10.09.2021 Aufrufe

bull_03_06_Luxus

Credit Suisse bulletin, 2003/06

Credit Suisse bulletin, 2003/06

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

AKTUELL<br />

Entwicklung zwar etwas dämpfen, aber<br />

die Kosten werden weiter steigen und weit<br />

über der allgemeinen Teuerung liegen.<br />

Was heisst das konkret in Zahlen? Realistisch<br />

ist wohl ein Wert zwischen drei und<br />

fünf Prozent. Weniger ist kaum drin. Es<br />

sei denn, neue, teure Behandlungsmethoden<br />

werden von den Kassen nicht mehr vollumfänglich<br />

abgedeckt. Aber für diese Massnahme<br />

wird es kaum eine Mehrheit geben.<br />

Kommen wir auf die Arbeitslosigkeit, der<br />

Schweizerinnen und Schweizer grösste<br />

Sorge, zu sprechen. Vergleicht man die drei<br />

bis vier Prozent der Schweiz mit den Arbeitslosenzahlen<br />

im restlichen Europa, so geht<br />

es uns doch eigentlich immer noch sehr gut.<br />

In diesem Fall ist nicht die statistische<br />

Realität ausschlaggebend. Arbeitslosigkeit<br />

kann jeden treffen. Hier kommt das<br />

subjektive Empfinden jedes Einzelnen zum<br />

Tragen, der sich ständig fragt: Und wie<br />

sicher ist mein Arbeitsplatz?<br />

Die AHV- und Vorsorgeproblematik wurde<br />

noch nie von so vielen Befragten als wichtigste<br />

Sorge angegeben wie in diesem Jahr. Ist<br />

diese Angst für Sie berechtigt? Wir haben bei<br />

der AHV ein Niveau erreicht, das wir halten<br />

müssen. Dort, wo Bedürfnisse vorhanden<br />

sind, muss diesen über Ergänzungsleistungen<br />

Rechnung getragen werden. Eine generelle<br />

Erhöhung des AHV-Niveaus halte<br />

ich aber für unmöglich. Unser Ziel muss<br />

sein, wenigstens dieses zu halten.<br />

Andererseits kann heute kaum mehr jemand<br />

selbst mit den Maximalleistungen der AHV<br />

leben. Wird somit die Vorsorge immer mehr<br />

zur Privatsache? Die private Vorsorge wird<br />

in Zukunft ein stärkeres Gewicht bekommen.<br />

Das ist eine der Erkenntnisse der<br />

jüngsten Diskussionen. Und wir Politiker<br />

müssen die Menschen darauf vorbereiten.<br />

Bei der Frage nach der Einschätzung<br />

der persönlichen wirtschaftlichen Situation<br />

gehen mittlerweile schon 58 Prozent der<br />

Befragten von einem unveränderten Status<br />

während der nächsten Monate aus. Verlieren<br />

die Schweizer ihren Wachstumsglauben,<br />

ihren Optimismus? Dieses Resultat ist auch<br />

Ausdruck davon, dass wir in der Schweiz<br />

einen hohen Standard erreicht haben. Viele<br />

Leute haben erkannt, dass sie schon froh<br />

sein müssen, wenn sie diesen Standard<br />

halten können. Für mich ist dies trotz allem<br />

ein Ausdruck der Hoffnung, dass es mindestens<br />

gleich bleibt.<br />

Das Sorgenbarometer der Credit Suisse<br />

1976 führte das Bulletin der Credit Suisse erstmals eine repräsentative Meinungsumfrage<br />

durch, welche die Befindlichkeit der Schweizer Bevölkerung wiedergab.<br />

Für die wissenschaftliche Umsetzung wurde die Firma Isopublic beauftragt.<br />

Schon damals war die Arbeitslosigkeit mit 75 Prozent die meistgenannte<br />

Sorge, gefolgt vom Umweltschutz und der Altersvorsorge. Seither liess das<br />

Bulletin jedes Jahr eine vergleichbare Befragung der Schweizer Bevölkerung<br />

durchführen, wobei die Fragen teilweise variierten. Das änderte sich 1995, als<br />

das Bulletin neu das GFS-Forschungsinstitut in Bern für die wissenschaftliche<br />

Durchführung des Sorgenbarometers beauftragte. Seither erfolgt die Befragung<br />

nach einem standardisierten Raster, womit die Vergleichbarkeit der erhobenen<br />

