Wina Mai 2021
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Water, grass, flowers, trees, granite, iron, glass,<br />
text, sound<br />
Massive Skulpturen<br />
Tiergarten, Berlin: das unter anderem<br />
aus Wasser, Bäumen und Text bestehende<br />
Sinti und Roma Memorial (2000–2012).<br />
© danikaravan.com<br />
© Wikimedia Commons/Yair Talmor)<br />
„Ich habe Grenzen überschritten,<br />
Disziplinen<br />
gesprengt und mich zwischen<br />
Minimalismus und<br />
Konzeptkunst, Figuration<br />
und Abstraktion, Skulptur<br />
und Architektur, Land Art<br />
und Landschaftsdesign<br />
hin- und herbewegt.“<br />
Dani Karavan<br />
© flash90/Tomer Neuberg<br />
© Michael Kappeler / dpa / picturedesk.com<br />
Jerusalem Knesset: die Wandskulptur<br />
Jerusalem, City of Peace (1965–1966).<br />
Er konnte zart und hart. Kaum jemand,<br />
dem Dani Karavans monumentale<br />
Kunstwerke aus Beton,<br />
Stein und Stahl geläufig sind,<br />
wusste auch über seine ganz anderen, früheren<br />
Arbeiten Bescheid. Über Jahre entwarf<br />
er Bühnenbilder für eine der delikatesten<br />
Kunstformen der Bühne, das Ballet.<br />
Und er kooperierte mit ganz großen Truppen,<br />
mit Martha Graham, mit der Bat Sheva<br />
Dance Company oder auch mit dem Komponisten<br />
Gian Carlo Menotti. Karavan starb<br />
im <strong>Mai</strong> 90-jährig in Tel Aviv.<br />
Er war als Kind polnischer Einwanderer<br />
1930 in Palästina geboren worden, sein Vater<br />
Abraham zeichnete als Landschaftsarchitekt<br />
von den Vierziger- bis zu den Sechzigerjahren<br />
für das Aussehen eines Gutteils<br />
von Tel Aviv verantwortlich. Dani Karavan<br />
studierte erst in Tel Aviv Malerei, im Atelier<br />
von Yehezkel Streichman und Avigdor Steimatzky,<br />
später bei Mordechai Ardon in Jerusalem.<br />
Einige Jahre malte Karavan im Kibbuz<br />
Harel bei Latrun am Weg von Tel Aviv<br />
nach Jerusalem, wo er 1948 zu den Grün-<br />
dungsmitgliedern gehörte. 1956 reiste er<br />
nach Florenz, um an der Accademia delle<br />
Belle Arti Freskomalerei zu erlernen, dann<br />
ging es nach Paris an die Académie de la<br />
Grande Chaumière.<br />
Nun kamen die Jahre als Bühnenbildner<br />
am Tanztheater, bis er seine Liebe zu massiveren<br />
Materialien entdeckte. Einem steinernen<br />
Relief an der Knesset in Jerusalem<br />
folgte seine erste große begehbare Skulptur,<br />
das Denkmal für die Negev-Brigade in Beer<br />
Sheva. Es überragt von einem Hügel die Wüstenstadt<br />
und ist eine komplexe Anordnung<br />
unterschiedlicher mächtiger Betonteile mit<br />
symbolischen Bedeutungen, vom hoch aufragenden<br />
Wachturm bis zur – gerade in dieser<br />
Gegend so notwendigen – Wasserleitung.<br />
Karavan wollte schon bei dieser Land-<br />
Art-Skulptur, dass sie nicht nur von außen<br />
betrachtet wird, sondern sich die Besucher<br />
auch hineinwagen, das Kunstwerk<br />
im wahrsten Sinn des Wortes begehen.<br />
Bei späteren Arbeiten integrierte er zunehmend<br />
Elemente der Natur in seine<br />
Skulpturen: Bäume und Blumenbeete,<br />
Grasflächen und Pergolas. So hat er etwa<br />
den Platz vor dem israelischen Nationaltheater<br />
Habima in Tel Aviv gestaltet, der<br />
täglich aktiv von Jung und Alt in Besitz genommen<br />
wird.<br />
Ähnliches gilt für sein Mahnmal, das<br />
in Berlin an die von den Nationalsozialisten<br />
ermordeten Sinti und Roma erinnert<br />
und über das die Frankfurter Allgemeine Zeitung<br />
schrieb: „Dessen Kern bildet ein kreisrundes<br />
Wasserbecken; in seinem dunklen<br />
Wasser spiegeln sich Betrachter, Bäume und<br />
das Reichstagsgebäude. Inszeniert als Idyll<br />
im Großstadttrubel, setzt das Mahnmal darauf,<br />
den zufälligen Passanten ins Gedenken<br />
an die Zusammenhänge von Natur,<br />
Mensch und Geschichte hineinzuziehen.“<br />
Vor den Düsseldorfer Landtag von Nordrhein-Westfalen<br />
hat Karavan eine symbolträchtige<br />
Großplastik gesetzt. Die tonnenschwere<br />
runde, rostige Stahlplatte nimmt<br />
die bogenförmige Architektur des Gebäudes<br />
dahinter auf, aber sie wird in der Mitte<br />
geteilt von zwei Schienen: Die Wege nach<br />
Auschwitz haben in jeder deutschen Stadt<br />
begonnen.<br />
Eine der eindrucksvollsten Arbeiten<br />
Karavans erinnert an die Flucht und den<br />
Selbstmord des deutschen linken Intellektuellen<br />
Walter Benjamin an der französischspanischen<br />
Grenze in Portbou nahe Girona:<br />
Ein beklemmender stählerner Korridor<br />
führt steil hinunter an das blaue Mittelmeer<br />
– an jenes Meer, über das heute Flüchtlinge<br />
aus Afrika nach Europa streben.<br />
wına-magazin.at<br />
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sommer_doppel1.indb 33 29.06.<strong>2021</strong> 10:06:03