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mein/4 März 2020

mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020

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Kultur im Kiez

Kirche zum Heilsbronnen

hinter einer von Stih & Schnock

beschilderten Laterne

Denkmal von Gerson Fehrenbach

Denk-Stein-Mauer der

Löcknitz-Grundschule

Ausstellung im Rathaus Schöneberg

sein Geschäft verkaufen musste und vier

Jahre später nach Łódź deportiert wurde,

wo er kurze Zeit später starb. Die heutige

Besitzerin, Christiane Fritsch-Weith,

die die Geschichte des Buchladens in

dem Dokumentationsband Klein, aber

voller Köstlichkeiten (Transit 2015, 17,80

€) aufgearbeitet hat, organisiert seit der

Geschäftsübernahme vor 45 Jahren mit

großem Erfolg Lesungen und Vorträge.

Ist der Andrang zu groß, weicht man in

die nahegelegene Kirche zum Heilsbronnen

aus, die bis zu 350 Personen

Platz bietet. Hier wurde der Gemeindesaal

kürzlich zum sogenannten HÖR-

Saal umgestaltet, der als neuer Veranstaltungsort

im Kiez etabliert werden soll.

Konzerte, Theateraufführungen, Lesungen

und Vorträge sollen künftig das kulturelle

Programm bestimmen. Mit ihrem

68 Meter hohen Turm ist die 1912 eingeweihte

evangelische Kirche das zweithöchste

Gebäude des Viertels und das

einzige hier noch existierende historische

Gotteshaus. In den 1950er-Jahren wurden

die Ruinen zweier Synagogen abgetragen:

Das von Alexander Beer 1930

errichtete Gebäude in der Prinzregentenstraße,

das 2.300 Gläubigen Platz

bot, blieb der einzige Neubau einer Gemeindesynagoge

im Berlin der Weimarer

Republik. Es wurde während der Novemberpogrome

1938 niedergebrannt.

Diesem Schicksal entging die wesentlich

kleinere, von Max Fraenkel entworfene

und bereits 1910 eingeweihte Synagoge

in der Münchener Straße, da sie zu

nah an Wohnhäusern stand. Sie wurde,

wie ein Großteil des Bayerischen Viertels,

in der verheerenden Bombennacht

vom 22. auf den 23. November 1943

zerstört. Ein 1963 von Gerson Fehrenbach

gestaltetes Denkmal erinnert an

das Gotteshaus, auf dessen Grundstück

heute die Löcknitz-Grundschule steht.

Seit 1995 recherchieren die Schülerinnen

und Schüler der jeweils sechsten Klassen

Biografien ehemaliger jüdischer Nachbarinnen

und Nachbarn, von denen einst

16.000 im Bayerischen Viertel gelebt haben.

Mehr als 6.000 von ihnen wurden

1943 in Konzentrationslager deportiert,

viele gingen ins Exil oder wählten den

Freitod. Die Kinder beschriften in Gedenken

an sie Ziegelsteine mit Namen,

Geburtsdaten und Sterbeort, die einer

Denk-Stein-Mauer hinzugefügt werden

– ein jährlich wachsendes Denkmal

gegen das Vergessen.

Im Bayerischen Viertel findet man auch

zahlreiche von Gunter Demnigs Stolpersteinen,

die an das Schicksal von im Nationalsozialismus

verfolgten, vertriebenen

und ermordeten Menschen erinnern. Ein

weiteres dezentrales Mahnmal kann

man an 80 Straßenlaternen rund um den

Bayerischen Platz entdecken. Hier sind

in etwa drei Metern Höhe doppelseitig

gestaltete Schilder befestigt, auf deren

Textseite nationalsozialistische, antijüdische

Verordnungen und Gesetze den

schleichenden Prozess aufzeigen, der

schlussendlich zum Holocaust führte.

Die Rückseite der 1993 von Renata Stih

und Frieder Schock konzipierten Schilder

zieren assoziative Piktogramme, Bilder

und Symbole. Seit 2005 ergänzt die Ausstellungsinstallation

Wir waren Nachbarn

– Biografien jüdischer Zeitzeugen

die bereits genannten Projekte der Aufarbeitung

jüdischer Geschichte im Bezirk

Schönberg-Tempelhof: 172 biografische

Alben geben derzeit, gestützt auf

Interviews, Dokumente, Briefe und Fotos,

Auskunft über sehr unterschiedliche

Lebenswege bekannter und unbekannter

jüdischer Persönlichkeiten. Zu sehen

ist die Installation, die fortwährend weiterentwickelt

wird, in der großen Ausstellungshalle

des Schöneberger Rathauses,

das mit seinem markanten 70

Meter hohen Turm das höchste Gebäude

im Bayerischen Viertel darstellt. 1914

von dem Architektenduo Peter Jürgensen

und Jürgen Bachmann erbaut, war

es bis zur Gründung Groß-Berlins das

Rathaus der kreisfreien Stadt Schöneberg.

Von 1949 bis 1991 hatte der regierende

Bürgermeister Westberlins hier seinen

Amtssitz, in der Zeit der Berliner Teilung

war es auch Tagungsort des Berliner Abgeordnetenhauses.

Hier bekannte John

F. Kennedy am 26. Juni 1963: „Ich bin

ein Berliner!“, hier begannen am 2. Juni

1967 die Demonstrationen gegen den

Schahbesuch, hier läutet bereits seit dem

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