Ulf Miehe - Facetten eines Autors
Ulf Miehe – Facetten eines Autors ist der Versuch einer Biografie in Selbstzeugnissen und Dokumenten, die einen Überblick zu Leben, Persönlichkeit und Werk des Schriftstellers, Filmautors und Regisseurs Ulf Miehe (1940 Wusterhausen|Dosse – 1989 München) geben. Zitate verbinden sich mit Aussagen von Zeitzeugen, Interviews, Essays von renommierten heutigen Autoren und Bildzeugnissen. So entsteht ein facettiertes Bild von Ulf Miehes Denken und Schreiben. Durch das hier zusammengetragene Material eines kreativen Lebens voller Wendepunkte werden auch die gesellschaftlichen Spannungen thematisiert, aus denen ein knappes Werk seine große Lebendigkeit schöpft. Herausgegeben von Horst Kløver, Angelika Miehe und dem Wegemuseum Wusterhausen|Dosse.
Ulf Miehe – Facetten eines Autors ist der Versuch einer Biografie in Selbstzeugnissen und Dokumenten, die einen Überblick zu Leben, Persönlichkeit und Werk des Schriftstellers, Filmautors und Regisseurs Ulf Miehe (1940 Wusterhausen|Dosse – 1989 München) geben. Zitate verbinden sich mit Aussagen von Zeitzeugen, Interviews, Essays von renommierten heutigen Autoren und Bildzeugnissen. So entsteht ein facettiertes Bild von Ulf Miehes Denken und Schreiben.
Durch das hier zusammengetragene Material eines kreativen Lebens voller Wendepunkte werden auch die gesellschaftlichen Spannungen thematisiert, aus denen ein knappes Werk seine große Lebendigkeit schöpft.
Herausgegeben von Horst Kløver, Angelika Miehe und dem Wegemuseum Wusterhausen|Dosse.
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Originalentwurf Buchumschlag, von Anne Heseler
Flugplatz gingen, wollte sie einholen, nicht zurückbleiben,
die Flugzeuge sehen, wollte mit einsteigen,
in der Führerkanzel sitzen, mit bunten Kabeln
spielen, sie herausreißen, auf den Tragflächen,
den silbern glänzenden Flügeln, herumlaufen, darauf
herumtanzen wie die andern, auf dem Blech,
das heiß geworden war in der Sonne. Er humpelte,
obwohl sein Fuß nicht verletzt war. Er sah die
Mutter, die ihm entgegenging. Nanu, da ist doch
was, was hat er denn — wie kann man hier leben,
nicht mal ein richtiges Klo, keine Betten, und diese
ewigen Wolldecken, nicht mal richtig lüften kann
man die, dieses ewige Dämmerlicht in der Bude,
wann kommen wir endlich hier weg —, was hat er
denn bloß. Der Gestank stieg in Schwaden auf von
seinem Fuß, er hatte ihn gar nicht gesehen, diesen
Haufen im Gras, war hineingetreten, hatte ihn
wirklich nicht gesehen. Die Mutter läuft ihm entgegen,
er schreit, zeigt auf seinen Fuß, die Mutter
lacht, er schnüffelt, heult, brüllt, andere sehen zu,
die Mutter wird ärgerlich, mach nicht son Krach,
ist doch nichts passiert, das bißchen Dreck, aber er
schreit, brüllt, quiekt und spürt es schon, tief in der
Kehle bewegt es sich, steigt herauf, ein dicker Kloß,
diese dumpfen, stickigen Nächte, der ungelüftete
Raum, Menschen, schlafend, atmend, stöhnend, er
liegt wach, hört Geräusche, unterdrückte Schreie,
sein Atem geht rasselnd, sein Gesicht ist verzerrt,
die Mutter ist hilflos, legt ihn aufs Bett, seine
Augen sind starr, die Lider zucken, seine Schreie
sind lautlos, er kann nicht mehr atmen, versackt in
Schwärze.
nervös am Fenster, schob mit der linken Hand die Gardine beiseite
und sah hinaus. Der Alte war eingetreten und hatte die Tür hinter
sich offen gelassen. Nein, August, das kannst du nicht machen,
sagte der Bürgermeister, das geht doch vorüber, alles wird besser,
ich kann nichts für dich tun, wenn das hier vorbei ist. Der Alte
wußte noch nicht, daß er sagen würde: geh weg da, Hans, der Lappen
muß weg, der rote. August, sei doch vernünftig. Gehst du, oder
gehst du nicht, Hans. Ich gehe nicht, ich kann nicht gehen, ich bin
der Repräsentant. Du bist ein Arschloch, Hans. Und er wußte auch
nicht, daß er ihn packen würde, den Bürgermeister, Repräsentanten,
Hans, den Mann vom Stammtisch — vom Stammtisch mit
dem alten Schiepke, dem Friseur mit der Glatze und den Segelohren,
Jrang! schrie der alte Schiepke und knallte die Karte auf den
Tisch, langte nach der Kornflasche, Jrang! Aujust, wat sachste nu!
— Nein, August, du kannst dich nicht auch gegen mich stellen,
nach all den Jahren, denk doch mal zurück, wir haben uns doch
immer verstanden, denk an das neue Bootshaus, ich habs euch gebaut.
— Bootshaus? Und Goldstein? Wo ist Goldstein, Hans? —
Das war ein strahlender Sommertag gewesen, da waren sie mit ihm
die Straße entlang gekommen, er saß auf einem Leiterwagen, die
V
Mittelpunkt von W ist das Rathaus, davor lag der
Marktplatz, eine sich verbreiternde Straße aus
Kopfsteinpflaster. Wenn der Alte dort vorbei ging,
überlegte er: wieviel verschiedene Fahnen haben da
schon aus dem Fenster gehangen, eine, zwei, drei
hatte er schon erlebt und war nicht einverstanden
damit und wußte noch nicht, daß er, Jahre später
— alle Einwohner waren auf der Straße an diesem
Sommertag —, daß er vor den Leuten hergehen
würde zum Rathaus, zum Bürgermeister. Damit
hatte er nicht gerechnet. Der Bürgermeister stand
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