16.05.2022 Aufrufe

Nr. 83 - Sommer 2022

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs"
Drôme: die Schönheit der Dörfer
Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus"
Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

en Régime geändert, hätte in der Folge vermutlich nichts<br />

mehr die Ruhe dieser bemerkenswerten Gisants gestört.<br />

Dabei ist es zu Beginn gar nicht so schlecht um sie bestellt:<br />

Ein Dekret vom 2. November 1789 überführt die<br />

Gräber einschließlich der Pleurants in Staatsbesitz, um<br />

sie auf diese Weise zu schützen. Einige Jahre später,<br />

1793, ordnet allerdings ein neuer Erlass – der viel eher<br />

dem revolutionären Geist der Epoche<br />

entspricht – schlicht und einfach die<br />

Zerstörung « aller königlichen Bildnisse<br />

» an. Daraufhin werden auch die<br />

genannten Grabmale umgehend dem<br />

Erdboden gleichgemacht. Die « Trauernden<br />

» jedoch, die einfacher zu demontieren<br />

und zu transportieren sind,<br />

werden in alle Winde zerstreut. Dieses<br />

vorübergehende « Untertauchen » trägt<br />

letzten Endes zu ihrer Rettung bei.<br />

1799 tauchen die meisten von ihnen<br />

zur allgemeinen Überraschung wieder<br />

auf und werden zu Füßen originalgetreuer<br />

Rekonstitutionen der Grabmäler<br />

im ehemaligen Palast der Herzöge von<br />

Burgund (in dem sich heute das Musée<br />

des Beaux-Arts befindet) aufgestellt.<br />

Doch damit ist die Angelegenheit<br />

noch nicht zu Ende. Nach wie vor fehlen mehrere Pleurants.<br />

Vor allem für eine der Statuen, die <strong>Nr</strong>. 17, soll es<br />

sehr lange dauern, bis sie wieder ihren ursprünglichen<br />

Platz einnehmen kann …<br />

Bereits 1794 ist der Pleurant retenant ses larmes zwar<br />

– gemeinsam mit einigen seiner « Brüdern » – bei einem<br />

Antiquitätenhändler in Dijon aufgetaucht, doch aufgrund<br />

eines bis heute unergründlichen Mysteriums verliert sich<br />

die Spur direkt wieder. Erst als sie 1811 an einen privaten<br />

Kunstsammler verkauft wird, stößt man erneut auf diese<br />

Skulptur. Doch damit ist der Irrweg dieses « Trauernden »<br />

immer noch nicht beendet. Zwei Jahre später, 1813, gerät<br />

er in den Besitz einer Pariser Familie, wo er fast 200 Jahre<br />

lang verbleibt,<br />

ohne Aufsehen zu<br />

erregen.<br />

2013 kommt<br />

allerdings Bewegung<br />

in die<br />

Angelegenheit.<br />

Zu diesem Zeitpunkt<br />

erben drei<br />

Wo kann man den<br />

« Trauernden <strong>Nr</strong>. 17 »<br />

(und all die anderen)<br />

besichtigen?<br />

Musée des Beaux-Arts<br />

de Dijon<br />

Palais des Ducs et des Etats<br />

de Bourgogne<br />

Geöffnet täglich außer<br />

Dienstag.<br />

Der Zutritt zu den<br />

Dauerausstellungen,<br />

darunter der Saal mit den<br />

Grabmälern der Herzöge<br />

von Burgund und den<br />

Pleurants, ist kostenlos.<br />

www.beaux-arts.dijon.fr<br />

Schwestern in<br />

Paris den Pleurant<br />

No. 17, ohne den<br />

Hintergrund und<br />

die Geschichte der<br />

Statuette zu kennen.<br />

Sie lassen die<br />

Skulptur von Sachverständigen<br />

schätzen und erfahren zu ihrer großen Freude,<br />

dass diese fast 3 Millionen Euro wert ist! Da die drei<br />

Erbinnen das große Geschäft wittern, begleichen sie 2014<br />

anstandslos die Erbschaftssteuer, werden damit – vermeintlich<br />

– rechtmäßige Besitzerinnen des Schatzes und<br />

vertrauen das wertvolle Stück dem renommierten Auktionshaus<br />

Pierre Bergé an, um es versteigern zu lassen.<br />

Gemäß den gesetzlichen Vorschriften<br />

beantragt das Auktionshaus beim<br />

französischen Staat eine Ausfuhrgenehmigung,<br />

ein unerlässliches Dokument<br />

im Hinblick auf einen möglichen<br />

Verkauf ins Ausland. Die Antwort lässt<br />

nicht lange auf sich warten und ist für<br />

die Erbinnen eine herbe Enttäuschung.<br />

Anstatt der gewünschten Genehmigung<br />

erhalten sie vom Staat postwendend<br />

die Aufforderung, das Werk auszuhändigen,<br />

denn die drei Schwestern<br />

sind – wenngleich « unschuldig » – in<br />

den Besitz einer Sache gelangt, die « öffentliches<br />

Eigentum » ist. Im Klartext:<br />

Die Statuette ist seit dem Dekret von<br />

1789 staatliches Eigentum, deshalb<br />

muss sie an den Staat zurückgegeben<br />

werden.<br />

Es folgt eine lange juristische Auseinandersetzung.<br />

Die Schwestern sind nicht gewillt, sich etwas wegnehmen<br />

zu lassen, was sie als ihr Eigentum ansehen. Es gibt<br />

Urteile und Berufungen, im Laufe der Jahre geht die<br />

Angelegenheit bis vor den obersten französischen Verwaltungsgerichtshof,<br />

nämlich den Conseil d’État. Da der<br />

französische Staat über stichhaltige Beweise verfügt, die<br />

eine Rückforderung des Werkes stützen, bestätigt die<br />

oberste Gerichtsbarkeit am 21. Juni 2018, dass der Pleurant<br />

No 17 « öffentliches Eigentum » ist, und zwar « unveräußerlich<br />

und unverjährbar ». Am 11. Juli 2020 wird das<br />

Urteil schlussendlich umgesetzt und die Skulptur an die<br />

Stadt Dijon zurückgegeben,<br />

wo sie nach<br />

mehr als 200-jähriger<br />

Abwesenheit<br />

ihren Platz zu Füßen<br />

des Grabmals wieder<br />

einnimmt. Die Trauernden<br />

sind wieder<br />

(nahezu) vereint,<br />

denn noch immer<br />

fehlen sieben von<br />

ihnen: Vier befinden<br />

sich heute in den<br />

Vereinigten Staaten,<br />

im Cleveland<br />

Museum of Art,<br />

drei sind nach wie<br />

vor verschollen …<br />

Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!