zu setzen. Bei mir läuft das
meistens so, dass ich mich vor den Laptop setze, um
zu arbeiten. Und mir ist absolut bewusst, woran genau
ich arbeiten möchte bzw. sollte.
Und dann öffne ich ein neues, leeres Dokument, das
ich mit Texten füllen will. Mit schlauen, lustigen, anregenden
Texten, Texten voll Weisheit und Witz. Und
mein Hirn ist so leer wie das Blatt. Oder so voll, dass
ich nicht durchkomme durch alle Gedanken.
Dann denke ich: eine Runde Solitär und dann lege ich
los. Denkste, Puppe. Denn diese Spiele sind ja regelrechte
Prokrastinationsfallen. Wenn die Patience nicht
aufgeht, beginnt man sofort die nächste. Nur noch eine.
Wieder nicht. Jetzt die allerletzte. Und auf einmal sind
30 Minuten vergangen. Oder ich setze mich ans Klavier.
Jetzt ist keiner da außer mir – ich kann Memories
singen und mich stümperhaft dabei begleiten! Oh nein,
schon Mittag?
Kann man als Schwäbin unbeschwert prokrastinieren?
Das heißt in Süddeutschland doch: einfach faulenzen,
und das führt dazu, dass es „ohmeglich“ aussieht. Das
Bärbel Stolz
ist Schauspielerin und Autorin
Mit ihrer Figur „Die Prenzlschwäbin”
hat sie schwäbische,
deutsche und großstädtische
Eigenheiten aufs Korn genommen
und mit ihren YouTube-
Videos und Live-Auftritten
Menschen im ganzen Land begeistert.
Jetzt ist sie mit ihrem
neuen Programm „Toller Arsch“
auf Tour.
www.prenzlschwaebin.de
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