MYSTISCHES RAUNENPOPSeite aus: Ab sofort liefern wir folgende Artikel auf Teilzahlung – Eine Politpornografie, Klaus Bär, Berlin 1969 Gestaltung Ulf Miehe& POLIT Die34LyrikvonUlf Miehe
Mystisches Raunen und PolitpopDie Lyrik von Ulf MieheEin Essay des Autors und Lyrikers Lutz SteinbrückAls Literat machte sich Ulf Miehe vor allem mit Kriminalromanen einen Namen.Kaum rezipiert – und weitgehend unerforschtes Terrain – sind Miehes Gedichte.Als Teil seines Frühwerks entstehen die ersten 1958, als der 18-Jährige in Bielefeldeine Buchhändlerlehre beginnt. In seinem Wirken als Künstler, dessen Fokus ab1970 auf Filmen, Drehbüchern und Krimis liegt, bleibt die Lyrik eine an denZeitgeist der 1960er Jahre gebundene Etappe oder Zwischenstufe auf dem Wegzu anderen, ihm adäquater scheinenden Ausdrucksformen. Nichtsdestotrotzpunktet Ulf Miehes Lyrik nicht nur im Kontext ihrer Entstehungszeit mit einereindringlich-prägnanten Bildsprache, die über die Lektüre hinaus nachwirkt.In den 1960er Jahren sind ihm Gedichte probate Form, um sich literarisch zuäußern. 1962 erscheint ein erster schmaler, selbst publizierter 20-seitiger Lyrikbandim sogenannten „Sphinx Verlag“ (Bad Salzuflen) in sehr kleiner Auflage:Gedichte von Gertrud Höhler und Ulf Miehe. Beide steuern je sechs Texte bei.Gedruckt wird bei Miehes damaligem Arbeitgeber, dem Sigbert Mohn Verlag inGütersloh.Der Sound seiner Gedichte zeigt sich darin verklärt-subjektivistisch und bildsprachlichan Naturlyrik orientiert: „Sag mir, wenn die Spur des Wildes im Sommerverweht ist, / so daß ich, / wahrscheinlich im Herbst, die Verfolgung aufnehmenkann, ohne zu erröten“ (Auszug, Seite 16). Der Band ist nur antiquarischverfügbar und in der Nationalbibliothek nicht als offizielle Miehe-Publikationgelistet.Unveröffentlicht blieb seine 1966 finalisierte Gedichtsammlung In diesem lautenLande. Diese wurde Angelika Miehe zufolge von Freunden vorbestellt, abernie herausgebracht. Es soll Probedrucke gegeben haben.Das Licht der Öffentlichkeit erblickte hingegen sein 1969 veröffentlichtes BuchAb sofort liefern wir folgende Artikel auf Teilzahlung – Eine Politpornografie(Klaus Bär Verlag, Berlin). Ein wilder, vom 68er-Zeitgeist inspirierter Mixmit Collagen aus Zeitungsartikeln, Comicszenen, autobiografischen Prosa-Fragmentensowie eigenen Gedichten, Selbstporträts, Kleinanzeigen, jeder Mengenackter Brüste und Popstar-Fotos. Zitate von Kurt Georg Kiesinger und HeinrichHimmler sind neben Songtext-Auszügen und Porträtfotos von Bob Dylanmontiert. Den verehrte Miehe so sehr, dass er ihm später sein Buch Ich hab nocheinen Toten in Berlin widmete und seinem Idol eine US-Ausgabe persönlichüberreichte.Im Buch huldigt Ulf Miehe dem US-amerikanischen Songwriter und späteremLiteratur-Nobelpreisträger auch in einem titellosen Gedicht von 1969. Auf Seite60 heißt es: „Also: / Gedichte kann man nicht mehr machen. / Schön. / Gedichtemüssen nicht sein. / Also: / Romane kann man nicht mehr machen. / Gut. /Romane müssen nicht sein. / Viel wichtiger ist: / Der Beschiß der CBS / Dieeine neue Dylan-Platte verkauft / Auf der Dylan gar nicht singt / Verdammtnochmal!/Oder Michael Koser hat recht und / Dylan ist tot und / Sie habeneinen Doppelgänger eingesetzt / Oder / Er ist es doch dann / Ist er allerdings einStimmchamäleon. / Lay Lady Lay / Ist trotzdem ein schönes Lied. / Nurzum Zuhören. / Um eine Platte aufzulegen. / Zuhören. / Einfach so. / Jetztglaub ich doch / Er ist es.