COVERSTORY MARCEL SABITZER „Ich muss die Gruppe mitreißen!“ GEPA-PICTURES.COM Im Nationalteam hat sich Marcel Sabitzer zu einem Antreiber und Leadertyp entwickelt, der sich für das Wohl der Mannschaft einsetzt. ÖFB CORNER: Beam dich gedanklich mal zurück in das Flugzeug, als ihr 2016 von der EURO nach Hause gereist seid. Welcher Gedanke überwog: Geil, dass ich mit 22 Jahren bei der EURO dabei war, oder Shit, wir sind viel zu früh ausgeschieden? MARCEL SABITZER: Im Flieger herrschte pure Ernüchterung. Die Stimmung war kaputt, alle waren enttäuscht und dachten darüber nach, wie das passieren konnte. Ich auch. Ich habe ja relativ viel gespielt, deswegen war mir bewusst, dass das Ausscheiden zum Teil auch an mir lag. Danach wollte ich nur noch flüchten, zu Hause hätte ich es nicht ausgehalten. Wohin? In die USA. Dort habe ich mich mit ein paar Kollegen getroffen, David (Alaba) und Kevin (Wimmer). Wir haben viel geredet, so etwas geht nicht spurlos an einem vorbei. So weit kann man gar nicht wegfliegen, als dass es einen nicht verfolgt. Deine Situation in Leipzig, wohin du ein Jahr zuvor gewechselt warst, war dagegen erfreulich, ihr seid in die Bundesliga aufgestiegen. Eine aufwühlende Melange … Echt schwierig, ich kann mich gut erinnern. Ich kam mit einem sehr guten Gefühl zur Nationalmannschaft, hatte eine riesige Vorfreude. Und dann scheidest du sang- und klanglos aus. Ein Sommer mit gemischten Gefühlen. Hätte dir damals jemand prophezeit, wie die nächsten fünf Jahre verlaufen würden: CL-Halbfinale, Titelkämpfe, zwei DFB- Pokal-Finalspiele … … hätte ich unterschrieben, keine Frage. Es ging schon verdammt steil nach oben, vor allem auf Klubebene. Wie ich mich als Mensch und Fußballer entwickelt habe, macht mich schon zufrieden. Vor allem aber bin ich dankbar, dass ich verletzungsfrei geblieben bin. Das ist das Kapital eines Fußballers, damit du dich entwickeln kannst. Schaut man sich die Noten des deutschen Fachmagazins „kicker“ an, sieht es so aus, als wärst du von Jahr zu Jahr besser geworden. Ich habe mir Noten nie wirklich zu Herzen genommen, das sind Einzelmeinungen von Journalisten (grinst). Und manchmal ärgert es mich auch, weil sich viele Leute von den Noten leiten lassen. Ich fühle mich gut, habe speziell in den letzten beiden Jahren Schritte nach vorn gemacht. Wenn sich das in den Noten widerspiegelt, ist das ein angenehmer Nebeneffekt. Ich versuche immer, mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen und die Aufgaben des Trainers zu erfüllen. Sehen wir derzeit den besten Marcel Sabitzer, den es je gab? Die Frage bekomme ich öfter gestellt, kann sie aber nie richtig beantworten. Ich fühle mich wohl, habe Spaß, will weiter befreit spielen, ohne groß nachzudenken. Ende April gab es in Leipzig einige Turbulenzen rund um den Trainerwechsel von Julian Nagelsmann und Jesse Marsch. Wie hast du diese Tage erlebt? Es war wirklich einiges los. Gerade als Kapitän bekommst du ja manche Sachen mehr mit, es gab Sitzungen und Gespräche. Es 10 CORNER <strong>02</strong>/21
Die Entwicklung von Leipzig-Legionär Marcel Sabitzer seit der EURO 2016 ist phänomenal. Aus einem Zweitligakicker wurde der Kapitän einer Mannschaft, die im CL-Halbfinale stand und um Titel spielt. Das sollen Österreichs Gegner bei der EURO zu spüren bekommen. INTERVIEW MARKUS GEISLER ÖFB/CHRISTOPHER KELEMEN CORNER <strong>02</strong>/21 11