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Credit Suisse bulletin, 2003/06
Credit Suisse bulletin, 2003/06
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LUST UND LASTER<br />
Rühr mir das Lied vom Brot<br />
Weltweit kennt man das Fondue als Schweizer Nationalspeise. In Wirklichkeit ist es<br />
eine geniale Marketingidee – was uns nicht daran hindert, die Käsetunke heisser zu lieben,<br />
als sie gekocht wird. Marcus Balogh, Redaktion Bulletin<br />
Foto: Martina Meier<br />
1939 wars. Es galt, den Käseabsatz zu fördern.<br />
Und so beschloss man, ein relativ unbekanntes<br />
Käsegericht ins Licht der Öffentlichkeit<br />
zu rücken: das Fondue. Der Name<br />
leitet sich vom französischen Verb «fondre»,<br />
schmelzen, ab. Und tatsächlich wurde Fondue<br />
damals vorwiegend in der französischen<br />
Schweiz gegessen. Den ersten internationalen<br />
Erfolg feierte das Fondue an der Weltausstellung<br />
1939/1940 in New York – was<br />
eigentlich nicht verwunderlich ist. Die Welt<br />
war zerrissen, das Zeitalter der Erleuchtung<br />
schien weit weg. Sich in diesen Jahren<br />
zusammen an einen Tisch zu setzen, ein<br />
Caquelon in der Mitte, aus dem sich alle mit<br />
gleichem Recht bedienen, war ein symbolischer<br />
Akt – auf den wir später noch einmal<br />
zurückkommen.<br />
Mit dem Nationalgericht als historisch<br />
verankerter Speise ist es also nicht so weit<br />
her. Aber bei welchem Nationalgericht ist das<br />
schon der Fall? Spaghetti Napoli? Teigwaren<br />
kommen aus Asien, Tomaten aus Südamerika.<br />
Paella? Reis kommt über China, Korea,<br />
Indien und den Iran mit den Arabern nach<br />
Spanien. Und Frankreich? Ein Land, das stolz<br />
darauf ist, 350 Käsesorten herzustellen, kann<br />
unmöglich ein Gericht haben, in dem sich die<br />
ganze Nation wiederfindet.<br />
Man sieht: Das über den Röschtigraben<br />
hinweg fadenziehende Nationalgericht ist<br />
nichts, wofür man sich zu schämen braucht!<br />
Immerhin kommen die Zutaten des Fondues<br />
garantiert aus der Schweiz. Und angesichts<br />
der seit Hunderten von Jahren betriebenen<br />
Milchwirtschaft, ist die «Erfindung» einer<br />
Speise aus geschmolzenem Käse nahe liegend<br />
und man kann getrost davon ausgehen,<br />
dass fondueähnliche Gerichte seit geraumer<br />
Zeit gegessen wurden. Last but not least<br />
kommt dazu, dass der gemeinsame Topf in<br />
der Schweiz ja tatsächlich Tradition hat und<br />
nicht erst 1940 in New York erfunden wurde.<br />
Erinnern Sie sich an die Kappeler Milchsuppe?<br />
1529 stehen sich ein Heer katholischer<br />
Innerschweizer und die protestantischen<br />
Zürcher gegenüber. Doch statt sich<br />
Geduld bringt Rosen<br />
Es gibt Tausende von Fondues. Aber nur eine<br />
Art, ein klassisches Käsefondue zuzubereiten.<br />
Das Gute daran: Bei einem Fondue kann eigentlich<br />
nichts schief gehen – oder es lässt sich<br />
zumindest relativ einfach korrigieren. Das<br />
Wichtigste dabei ist: immer mit der Ruhe, nur<br />
nichts überstürzen.<br />
1 | Caquelon mit einer halbierten Knoblauchzehe<br />
ausreiben. Dabei ruhig grosszügig mit<br />
der Zehe umgehen.<br />
2 | Caquelon auf den Herd stellen, Weisswein<br />
ins Caquelon giessen und leicht erwärmen.<br />
3 | Käse hinzugeben und schmelzen lassen.<br />
Den Käse langsam bei mittlerer Temperatur<br />
schmelzen. Schmilzt er zu schnell und<br />
wird er zu heiss, droht eine Öllache den Käse<br />
zu überziehen.<br />
4 | Während des Schmelzens sollte<br />
andauernd gerührt werden. Es ranken sich<br />
zahlreiche Mythen um das korrekte Rühren:<br />
Eine Acht soll man rühren, im Gegenuhrzeigersinn<br />
oder ein Bogen von links nach rechts –<br />
wir sagen: Hauptsache, es wird gerührt. Und<br />
zwar auch nach dem vollständigen Schmelzen<br />
des Käses. Zwei bis drei Minuten sollten<br />
es mindestens sein.<br />
5 | Ist alles schön geschmolzen und vermischt,<br />
ein bisschen Maizena in Kirsch auflösen<br />
und hinzufügen. Eine Messerspitze<br />
Natron macht das Fondue «luftig» und etwas<br />
leichter. Wieder gleichmässig und mindestens<br />
drei bis vier Minuten rühren. Das Fondue<br />
sollte jetzt nicht mehr zum Kochen<br />
gebracht werden.<br />
6 | Abschmecken mit Pfeffer und Muskatnuss.<br />
die Köpfe einzuhauen, schliesst man einen gutschweizerischen<br />
Kompromiss. Besiegelt wird<br />
er mit der Kappeler Milchsuppe. Die Katholiken<br />
der Innerschweiz bringen die Milch von<br />
den Viehweiden der Alpen. Die Reformierten<br />
bringen das Brot. Jedes Heer bleibt sich<br />
selber treu und sitzt und schöpft nur auf der<br />
eigenen Seite des Topfes. Topf und Mahlzeit<br />
werden jedoch geteilt. Womit nun also<br />
dargelegt wäre, dass das Fondue seinen<br />
Platz als Nationalgericht vielleicht noch nicht<br />
lange innehat, der Status jedoch mit Recht<br />
verteidigt gehört.<br />
Zum Erfolg mit Figugegl<br />
Wie dem auch sei: In der Küche hat sich das<br />
Fondue einen festen Platz erobert. Zu verdanken<br />
ist das einerseits dem emaillierten<br />
Caquelon, das es erlaubt, das Fondue direkt<br />
am Tisch zu kochen, andererseits geschickt<br />
eingefädelten Werbekampagnen. Zum Thema<br />
Werbekampagne genügt ein Wort: Figugegl –<br />
1954 prangte es das erste Mal auf Plakaten<br />
und Inseraten, die für Fondue warben. Es galt<br />
herauszufinden, was die Abkürzung bedeutete.<br />
«Fondue isch guet und git e gueti<br />
Luune.» Kaum ein Slogan hat sich in der<br />
Schweizer Werbung so lange gehalten wie<br />
dieser. Und wahrscheinlich hat er zur nationalen<br />
Verbreitung des Fondues tatsächlich<br />
etwas beigetragen.<br />
Heute besitzen fast 90 Prozent der Schweizer<br />
Haushalte ein Fondue-Set. Und sobald<br />
es draussen kalt und dunkel wird, heisst es<br />
«s isch Fonduewätter». Darüber freut sich<br />
die Käseindustrie. Rund 8400 Tonnen Fertigfondue<br />
werden heute jedes Jahr verkauft,<br />
etwa 3300 Tonnen davon in der Schweiz.<br />
Dazu kommen noch all jene Fondues, die<br />
beim Käsehändler zusammengemixt werden.<br />
Die Käseunion der Schweiz geht davon aus,<br />
Credit Suisse Bulletin 6-<strong>03</strong> 57