Daten über die Jahre gewährleistet ist. Das macht das Sorgenbarometer der<br />

Credit Suisse als alljährlich wiederkehrende Momentaufnahme der Schweizer<br />

Befindlichkeit einzigartig.<br />

Die Resultate des Sorgenbarometers widerspiegeln<br />

seit Jahren ein schwindendes<br />

Vertrauen in die Politiker. Beunruhigt Sie<br />

das nicht? Dass der Ständerat mit lediglich<br />

29 Prozent Vertrauensvoten sogar noch<br />

schlechter abschliesst als der Nationalrat,<br />

hätte ich nie geglaubt. Dafür habe ich<br />

keine Erklärung. Eigentlich war ich immer<br />

der Ansicht, dass wir im Ständerat seriöse<br />

Arbeit leisten. Aber im Volk wird das offenbar<br />

anders wahrgenommen. Auch dass<br />

beide Kammern deutlich weniger Vertrauen<br />

geniessen als der Bundesrat, überrascht<br />

mich. Natürlich vermittelt das Parlament<br />

nach aussen einen viel heterogeneren<br />

Eindruck. Dann gab es in der letzten Zeit<br />

auch ein paar unschöne Skandale, die<br />

dem Vertrauen in die Politiker sicher nicht<br />

zuträglich waren.<br />

Aber dieser Trend hält schon seit Jahren<br />

ununterbrochen an. Wir können es nicht<br />

verleugnen, dass wir in der Schweiz in einer<br />

Phase der nationalen Depression sind.<br />

Unser Ziel als Politiker muss sein, diese Stimmung<br />

zu drehen. Die Leute müssen<br />

wieder an eine Zukunft glauben können.<br />

Wie sehen Sie Ihrem Amtsjahr als Ständeratspräsident<br />

entgegen? Wird Ihre Aufgabe<br />

durch die Verschiebungen der Wahlen schwieriger?<br />

Ich gehe einmal davon aus, dass die<br />

geschriebenen und vor allem die ungeschriebenen<br />

Verhaltensregeln im Ständerat weiterhin<br />

beibehalten werden.<br />

Welche ist für Sie die wichtigste? Dass man<br />

nicht auf einer persönlichen, sondern<br />

auf einer sachspezifischen Ebene hart, aber<br />

fair diskutiert und von gegenseitiger Achtung<br />

geprägt ist.<br />

Und das ist im Nationalrat nicht so? Sitzungen<br />

des Ständerats sind ganz klar weniger<br />

spektakulär. Persönliche Schlagabtausche<br />

wie im Nationalrat sind bei uns verpönt.<br />

Bei uns gilt: in der Sache hart, im Ton<br />

moderat und kollegial. Man kann auch so<br />

klare Positionen vertreten.<br />

Verkehren Sie im Ständerat per Du miteinander?<br />

Das ist bei uns so üblich. Bei nur<br />

46 Mitgliedern kennt man noch alle persönlich.<br />

Ich gehe davon aus, dass dieses kollegiale<br />

Verhältnis auch mit den neuen Mitgliedern<br />

bleiben wird. Wenn nicht, dann wird<br />

es schwieriger, diesen Rat zu präsidieren.<br />

Was sind für Sie die drei wichtigsten<br />

Themen im nächsten Jahr? Allen voran die<br />

Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftswachstum.<br />

Da gehört ein ganzer Kranz von<br />

Themen dazu, nicht zuletzt auch die Gesundung<br />

der Bundesfinanzen. Einen zweiten<br />

Schwerpunkt sehe ich im Sozialversicherungsbereich<br />

inklusive Krankenversicherung.<br />

Den dritten Bereich möchte ich mit dem<br />

Oberbegriff Sicherheit zusammenfassen.<br />

Da gehört für mich die Asyl- und Ausländerpolitik<br />

dazu, aber auch das Verhältnis der<br />

Schweiz zu Europa. Wir können uns vor<br />

diesem Thema nicht verschliessen, selbst<br />

wenn die bilateralen Verhandlungen einmal<br />

abgeschlossen sein werden.<br />

Wenn Sie einen Wunsch offen hätten, der<br />

Ihnen 2004 erfüllt wird, was würden Sie sich<br />

wünschen? Auf politischer Ebene wünschte<br />

ich mir, dass ich einen Geistesblitz durchs<br />

ganze Land schicken könnte, auf dass sich<br />

eine positive Grundstimmung breit mache.<br />

Die Schweizer sollten wieder an ihre Zukunft<br />

und an die eigenen Kräfte glauben. ❙<br />

32 Credit Suisse Bulletin 6-<strong>03</strong>

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!