“Dylans Songs wird eine kulturelle Bedeutung zugewiesen, die diejenige vonGedichten und Romanen generell weit übertrifft. Mit diesem Befund formuliertUlf Miehe eine klare Absage an die etablierte, bildungsbürgerlichakzeptierte und definierte schriftsprachliche literarische Hochkultur mitihrem Überlegenheitsgestus gegenüber der Pop-Musik-Kultur. Es ist dieIronie der weiteren Geschichte, dass Dylan 2016 der Literatur-Nobelpreiszuerkannt wurde, was wiederum in heutigen Literaturzirkeln breit undkontrovers diskutiert worden ist in Hinblick auf die Wertigkeit literarischerTexte und Kriterien für deren Qualität.Vor allem aber ist Miehes Band die ungeschönte Bestandsaufnahmeeiner Gegenwart, deren Widersprüche und parallel behaupteten, einanderab- und ausgrenzenden Lebenswelten und Geisteshaltungen der 27-Jährigedeutlich wahrnimmt und in Bildern und Aussagen zum Ausdruck bringt.Dabei bezieht er auch selbst Position. In den Collagen kontrastiert Mieheeine allgegenwärtige kommerzialisierte, sexualisierte Konsum-, Werbe- undWarenwelt mit tradierten Moral- und Ehrbegriffen und rassistischen Ansichtender Vätergeneration. In der persönlichen, politischen und künstlerischenAuseinandersetzung mit der bis dahin weitgehend tabuisiertenNS-Vergangenheit der Väter zeigt sich Miehe als typischer Vertreter seinerGeneration.Das Gegenprogramm zu den als spießig-verklemmt und konformistischempfundenen Lebensentwürfen der vorbelasteten Elterngeneration setztauf politischen und kulturellen Aufbruch. Dazu gehört in Miehes Politpornografieein klares Bekenntnis zu politischen Veränderungen am System bishin zum Aufruf zur gewaltsamen Revolte: „[…] man muß zu ‚unerlaubten‘Mitteln greifen, wenn man etwas erreichen will“ (S. 67). Getreu dem Sponti-Spruch„Das Private ist politisch“, flankiert Miehe literarische Beschreibungendes Alltäglichen mit radikalen politischen Statements. Danebenfinden sich zahlreiche popkulturelle Referenzen einer neuen, subversivenGegenkultur: Musik, Literatur und Filme aus dem angloamerikanischenRaum geben dem jugendlichen Unmut Sounds und eine Sprache zur Hand,die das Lebensgefühl vieler unter Dreißigjähriger trifft – mit dem Versprechenvon Freiheit und Abenteuer, inklusive Drogenrausch, freier Liebe undneuen Formen des Zusammenlebens.Ulf Miehe hat 13 seiner Gedichte in die Politpornografie eingebettet.Einige beschränken sich auf wenige Verse, die notizhaft in knapper sprachlicherEindeutigkeit alltägliche Situationen aufgreifen und diese reflexivund pointiert verdichten. Etwa in diesem titellosen Kurzgedicht: „VomFenster aus gesehen / ist der Schnee blau draußen. / Ich weiß, daß er weißist. / Kein Grund rauszugehen“ (S. 45; entstanden 1969). Oder aus demgleichen Jahr, dialogisch im Frage-Modus: „Was ist denn / der tiefere Sinndahinter? / Ich meine: Was soll das? / Was soll was?“ (S. 83)Da er von 1965 bis 1969 in West-Berlin lebte und wirkte, befand sich Miehenicht nur politisch am Puls der studentenbewegten Zeit, sondern entdeckteauch das Großstadtkneipenleben als Sujet für seine Literatur. ImGedicht Torpedo Definitiv Nr. 306 675 (S.16/17; entstanden 1968), dasebenfalls 1969 in einer Beat- und Pop-Anthologie junger deutschsprachigerAutoren namens Supergarde erschien, reihen sich einzelne Beobachtungen35
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