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Nr. 83 - Sommer 2022

Mont Saint-Michel: die Geheimnisse des "Gefängnisbergs" Drôme: die Schönheit der Dörfer Okzitanien: Céret, das "Mekka des Kubismus" Territoire de Belfort: die Stärke der Kleinen

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Drôme: die Schönheit der Dörfer
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simples Leintuch auf Wolle. Ein Land, das in der Lage<br />

war, qualitativ hochwertige Wolle in großen Mengen zu<br />

produzieren, hatte demnach einen klaren wirtschaftlichen<br />

Vorteil. Spanien spielte in dieser Beziehung eine<br />

herausragende Rolle in Europa. Die extrafeine Wolle der<br />

spanischen Merinoschafe war bei Weitem die wertvollste<br />

und weckte demzufolge Begehrlichkeiten. Das wusste die<br />

königliche Macht dort nur zu gut, denn die Wollexporte<br />

in die großen Tuch erzeugenden Länder Europas brachten<br />

ihr ein kleines Vermögen ein. Insofern musste man die<br />

Herden äußerst sorgfältig beschützen und die Grenzen<br />

genau überwachen. Kein einziges Schaf durfte den spanischen<br />

Boden verlassen, das war offiziell verboten! Diese<br />

Politik war ganz und gar nicht nach dem Geschmack der<br />

Europäer, am wenigsten der Franzosen. Die französischen<br />

Hersteller und Händler hatten sich bereits zum großen<br />

Teil auf die Herstellung erlesener Textilien konzentriert<br />

und daher einen besonders hohen Bedarf an hochwertiger<br />

Wolle aus Spanien. Der Import dieses Rohstoffs war<br />

jedoch sehr teuer. Logischerweise hätte man es vorgezogen,<br />

die Wolle direkt in Frankreich zu produzieren, doch<br />

dazu war es notwendig, in den Besitz einiger spanischer<br />

Merinoschafe zu kommen. Das war der Auslöser für eine<br />

diplomatische Aktion auf höchstem Niveau.<br />

Die Ersten sind nicht zwangsläufig die Erfolgreichsten<br />

Tatsache war, dass alle bedeutenden Nationen im 18.<br />

Jahrhundert auf die Merinoherden des spanischen Hofes<br />

schielten. Einigen diplomatisch besonders geschickten<br />

Ländern – Schweden (1723), Sachsen (1764) und Österreich<br />

(1770) – gelang es sogar, Spanien davon zu überzeugen, ihnen<br />

Tiere zu überlassen. Sie hofften, damit ihren eigenen<br />

Schafsbestand nach und nach durch Kreuzungen zu « merinosieren<br />

». Doch das spanische Königreich war nicht auf<br />

den Kopf gefallen: Man schickte weder die für die Reproduktion<br />

geeignetsten Tiere noch eine ausreichende Anzahl,<br />

um die ausländischen Tierbestände wirklich zu verbessern.<br />

Mit Frankreich lief die Angelegenheit jedoch etwas anders.<br />

Das Land gehörte zwar nicht zu den Ersten, die den Versuch<br />

starteten, Spanien zur Herausgabe von Merinoschafen<br />

zu bewegen, doch es bereitete sich am besten vor und brachte<br />

dafür neben Gelehrten und diplomatischen Fähigkeiten<br />

eine « Geheimwaffe » ins Spiel: die verwandtschaftlichen<br />

Beziehungen zwischen Ludwig XVI. und Karl III. von<br />

Spanien (1716-1788). Nach einem ersten gescheiterten<br />

Versuch durch « gewöhnliche » französische Abgesandte<br />

wandte sich Ludwig XVI. selbst an seinen Cousin, der sich<br />

einverstanden erklärte, Merinoschafe nach Frankreich zu<br />

Frankreich erleben · <strong>Sommer</strong> <strong>2022</strong> · 51

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