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Credit Suisse bulletin, 2003/06
Credit Suisse bulletin, 2003/06
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«Humor ist eine gesunde,<br />
stärkende Nahrung für die Seele.»<br />
Dimitri, Clown und Theatermann<br />
gerne zum Lachen, habe dabei aber nicht wie Horaz moralische<br />
oder gar missionarische Absichten. Ich will ein guter Künstler sein<br />
und die Leute gut unterhalten.<br />
Worüber können Sie lachen? Ich bin ein sehr guter Lacher! Wenn<br />
ein guter Clown auftritt, dann kann ich ganz herzhaft lachen. Einer<br />
meiner Lieblingsfilme ist über den Clown Grock, da muss ich heute<br />
noch lachen. Es gibt grossartige Filme von Charlie Chaplin, Buster<br />
Keaton, Harry Langdon und den Marx Brothers, die mich sehr zum<br />
Lachen bringen. Mich bringt aber auch ein kleines Kätzchen, das mit<br />
einem Wollknäuel spielt oder aus lauter Übermut und Spielfreude<br />
einen Vorhang hinaufklettert, herzhaft zum Lachen.<br />
Und wann vergeht Ihnen das Lachen? Bei all den tragischen Dingen,<br />
die heute auf der ganzen Welt passieren. Vor allem, wenn Kinder<br />
leiden, keine Familie mehr haben, vom Krieg traumatisiert sind. Da<br />
vergeht mir das Lachen gründlich.<br />
In Ihrer Autobiografie stellen Sie sich die Frage, ob Sie es überhaupt<br />
noch vertreten können, ein «liebevoller, unpolitischer Clown» zu sein …<br />
Das ist eine Frage, die man sich als Clown oft stellt. Manchmal<br />
bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen, dass ich den Clown<br />
spielen darf und mich so über die ganzen Tragödien der Welt<br />
hinwegsetzen kann. Dann muss ich mir selber einreden, dass Humor<br />
wichtig ist. Nein, der Mensch braucht das Lachen, er muss etwas<br />
Optimistisches, Positives haben, woran er sich halten kann. Humor<br />
ist eine gesunde, stärkende Nahrung für die Seele. Das bestärkt<br />
mich darin, mit diesem Beruf weiterzumachen. Ich kann entsetzt sein<br />
und traurig darüber, was in der Welt passiert, aber es ist kein Grund,<br />
nicht mehr aufzutreten. Oder mich plötzlich der Politik zu widmen.<br />
Als Künstler werde ich immer wieder angefragt, ob ich mich für<br />
ein bestimmtes Projekt einsetze oder mit meinem Namen dafür<br />
einstehe. Das tue ich gern und ich engagiere mich immer wieder für<br />
Flüchtlinge. Als Künstler wird man immer mit Politik konfrontiert.<br />
Aber selber in die Politik gehen würde ich nie, dazu wäre ich auch<br />
gar nicht fähig. Ich möchte meine Kunst nicht mit Politik vermischen.<br />
Politik frisst einen. Ich möchte frei bleiben.<br />
Sie sind 68, der Grandseigneur der Schweizer Kleinkunstszene. Mehr<br />
als Sie kann man auf diesem Gebiet wohl kaum erreichen. Ihr Beruf ist<br />
körperlich und mental sehr anspruchsvoll. Wieso leisten Sie sich nicht<br />
den <strong>Luxus</strong>, sich von der Bühne zurückzuziehen? Meine Arbeit macht<br />
mir grosse Freude. So lange ich körperlich und geistig dazu fähig<br />
bin, gibt es keinen Grund aufzuhören. Ich nehme es schon gemütlicher<br />
als früher, toure nicht mehr monatelang durch Amerika oder<br />
Japan. Heute gebe ich längere Gastspiele, bin vier bis fünf Wochen<br />
in der gleichen Stadt. Zusätzlich spiele ich noch rund 50 Mal pro Jahr<br />
in meinem eigenen Theater in Verscio. Das Tourneeleben, jeden Tag<br />
eine andere Stadt, ein anderes Hotel, ermüdet. Aber die reine Arbeit,<br />
das Auftreten und Spielen, macht mir immer noch unheimlich viel<br />
Spass. Ich sehe, dass ich anderen Menschen Freude geben kann,<br />
das treibt mich an; das Bedürfnis zurückzulehnen kommt gar nie auf.<br />
Das innere Feuer kennt kein Pensionsalter.<br />
3 www.teatrodimitri.ch<br />
Dimitri – Der Clown in mir<br />
Mitte Oktober 20<strong>03</strong> ist Dimitris Autobiografie – geschrieben «mit<br />
fremder Feder» von Hanspeter Gschwend – im Benteli Verlag<br />
erschienen. Dimitri lässt darin sein Leben Revue passieren<br />
und gewährt tiefe, reich bebilderte Einblicke in sein Schaffen.<br />
«Warum überhaupt eine Autobiografie?», fragt sich der Clown im<br />
Vorwort. Es seien seine Kinder und Freunde, die ihn dazu ermuntert<br />
hätten. Das Buch ist auf der Basis von stundenlangen<br />
Gesprächen entstanden. Sein Biograf habe ihn<br />
immer wieder angerufen, um Details zu klären,<br />
schreibt er weiter. Das sei Beweis genug, dass<br />
es besser sei, eine Biografie zu Lebzeiten<br />
zu schreiben. «Denn wer kennt schon meine<br />
Telefonnummer, wenn ich nicht mehr da bin?»<br />
Auf www.credit-suisse.com/emagazine/wettbewerbe<br />
werden zehn Dimitri-Bücher verlost.<br />
Fotos: Pia Zanetti, Alan Meier/Helvetas<br />
24 Credit Suisse Bulletin 6-<strong>03</strong>