Nr. 83 - Sommer 2022

UNTERWEGS IN FRANKREICH Auvergne-Rhône-Alpes / Drôme
Wie erhält ein Dorf das Label « Les plus beaux Villages de France »?
Die Vereinigung Les plus beaux Villages de
France wurde vor 40 Jahren gegründet
und arbeitet vollkommen unabhängig. Sie
erhält rund zehn Bewerbungen pro Jahr.
Im Durchschnitt führen fünf davon zur
Klassifizierung. Ein Dorf, das einen Antrag
stellt, muss einen genau definierten
Selektionsprozess durchlaufen, der bis
zu einem Jahr dauern kann: Vorauswahl
auf Basis der eingereichten Unterlagen,
Begutachtung vor Ort, Abstimmung
in der zuständigen Fachkommission,
offizielle Auszeichnung. Im Rahmen
von Vorauswahl und Bewertung vor
Ort werden insgesamt 30 Kriterien
berücksichtigt.
3 Vorauswahlkriterien
Dabei handelt es sich um Aus schlusskriterien,
auf deren Basis über die Annahme
der Bewerbung entschieden wird.
So muss der Ort einen ländlichen Charak
ter und darf demzufolge nicht mehr
als 2000 Einwohner haben. Auf seinem
Gebiet muss es mindestens zwei geschütz
te Denkmäler geben und die Motivation
der gesamten Gemeinde für die
Bewerbung muss durch einen Ge mein derats
beschluss nachgewiesen werden.
27 Evaluationskriterien
Anhand dieser Kriterien wird vor Ort die
Qualität des Dorfes bewertet. Sie teilen
sich in drei große Kategorien auf.
In der ersten Kategorie geht es um
Kulturgüter des Dorfes, die bereits
offiziell als schützenswert klassifiziert
wurden. Dabei werden fünf sehr
spezifische Kriterien herangezogen, da
Einstufung und Schutz von Denkmälern
in Frankreich sehr differenziert erfolgen
(Monument historique, Monument
classé, Monument inscrit, Patrimoine
remarquable …).
Die zweite Kategorie umfasst
städte bauliche (4 Kriterien) und
architektonische Merkmale (6 Kriterien).
Im Hinblick auf die städtebaulichen
Eigen schaften geht es um die Um gebung
und den Zugang zum Dorf, die Di mensionen
der Gebäude und die Häuserdichte,
die Homogenität der Gebäude
sowie um Umfang und Vielfalt des
Verkehrs wege netzes. Bei den archi tekton
ischen Eigenschaften wird Wert auf
Har monie und Homogenität gelegt, und
zwar der Gebäude als solche sowie der
Materi alien und Farben von Dächern und
Fas saden. Positiv fallen darüber hinaus
archi tek tonische Details ins Gewicht.
In der dritten Kategorie werden
schließlich 12 Kriterien
bewertet, die zur Aufwertung
des Dorfes
bei tragen. Wichtige
Punk te sind zunächst
die städteplanerische
Politik (Gibt es eine
dies bezügliche Do kumen
tation? Welche
Politik ver folgt die
Gemeinde hin sicht lich
der Dorfent wicklung?)
und deren Qualität. Weitere Kriterien
betref fen das Gesamtbild des Dorfes.
Be wertet werden daher die Qualität der
Gebäudesanierung, die Gestaltung des
öffentlichen Raums, der Umgang mit
Schildern und Werbeflächen (Gelingt
es, die Werbe- und Schilderflut einzu
dämmen?), die Begrünung und
Bepflanzung mit Blumen sowie die
Ästhetik des Beleuchtungskonzepts
allgemein und die lichttechnische
Hervorhebung von Kulturgütern im
Besonderen. Weitere Aspekte, die in
den Bereich der Ästhetik fallen – jeder
Frankreichurlauber weiß das nur zu
gut – ist die Frage, ob es gelungen
ist, die unschönen Strom- und
Telefonleitungen so unauffällig wie
möglich zu verlegen. Zuletzt werden
Kriterien herangezogen, die die
Themen Verkehr und Parken betreffen:
Wie ist der Verkehrsfluss organisiert?
Gelingt es, das Verkehrsaufkommen
zu beherrschen? Wie ist es um die
Parkmöglichkeiten bestellt und wie wird
der Parksuchverkehr kanalisiert?
Ein Dorf, welches das
Label erhalten hat, wird
alle sechs bis neun Jahre
erneut begutachtet, um die
Kriterien zu überprüfen. Die
Liste der 164 « schönsten
Dörfer Frankreichs » ist
unter folgendem Link
abrufbar: www.les-plusbeaux-villages-de-france.
org/fr/nos-villages/
44 · Frankreich erleben · Sommer 2022