mein/4 März 2020
mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020
mein/4 Stadtmagazin, Ausgabe März 2020
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Rubrik
gerutscht und hat ihre innere Zerrissenheit
auch nach außen dargestellt. Wie ist deine Vision?
Wie möchtest du die SPD auf einen linken
Politikkurs bringen und das Profil der SPD
zurückgewinnen?
Kevin Kühnert: Ich würde sagen, die SPD rückt in letzter
Zeit wieder ein ganzes Stück nach links. Oder besser
gesagt: zu sich selbst. Wir haben uns Ende letzten Jahres
endlich von diesem ganzen Hartz-IV-Ballast verabschiedet.
Und das glücklicherweise nicht nur, wie vorher,
durch die Behauptung, wir hätten damit nichts mehr zu
tun. Nein, wir haben auch endlich ein neues Konzept
vorgelegt. Nicht nur, dass wir es nicht mehr „Hartz IV“
nennen, sondern wir möchten konkret verhindern, dass
Menschen arbeitslos werden oder den Anschluss verlieren.
Wir möchten es schaffen, dass auch über 50-Jährige
noch einmal umgeschult werden können und nicht in
„Wir wollen die Daseinsvorsorge
wieder stärker in die öffentliche
Hand zurückholen, …“
die Frühverrentung abgeschoben werden. Wir möchten
Kinder absichern, von denen immer noch zwei Millionen
in Deutschland unter der relativen Armutsgrenze leben.
Das ist ein sehr kompaktes Ding, das noch viel mehr beinhaltet
als das Genannte. Und es bedeutet einen ziemlichen
Bruch zu dem, wofür wir so gescholten worden ist.
Meine Vorstellung von einer Volkspartei SPD ist, dass
arbeitsteilig vorgegangen wird. Das gehört dazu. Es muss
natürlich einen eher konservativen und einen eher linken
Flügel geben. Es gibt Leute, die eher im sehr kosmopolitischen
Milieu unterwegs sind, und Menschen, die
ein bisschen stärker auf die Verteidigung der alten Welt
bestehen. So ist auch unsere Mitgliedschaft aufgebaut.
Aber es kann nur dann funktionieren, wenn immer klar
ist, wo das Zentrum dieser Partei ist. Was ist der Konsens
dieser Partei, hinter dem sich ohne Wenn und Aber
alle versammeln? Wir haben uns diesbezüglich gescheut,
Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel, wenn wir uns
vor einem Parteitag nicht einig waren, ob es eine Vermögenssteuer
geben soll. Dann haben wir darüber nicht
abgestimmt, sondern haben eine Kommission eingerichtet
und die hat dann nicht getagt, und am Ende war kein
Problem gelöst. Resultat: Der eine läuft rum und sagt:
„Die SPD ist für eine Vermögenssteuer.“ Ein anderer sagt:
„Die SPD ist gegen eine Vermögenssteuer, das wendet
sich gegen die Leistungsträger in einer Gesellschaft.“
Klare Kommunikation sieht anders aus. Wer soll sich
denn an so einer Partei orientieren? Und genau diese
Sachen ziehen wir im Moment gerade. Übrigens bei der
Frage nach der Vermögenssteuer für Multimillionäre
und Milliardäre, indem wir sie mit einem klaren Ja beantwortet
haben.
mein/4: Was sind die Grundwerte, hinter die
sich alle stellen können? Gibt es die in der SPD?
Kevin Kühnert: Beispielsweise ganz klar die Gleichstellung
zwischen den Geschlechtern, zwischen eingewanderten
Menschen und sogenannten Bio-Deutschen.
Gleiche Rechte, gleiche Chancen für alle. Zum Beispiel
im Bildungssystem durch Abschaffung von Gebühren
aller möglichen Art. Das ist auch die Rückdrängung von
Marktlogiken in sensiblen Bereichen des Zusammenlebens.
Wir haben abgeschafft, dass Angehörige mit
normalem Einkommen für ihre zu pflegenden Eltern
Zuzahlung leisten müssen, was vorher viele Familien
vor riesige Herausforderungen und nicht selten auch
Zerwürfnisse gestellt hat. Überhaupt: Wir wollen die
Daseinsvorsorge wieder stärker in die öffentliche Hand
zurückholen, die in letzter Zeit durch den Druck, Gewinne
machen zu müssen, Stück für Stück zur Ware
verkommen ist. Es ist aber genauso der Wert der Arbeit.
Wir sind eine Partei, die aus der Bewegung der Arbeiter
und Arbeiterinnen kommt. Die Arbeitsgesellschaft ist
heute eine andere, aber es ist umso wichtiger, sie nicht
sich selbst zu überlassen. Wir haben heute neuere Formen
der Arbeit, die wir noch schwer erfassen können.
Es gibt Leute, die sind nicht richtig angestellt, aber
auch nicht richtig selbstständig. Die arbeiten hier und
da als Freelancer großen Unternehmen zu, und auch
unser Arbeitsrecht erfasst diese Leute nicht richtig. Für
die wollen wir verlässliche Absicherungen und für alle
Beschäftigten einen Rechtsanspruch auf Weiterbildung
– auch berufsbegleitend.
18 mein/4