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Credit Suisse bulletin, 2003/06
Credit Suisse bulletin, 2003/06
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AKTUELL<br />
Entwicklung zwar etwas dämpfen, aber<br />
die Kosten werden weiter steigen und weit<br />
über der allgemeinen Teuerung liegen.<br />
Was heisst das konkret in Zahlen? Realistisch<br />
ist wohl ein Wert zwischen drei und<br />
fünf Prozent. Weniger ist kaum drin. Es<br />
sei denn, neue, teure Behandlungsmethoden<br />
werden von den Kassen nicht mehr vollumfänglich<br />
abgedeckt. Aber für diese Massnahme<br />
wird es kaum eine Mehrheit geben.<br />
Kommen wir auf die Arbeitslosigkeit, der<br />
Schweizerinnen und Schweizer grösste<br />
Sorge, zu sprechen. Vergleicht man die drei<br />
bis vier Prozent der Schweiz mit den Arbeitslosenzahlen<br />
im restlichen Europa, so geht<br />
es uns doch eigentlich immer noch sehr gut.<br />
In diesem Fall ist nicht die statistische<br />
Realität ausschlaggebend. Arbeitslosigkeit<br />
kann jeden treffen. Hier kommt das<br />
subjektive Empfinden jedes Einzelnen zum<br />
Tragen, der sich ständig fragt: Und wie<br />
sicher ist mein Arbeitsplatz?<br />
Die AHV- und Vorsorgeproblematik wurde<br />
noch nie von so vielen Befragten als wichtigste<br />
Sorge angegeben wie in diesem Jahr. Ist<br />
diese Angst für Sie berechtigt? Wir haben bei<br />
der AHV ein Niveau erreicht, das wir halten<br />
müssen. Dort, wo Bedürfnisse vorhanden<br />
sind, muss diesen über Ergänzungsleistungen<br />
Rechnung getragen werden. Eine generelle<br />
Erhöhung des AHV-Niveaus halte<br />
ich aber für unmöglich. Unser Ziel muss<br />
sein, wenigstens dieses zu halten.<br />
Andererseits kann heute kaum mehr jemand<br />
selbst mit den Maximalleistungen der AHV<br />
leben. Wird somit die Vorsorge immer mehr<br />
zur Privatsache? Die private Vorsorge wird<br />
in Zukunft ein stärkeres Gewicht bekommen.<br />
Das ist eine der Erkenntnisse der<br />
jüngsten Diskussionen. Und wir Politiker<br />
müssen die Menschen darauf vorbereiten.<br />
Bei der Frage nach der Einschätzung<br />
der persönlichen wirtschaftlichen Situation<br />
gehen mittlerweile schon 58 Prozent der<br />
Befragten von einem unveränderten Status<br />
während der nächsten Monate aus. Verlieren<br />
die Schweizer ihren Wachstumsglauben,<br />
ihren Optimismus? Dieses Resultat ist auch<br />
Ausdruck davon, dass wir in der Schweiz<br />
einen hohen Standard erreicht haben. Viele<br />
Leute haben erkannt, dass sie schon froh<br />
sein müssen, wenn sie diesen Standard<br />
halten können. Für mich ist dies trotz allem<br />
ein Ausdruck der Hoffnung, dass es mindestens<br />
gleich bleibt.<br />
Das Sorgenbarometer der Credit Suisse<br />
1976 führte das Bulletin der Credit Suisse erstmals eine repräsentative Meinungsumfrage<br />
durch, welche die Befindlichkeit der Schweizer Bevölkerung wiedergab.<br />
Für die wissenschaftliche Umsetzung wurde die Firma Isopublic beauftragt.<br />
Schon damals war die Arbeitslosigkeit mit 75 Prozent die meistgenannte<br />
Sorge, gefolgt vom Umweltschutz und der Altersvorsorge. Seither liess das<br />
Bulletin jedes Jahr eine vergleichbare Befragung der Schweizer Bevölkerung<br />
durchführen, wobei die Fragen teilweise variierten. Das änderte sich 1995, als<br />
das Bulletin neu das GFS-Forschungsinstitut in Bern für die wissenschaftliche<br />
Durchführung des Sorgenbarometers beauftragte. Seither erfolgt die Befragung<br />
nach einem standardisierten Raster, womit die Vergleichbarkeit der erhobenen<br />
Daten über die Jahre gewährleistet ist. Das macht das Sorgenbarometer der<br />
