Wina Mai 2021
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WINA KOMMENTAR<br />
Das Abraham-Abkommen hält<br />
Eine neues Institut soll die Implementierung<br />
vorwärtstreiben.<br />
ie Unterzeichner des historischen Abraham-<br />
Abkommens verhielten sich während und<br />
nach den jüngsten elftägigen Hamas-Bombenangriffen<br />
auf Israel und dessen militärischer<br />
Reaktion in Gaza darauf ziemlich leise.<br />
Es ist nicht nur ein einzigartiges Novum, dass sich muslimische<br />
Staaten mit scharfer<br />
Von Marta S. Halpert öffentlicher Kritik an Israel zurückhalten,<br />
sondern es bedeutet<br />
viel mehr, dass dieser wichtige Vertrag die Praxisprobe<br />
vorerst bestanden hat.<br />
Es war eine Sensation, als am 15. September 2020 vor<br />
dem Weißen Haus in Washington der Vertrag über diplomatischen<br />
Beziehungen und der vollständigen Normalisierung<br />
zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten<br />
(VAE), Bahrain und dem Staat Israel unterzeichnet<br />
wurde. Der Außenminister der Emirate, Abdullah bin<br />
Zayid Al Nahyan, erklärte dabei: „Wir erleben bereits<br />
heute einen Wandel im Herzen des Nahen Ostens, der<br />
weltweit Hoffnung schenken wird. Ich stehe heute hier,<br />
um eine Hand zum Frieden auszustrecken und eine<br />
Hand zum Frieden zu erhalten.“<br />
Ein Monat später trafen die Delegationen aus beiden<br />
Ländern zu einem historischen Besuch in Israel ein, um<br />
an der Unterzeichnung von vier Abkommen über Investitionen,<br />
wissenschaftliche Zusammenarbeit, Zivilluftfahrt<br />
und Visumbefreiungen im Rahmen des Abraham-<br />
Abkommens, das einem Friedensvertrag ebenbürtig ist,<br />
teilzunehmen. In der gelebten Realität bestätigt das Abkommen<br />
hauptsächlich die bereits seit Längerem bestehende<br />
Kooperation in Sicherheitspolitik, Technologie<br />
und Wirtschaft.<br />
Das wahrhaft Neue ist die Aufnahme von offiziellen<br />
diplomatischen Beziehungen: Dieses „öffentlich Machen“<br />
war möglich geworden, weil die palästinensische<br />
Frage nicht mehr ganz oben auf der Agenda stand und<br />
die arabischen Unterzeichner die Explosionsgefahr des<br />
Nahostkonfliktes nicht mehr so hoch einschätzten, dass<br />
es für sie problematisch werden könnte. Außerdem<br />
waren die VAE weder je in einen Krieg mit Israel<br />
involviert, noch genießt die Hamas im Gazastreifen,<br />
als Ableger der Muslimbruderschaft<br />
und Verbündeter des Iran, in den<br />
VAE irgendwelche Sympathien.<br />
Daher kamen zu Beginn der Kämpfe nur zögerliche<br />
Reaktionen aus den VAE, die sowohl an Israel wie<br />
auch an die Palästinenser appellierten. Erst die andauernde<br />
Auseinandersetzung um Jerusalem, die drittheiligste<br />
Stadt für Muslime nach Mekka und Medina, erzürnte<br />
die „arabische Straße“ so sehr, dass die VAE sich<br />
gezwungen sahen, den Schaden für ihr Image in der Region<br />
zu begrenzen: Erst bei der Entscheidung des Regionalgerichts<br />
von Jerusalem zur Zwangsräumung mehrerer<br />
palästinensischer Häuser im Stadtteil Sheikh Jarrah<br />
verwiesen die VAE auf das Völkerrecht, wonach die Räumung<br />
als illegal und als Menschenrechtsverletzung interpretiert<br />
würde und somit dem israelischen Narrativ<br />
eines Rechtsdisputs um Immobilien entgegenstehe.<br />
Daher kamen zu Beginn der Kämpfe<br />
nur zögerliche Reaktionen aus den<br />
Vereinigten Arabischen Emiraten,<br />
die sowohl an Israel wie auch an die<br />
Palästinenser appellierten.<br />
Abraham Accords Institute. Um diese positive Entwicklung<br />
in den Beziehungen zwischen Israel, Bahrain, Marokko,<br />
Sudan und den VAE zu vertiefen und auszubauen<br />
sowie diese Grundlage für weitere Abkommen dieser<br />
Art zwischen dem jüdischen Staat und muslimischen<br />
Ländern zu propagieren, hat Jared Kushner eine private<br />
Stiftung gegründet. Für das Abraham Accords Institute<br />
gelang es dem Trump-Schwiegersohn, eine Reihe<br />
von finanzstarken Unterstützern zu gewinnen. Dazu zählt<br />
u. a. Haim Saban, ein ägyptisch-amerikanischer Jude,<br />
der auf der Liste der größten Medienunternehmern der<br />
Welt steht. Die Botschafter der VAE und Bahrains gehören<br />
ebenso zu den Gründern wie Avi Berkowitz, ein 32-jähriger<br />
Absolvent der Harvard Law School, der bis zu seinem<br />
Wechsel in das Weiße Haus in der Kushner-Immobilienfirma<br />
beschäftigt und dort an den Verhandlungen zum<br />
Abraham-Abkommen beteiligt war.<br />
Kushner und Berkowitz haben jedenfalls den<br />
Segen der Biden-Regierung erhalten, die<br />
derartige Normalisierungsverträge begrüßt.<br />
wına-magazin.at<br />
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sommer_doppel1.indb 5 29.06.<strong>2021</strong> 10:04:47