Nr. 83 - Sommer 2022

UNTERWEGS IN FRANKREICH Île-de-France / Yvelines
schers Louis Jean-Marie Daubenton (1716-1799) stützen
konnte, die Herde wieder auf die Beine zu bringen. Und
die spanischen Schafe begannen, sich in Rambouillet zu
akklimatisieren.
Merino: ein Schaf, das Begehrlichkeiten weckt
Was machte diese spanischen Schafe überhaupt so interessant,
dass man ihnen eine so große Aufmerksamkeit
und intensive Pflege zukommen ließ? Um das zu verstehen,
muss man sich den Kontext der damaligen Zeit etwas
genauer ansehen. Mitte des 18. Jahrhunderts war die Entwicklung
des internationalen Handels in vollem Gange
und es entstanden zwangsläufig die ersten Konkurrenzkämpfe
zwischen den Ländern. Die größten, diejenigen,
die vom Geist der Aufklärung geprägt waren, begeisterten
sich für Wirtschaft und Wissenschaft, was in Industrie
und Landwirtschaft zur Entstehung von Manufakturen
und neuen Produktionstechniken führte. Die Wollindustrie
war zu dieser Zeit ein Wirtschaftssektor ersten
Ranges. Wolle war ein Rohstoff, der aus dem täglichen
Leben der Menschen nicht wegzudenken war und stellte
bei Weitem den größten Anteil an den Herstellungskosten
von Kleidung und Gebrauchsgütern wie Laken dar. Am
Vorabend der Französischen Revolution entfielen vermutlich
bis zu 60 % und mehr der Produktionskosten für ein
Oben: Wollmuster, die aus der kaiserlichen Schäferei in Arles stammen. Abbildung von Merinoschafen vor der Schäferei in Rambouillet
aus dem Jahr 1873. Kaiserliches Dekret vom 8. März 1811, mit dem die Kreation von Depots reinrassiger Merinowidder angeordnet
wurde. Unten: Fotografie aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit Merinoschafen und Schäfern in Rambouillet. Rechte
Seite: Tafel mit Wollmustern von Merinos aus den Jahren 1786 bis 1822. Anhand solcher Tafeln konnte man die Merinowolle über
mehrere Jahre vergleichen. Bei den Weltausstellungen ab 1850 dienten sie als « Schaufenster » der Bergerie de Rambouillet.
50 · Frankreich erleben · Sommer 2022