Credit Suisse als alljährlich wiederkehrende Momentaufnahme der Schweizer<br />
Befindlichkeit einzigartig.<br />
Die Resultate des Sorgenbarometers widerspiegeln<br />
seit Jahren ein schwindendes<br />
Vertrauen in die Politiker. Beunruhigt Sie<br />
das nicht? Dass der Ständerat mit lediglich<br />
29 Prozent Vertrauensvoten sogar noch<br />
schlechter abschliesst als der Nationalrat,<br />
hätte ich nie geglaubt. Dafür habe ich<br />
keine Erklärung. Eigentlich war ich immer<br />
der Ansicht, dass wir im Ständerat seriöse<br />
Arbeit leisten. Aber im Volk wird das offenbar<br />
anders wahrgenommen. Auch dass<br />
beide Kammern deutlich weniger Vertrauen<br />
geniessen als der Bundesrat, überrascht<br />
mich. Natürlich vermittelt das Parlament<br />
nach aussen einen viel heterogeneren<br />
Eindruck. Dann gab es in der letzten Zeit<br />
auch ein paar unschöne Skandale, die<br />
dem Vertrauen in die Politiker sicher nicht<br />
zuträglich waren.<br />
Aber dieser Trend hält schon seit Jahren<br />
ununterbrochen an. Wir können es nicht<br />
verleugnen, dass wir in der Schweiz in einer<br />
Phase der nationalen Depression sind.<br />
Unser Ziel als Politiker muss sein, diese Stimmung<br />
zu drehen. Die Leute müssen<br />
wieder an eine Zukunft glauben können.<br />
Wie sehen Sie Ihrem Amtsjahr als Ständeratspräsident<br />
entgegen? Wird Ihre Aufgabe<br />
durch die Verschiebungen der Wahlen schwieriger?<br />
Ich gehe einmal davon aus, dass die<br />
geschriebenen und vor allem die ungeschriebenen<br />
Verhaltensregeln im Ständerat weiterhin<br />
beibehalten werden.<br />
Welche ist für Sie die wichtigste? Dass man<br />
nicht auf einer persönlichen, sondern<br />
auf einer sachspezifischen Ebene hart, aber<br />
fair diskutiert und von gegenseitiger Achtung<br />
geprägt ist.<br />
Und das ist im Nationalrat nicht so? Sitzungen<br />
des Ständerats sind ganz klar weniger<br />
spektakulär. Persönliche Schlagabtausche<br />
wie im Nationalrat sind bei uns verpönt.<br />
Bei uns gilt: in der Sache hart, im Ton<br />
moderat und kollegial. Man kann auch so<br />
klare Positionen vertreten.<br />
Verkehren Sie im Ständerat per Du miteinander?<br />
Das ist bei uns so üblich. Bei nur<br />
46 Mitgliedern kennt man noch alle persönlich.<br />
Ich gehe davon aus, dass dieses kollegiale<br />
Verhältnis auch mit den neuen Mitgliedern<br />
bleiben wird. Wenn nicht, dann wird<br />
es schwieriger, diesen Rat zu präsidieren.<br />
Was sind für Sie die drei wichtigsten<br />
Themen im nächsten Jahr? Allen voran die<br />
Wirtschaftspolitik und das Wirtschaftswachstum.<br />
Da gehört ein ganzer Kranz von<br />
Themen dazu, nicht zuletzt auch die Gesundung<br />
der Bundesfinanzen. Einen zweiten<br />
Schwerpunkt sehe ich im Sozialversicherungsbereich<br />
inklusive Krankenversicherung.<br />
Den dritten Bereich möchte ich mit dem<br />
Oberbegriff Sicherheit zusammenfassen.<br />
Da gehört für mich die Asyl- und Ausländerpolitik<br />
dazu, aber auch das Verhältnis der<br />
Schweiz zu Europa. Wir können uns vor<br />
diesem Thema nicht verschliessen, selbst<br />
wenn die bilateralen Verhandlungen einmal<br />
abgeschlossen sein werden.<br />
Wenn Sie einen Wunsch offen hätten, der<br />
Ihnen 2004 erfüllt wird, was würden Sie sich<br />
wünschen? Auf politischer Ebene wünschte<br />
ich mir, dass ich einen Geistesblitz durchs<br />
ganze Land schicken könnte, auf dass sich<br />
eine positive Grundstimmung breit mache.<br />
Die Schweizer sollten wieder an ihre Zukunft<br />
und an die eigenen Kräfte glauben. ❙<br />
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