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Wina Mai 2021

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Lower East Side<br />

© ullstein bild/Ullstein Bild/picturedesk.com<br />

Man importierte<br />

kaum mehr<br />

Operettennoten,<br />

setzte<br />

dagegen auf<br />

amerikanische<br />

Ware und auf<br />

die Suche nach<br />

einem eigenen<br />

nationalen Ton.<br />

strikt zu bleiben. Dort betrieb Morris ein<br />

türkisches Bad, Ira sollte eine Zeitlang bei<br />

ihm arbeiten.<br />

Song Plugger. Entscheidend für die Zukunft<br />

der Söhne sollte einen Anschaffung<br />

werden, die ursprünglich für Ira gedacht<br />

war: ein Klavier. Doch schnell hatte es der<br />

jüngere George für sich okkupiert, nahm<br />

auch ernsthaft Unterricht. Er verließ die<br />

Schule mit 15 und verdiente sein erstes<br />

Geld bereits mit Musik, als so genannter<br />

Song Plugger. Dabei ging es darum, Noten<br />

zu verkaufen, indem man den prospektiven<br />

Kunden die Stücke vorspielte und sie<br />

eventuell auch für unterschiedliche Stimmen<br />

tonartmäßig versetzte.<br />

Eine weitere Einnahmequelle erschloss<br />

sich George, indem er Walzen für<br />

automatische Klaviere aufnahm. Darunter<br />

war nun schon die eine oder andere<br />

Geniales Duo.<br />

Das Klavier wur-<br />

de eigentlich für<br />

Ira angeschafft,<br />

der schrieb aber<br />

lieber Songtexte,<br />

während Geor-<br />

ge bereits mit<br />

15 Jahren sein<br />

erstes Geld mit<br />

Musik verdiente.<br />

eigene Komposition, freilich unter Phantasienamen.<br />

Und er begleitete Sängerinnen auf<br />

der Bühne bei leichten Vaudeville-Programmen.<br />

1919 schrieb er seinen ersten Hit, Swanee,<br />

kassierte erstmals Tantiemen. Und auch<br />

das Komponieren fürs Musical begann in diesen<br />

Jahren.<br />

Obwohl Ira der Ältere war, begann er später<br />

mit seiner Arbeit für die Unterhaltungsbranche.<br />

Er hatte wohl einen Schulabschluss, das<br />

College aber geschmissen und dann bei seinem<br />

Vater mitgearbeitet. Doch auch er konnte<br />

sich der Faszination des Yiddish Theater District<br />

nicht entziehen. Sein Talent für das Textschreiben<br />

wurde Anfang der 1920er-Jahre erkannt,<br />

als sein Bruder bereits am Weg nach<br />

oben war. Und um diesem nicht in die Quere<br />

zu kommen, lieferte Ira seine ersten Songtexte<br />

unter Pseudonym ab, eben als Arthur Francis.<br />

Doch ab dem großen Erfolg von Lady, Be Good<br />

brauchte er sich nicht mehr zu verstecken und<br />

wurde mit seinem Bruder zum kongenialen<br />

Dream Team der Musicalbühne.<br />

Der Erfolg der beiden war sicher ihren außergewöhnlichen<br />

Talenten geschuldet, so Amy<br />

C. Baumgartner. Sie analysierte in ihrer Master-Arbeit<br />

an der University of Virginia den<br />

Aufstieg der Gershwins etwas umfassender.<br />

Was die musikalische Seite anging, so integrierte<br />

George erfolgreich Jazz-Elemente, die<br />

wohl in Städten wie New Orleans oder Chicago<br />

bereits <strong>Mai</strong>nstream waren, New York hinkte<br />

aber noch etwas hinterher. Die internationale<br />

Politik spielte ebenfalls eine Rolle: Die<br />

USA hatten sich nach dem Ersten Weltkrieg<br />

in eine selbstgewählte Isolation zurückgezogen,<br />

und diese betraf auch die kulturelle Produktion.<br />

Man importierte kaum mehr Operettennoten,<br />

setzte dagegen auf amerikanische<br />

Ware und auf die Suche nach einem eigenen<br />

nationalen Ton.<br />

Diesem spürte George Gershwin auch abseits<br />

der Musical-Bühnen nach, eine Etage<br />

höher auf der Prestigeskala, zwischen Unterhaltungsmusik<br />

und so genannter ernster<br />

Musik. Schon 1924 komponierte er sein erstes<br />

klassisches Stück, die Rhapsody in Blue, beeinflusst<br />

von zeitgenössischen französischen<br />

Komponisten wie Maurice Ravel oder Claude<br />

Debussy, aber schon mit genuin amerikanischem<br />

Schwung und voller Elemente von Jazz<br />

und Blues. Das Werk machte ihn nun auch in<br />

der „seriösen“ Musikwelt bekannt. Und er verfolgte<br />

diesen Weg weiter, parallel zu neuen,<br />

wieder erfolgreichen Musicals. Bei einem Aufenthalt<br />

in Paris Mitte der 1920er-Jahre entstand<br />

An American in Paris.<br />

Dort traf er auch auf Ravel, und von diesen<br />

Begegnungen gibt es mehrere – nicht ganz<br />

seriös belegte – Zitate. So soll Ravel die Bitte<br />

wına-magazin.at<br />

47<br />

sommer_doppel1.indb 47 29.06.<strong>2021</strong> 10:06:27

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