Wina Mai 2021
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INTERVIEW MIT RUTH KATRIN LAUPPERT-SCHOLZ<br />
„Interreligöses und<br />
interkulturelles Denken“<br />
Ihre Vortragsarbeit sieht Ruth Katrin Lauppert-Scholz als einen<br />
Beitrag zu mehr Akzeptanz und Toleranz von Diversität. Wissen macht das<br />
andere besser verständlich und verringert Barrieren. Interview: Viola Heilman<br />
WINA: Du bist Soziologin und arbeitest als vortragende<br />
Referentin zu interreligiösen Themen. Worüber handeln<br />
deine Vorträge, Seminare und Workshops?<br />
Ruth Lauppert-Scholz: Grundsätzlich habe ich unterschiedliche<br />
Schwerpunkte. Einerseits die Vermittlung<br />
des lebendigen, aktiven jüdischen Lebens,<br />
dieser Vortrag heißt Judentum erLeben. Andererseits<br />
arbeite ich an der Shoah Education, also Gedenkarbeit,<br />
was unter anderem Gedenkstättenpädagogik<br />
im weitesten Sinne beinhaltet. Da gehören etwa die<br />
Führungen Stolpersteine erzählen Geschichten dazu, aber<br />
auch Führungen zu den jüdischen Gedenkstätten in<br />
der Südoststeiermark. Ein dritter Schwerpunkt ist<br />
meine Arbeit mit Lehrern und Schüler*innen über<br />
Antisemitismus und interreligiöses Lernen. Hier<br />
hilft mir mein zusätzliches Studium der Religionswissenschaft<br />
sehr.<br />
Du leitest einen Verein, der Granatapfel heißt?<br />
I Eigentlich ist das kein Verein, sondern ein Ein-Personen-Unternehmen.<br />
Ich führe dieses Unternehmen<br />
und organisiere hier meine Arbeit.<br />
An wen richten sich deine Bildungsangebote?<br />
I Es sind ganz unterschiedliche Zielgruppen, die vorwiegend<br />
aus Multiplikator*innen, Pädagog*innen,<br />
Vermittler*innen und Lehrbeauftragten der Pädagogischen<br />
Hochschule Steiermark bestehen. Ich bin<br />
dort auch Mitglied der Ethiklehrerausbildung und<br />
Vortragende für Erwachsenengruppen zu speziellen<br />
Themen. Es gab zum Beispiel eine Vortragsreihe über<br />
Unorthodox, das Buch und die Netflix-Serie. Solche<br />
vorgegebenen Themen sind keine leichte Entscheidung,<br />
da es viel Pro und Kontra dazu gibt. Von diesen<br />
„Dabei kommt<br />
es auch darauf<br />
an zu zeigen,<br />
wie viel der<br />
Islam und<br />
das Judentum<br />
gemeinsam<br />
haben.“<br />
Ruth Lauppert-<br />
Scholz<br />
Gruppen kommen viele Fragen zum Judentum im<br />
Allgemeinen, weil darüber in der Öffentlichkeit viel<br />
zu wenig bekannt ist. Es werden Fragen zu Festen,<br />
Feiertagen, Kashrut und Traditionen gestellt. Andere<br />
Zielgruppen meiner Arbeit sind Schüler*innen<br />
ab der dritten Klasse Volksschule. Manchmal kommen<br />
sogar erste Klassen zu mir. Um die Thematik näherzubringen,<br />
wende ich für ganz kleine Kinder altersgerechte<br />
Möglichkeiten an. Wenn sie sich dann<br />
merken, dass der Davidstern sechs Zacken hat und<br />
nicht fünf oder acht, dann ist das schon ein pädagogischer<br />
Erfolg für mich.<br />
Wie vermittelst du dein Wissen?<br />
I Das Spezielle an meinem Ansatz ist das interreligiöse<br />
und interkulturelle Denken. Wenn man beispielsweise<br />
ein konfessionell gebundenes Angebot bucht,<br />
wie etwa eine Kirchen-Synagogen-Moschee-Führung,<br />
dann beleuchte ich die Themen aus der Innenseite der<br />
jeweiligen Religion und nicht vom Rand. Aus meiner<br />
Perspektive bleiben sonst zu viele Fragen offen. Wie<br />
zum Beispiel die Figur des Jesus: Die Frage ist hier,<br />
welche Rolle diese Figur in der jüdischen, christlichen<br />
und muslimischen Religion spielt. Auf diese Weise ergeben<br />
sich dann auf einer übergeordneten Ebene unterschiedliche<br />
Zugänge.<br />
Siehst du durch die zunehmende Diversität in der Gesellschaft<br />
eine Abflachung der kulturellen Unterschiede?<br />
I Ja, in meinem speziellen Umfeld und dem meiner<br />
Kinder ist das so. Aber das geht nicht automatisch<br />
überall. Es bedarf viel Arbeit, die Akzeptanz herzustellen.<br />
Es sollte daher viel mehr Angebote im Bereich<br />
des interkulturellen Lernens geben.<br />
© privat<br />
14 wına | Juni/Juli <strong>2021</strong><br />
sommer_doppel1.indb 14 29.06.<strong>2021</strong> 10:05:02