OEFB Corner 02/2021
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KULTDUELL<br />
TEXT HANS HUBER<br />
Ein Stück Wembley-Rasen<br />
als Souvenir<br />
Spiele gegen England haben stets ein ganz<br />
besonderes Flair. Eines wurde gar zu einer<br />
Sternstunde des österreichischen Fußballs.<br />
Die Bilanz vor dem Testländerspiel gegen<br />
England am 2. Juni in Middlesbrough<br />
ist deutlich (4 Siege, 4 Unentschieden,<br />
10 Niederlagen) und doch<br />
gab es auch berauschende Fußballfeste<br />
gegen das „Mutterland des Fußballs“.<br />
Dazu zählt sogar eine Niederlage: das 3:4<br />
des Wunderteams (1932), das von der internationalen<br />
Presse wie ein Sieg gefeiert wurde.<br />
Ein tolles 4:3 in Wien (1979) zählt ebenso<br />
dazu wie zwei 2:2-Unentschieden (WM<br />
1958, WM-Qualifikation 2004).<br />
Ein Sieg gilt allerdings als Sternstunde<br />
des österreichischen Fußballs. Am 20. Oktober<br />
1965 spielte eine im Umbruch befindliche<br />
österreichische Mannschaft in Wembley<br />
gegen die als hoher Favorit gehandelten<br />
englischen Stars, die ein Jahr später auch<br />
den WM-Titel im eigenen Land feierten, und<br />
siegte mit 3:2. Als eines von ganz wenigen<br />
Teams – nach der Premiere durch Ungarn<br />
1953 – mit einem Erfolg über die Three Lions<br />
auf englischem Boden.<br />
Mit dabei in seinem ersten Länderspiel<br />
war damals ein gewisser Robert Sara, gerade<br />
19 Jahre jung, bei der Austria erst seit<br />
Kurzem von Ernst Ocwirk in der ersten<br />
Mannschaft eingesetzt. Ihm eröffnete Teamchef<br />
Edi Frühwirth mit der Einberufung ins<br />
Nationalteam eine neue Welt. „Ich hatte vor<br />
einem Jahr noch bei Donau in der Unterklasse<br />
auf einem Platz mit wenig Gras gekickt<br />
und stand plötzlich auf dem heiligen Rasen<br />
vom Wembley“, erinnert sich Sara. Zeit, das<br />
Stadion zu bewundern, blieb allerdings nicht,<br />
denn die Engländer stürmten und drängten<br />
und erzielten durch Bobby Charlton schnell<br />
den Führungstreffer. Die Österreicher glichen<br />
durch Rudi Flögel aus, ehe Connelly die abermalige<br />
englische Führung gelang.<br />
Im Finish aber kam die große Zeit des<br />
Toni Fritsch: Ausgleich, Siegestor! Der Treffer<br />
zum 3:2 hatte eine kuriose Vorgeschichte:<br />
Fritsch erkämpft den Ball und schreit zu seinem<br />
Mitspieler Franz Hasil. „Has’, was soll i<br />
machen?“ Der brüllte: „Schieß!“, in der Hoffnung,<br />
dass ein Schuss über das Tor den Österreichern<br />
ein wenig Luft verschaffen könnte.<br />
Doch der Ball landete im Kreuzeck und die<br />
Österreicher konnten die letzten zehn Minuten<br />
über die Distanz retten. Nach Schlusspfiff<br />
entdeckte Robert Sara einen herausgerissenen<br />
Rasenziegel. Flugs packte er ihn in sein<br />
Trikot, brachte ihn in die Kabine und später<br />
nach Wien. Dort wurde er eingesetzt und<br />
lange Zeit von seiner Mutter gepflegt. Ein<br />
Stück Wembley-Rasen als Souvenir …<br />
Nach diesem unerwarteten Erfolg setzte<br />
es für Sara gleich die nächste Überraschung:<br />
Präsident Josef Walch versprach für diese<br />
Sensation eine Prämie, die von den Spielern<br />
im ÖFB – damals noch auf der Mariahilfer<br />
Straße – abzuholen war. Sara erhielt ein Kuvert<br />
und steckte dieses neben den anderen Spielern<br />
ein. Im Lift nach dem Empfang schaute<br />
er neben den damaligen Starspielern wie<br />
Hans Buzek in das Kuvert und hielt vor Schreck<br />
die Luft an: „Das war mehr Geld, als mein<br />
Vater im Monat als Straßenbahnfahrer verdient<br />
hat!“ Und seine Mutter, bei der er das<br />
Geld ablieferte, war misstrauisch ob dieser<br />
Summe und wollte gleich wissen, ob alles<br />
mit rechten Dingen zugegangen wäre. Eine<br />
sensationelle Prämie für die Sensation.<br />
VOTAVA / IMAGNO / PICTUREDESK.COM<br />
20. Oktober 1965:<br />
Toni Fritsch gelingt mit<br />
einem spektakulären<br />
Kunstschuss das Tor<br />
zum sensationellen<br />
3:2-Sieg über den<br />
späteren Weltmeister<br />
England.<br />
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CORNER <strong>02</strong>/21