HANSA 07-2022
RoLo-Neubau · ISF-Tagung · Stena Bulk · Abwasser · Bergung · Schlepper-Wettbewerb · Schiffsmakler-BBQ · Schifffahrtsessen 2022 · 130 Jahre Hurtigruten · Louis Dreyfus
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»Schifffahrt schafft Sicherheit«<br />
Die Schifffahrt sieht den Standort Deutschland gut aufgestellt – aber auch vor großen Herausforderungen.<br />
Unternehmerische Initiative, politischer Mut und Kreativität seien gefragt, hieß es<br />
beim diesjährigen Schifffahrts-Essen des Nautischen Vereins zu Hamburg. Von Jens Meyer<br />
Ob die politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen,<br />
denen deutsche Reedereien derzeit und in den kommenden<br />
Jahren begegnen, als Chance für die Seeverkehrswirtschaft genutzt<br />
werden, hängt letztendlich von uns selbst ab, von unternehmerischen<br />
Initiativen, aber insbesondere auch von wirtschaftlichen<br />
Weichenstellungen in der deutschen und europäischen<br />
Politik«, betonte Martin Kröger, Hauptgeschäftsführer<br />
des Verbandes Deutscher Reeder, vor den rund 390 Gästen<br />
des traditionellen Schifffahrts-Essen des Nautischen Verein zu<br />
Hamburg, das nach fast zweieinhalbjähriger pandemiebedingter<br />
Pause am 14. Februar im Hotel »Grand Elysee« stattfand.<br />
Souveränität und Selbstbestimmung<br />
In seiner wegen ihres Faktenreichtums und der daraus resultierenden<br />
Schlussfolgerungen mit großem Beifall bedachten Festrede wies<br />
Kröger unter anderem darauf hin, dass viele erst in der Hochphase<br />
der zweijährigen Pandemie und dann folgend in den letzten Monaten<br />
des Krieges in der Ukraine oder durch die Virus-Attacke auf das<br />
Computersystem einer der weltgrößten Containerschiff-Reedereien<br />
sowie die durch wochenlange Hafenschließungen zum Beispiel in<br />
China verursachten Containerschiffsstaus die Verletzlichkeit der<br />
Schifffahrt, des wichtigsten Transportmittels in der Lieferkette, bemerkt<br />
und erkannt hätten. Vielen sei erst da klar geworden, warum<br />
Schifffahrt für Deutschland eigentlich wichtig ist, und dass es dem<br />
eigenen Interesse diene, einen starken, wettbewerbsfähigen und erfolgreichen<br />
Schifffahrtsstandort im eigenen Land zu wissen. »Denn<br />
Schifffahrt schafft Sicherheit. Versorgungssicherheit. Die Sicherheit,<br />
einen Zugang zur See zu haben und am Welthandel teilzunehmen.<br />
Die Sicherheit Energie importieren zu können. Die Sicherheit der<br />
Eigenständigkeit der Wirtschaft und der Auflösung von Abhängigkeiten<br />
von Einzelinteressen oder einzelnen Staaten. Schifffahrt bietet<br />
Souveränität und Selbstbestimmung«, so Kröger. Er wies darauf<br />
hin, dass sich unter den seit dem Kriegsausbruch in ukrainischen<br />
Häfen festliegenden 86 Schiffen auch drei Schiffe unter deutscher<br />
Bereederung befinden, deren Besatzungen zum Teil unter »abenteuerlichen<br />
Bedingungen« in Sicherheit gebracht werden konnten.<br />
Trotz wiederholten Appellen rechne er nicht mit einem kurzfristigen<br />
Freikommen der Schiffe.<br />
Mit der Rückkehr des Krieges nach Europa werde der strategische<br />
Kompass und damit der sicherheitspolitische Kurs und die<br />
Einbettung der Schifffahrt darin neu bestimmt. In der EU müssten<br />
nicht nur die militärische und seegestützte Handlungsfähigkeit<br />
und Bereitschaft erhöht, sondern die gesamte Resilienz gestärkt<br />
werden. Das beinhalte insbesondere widerstandsfähige<br />
Transportwege und Transportträger, also eine resiliente deutsche<br />
Handelsflotte sowie einen widerstandsfähigen Schifffahrtstandort<br />
Deutschland, was unter anderem auch den Zugang zur digitalen<br />
Sphäre an der Schnittstelle zwischen Land und See einschließe.<br />
Krise erst einmal abgehakt<br />
Auch wenn der Schifffahrtsstandort Deutschland während der<br />
zehnjährigen Zeit der Schifffahrtskrise 1.700 Schiffe – vorwiegend<br />
mittelständischer Reedereien – verloren habe, sei in den vergangen<br />
beiden Jahren endlich wieder Stabilität in die Schifffahrtsmärkte<br />
zurückgekehrt, mit guten Ertragsaussichten vor allem in der Container-,<br />
Bulk- und Stückgutfahrt. So könne man die Krise, auch vor<br />
dem Hintergrund eines derzeit gesunden Wachstums und zahlreicher<br />
Projekte, wohl erst einmal als abgehakt ansehen. Nach wie vor<br />
sei Deutschland mit seinen 1.900 Schiffen eine der wichtigsten<br />
Schifffahrtsnationen der Welt und ein wettbewerbsfähiger Schifffahrtsstandort,<br />
von dem aus mit etwa 700 Containerschiffen unter<br />
anderem die zweitgrößte Containerschiffsflotte der Welt bereedert<br />
wird und in dem rund 70 % aller Zeitcharterverträge für Containerschiffe<br />
geschlossen werden. Allerdings dürften ein bis zwei gute<br />
Jahre nach Ansicht Krögers nicht reichen, um die Herausforderungen<br />
zu meistern, vor denen die deutsche Handelsflotte steht. Zu den<br />
größten Investitionsnotwendigkeiten gehöre die Umsetzung der<br />
Transformation der Schifffahrt zu einem klimaneutralen Verkehrsträger<br />
innerhalb der nächsten 30 Jahre. Um das Ziel zu erreichen,<br />
brauche man eine Revolution bei den Treibstoffen. Kröger sieht in<br />
E-Fuels, die im sogenannten Power-to-Liquid-Verfahren CO 2 -neutral<br />
hergestellt werden, auch im Interesse einer schnellen Markteinführung<br />
das Mittel der Wahl, weil dafür die bestehende Bunkerinfrastruktur<br />
genutzt werden kann und sie überwiegend auch in den<br />
heutigen Schiffsmotoren funktionieren. Angesichts der benötigten<br />
Mengen, der Verfügbarkeit und des Preises werde es aber ohne<br />
staatliche Unterstützung schwierig.<br />
Die Schifffahrt sei sich ihrer Verantwortung bewusst und wolle<br />
ihren Beitrag zu einem klimaneutralen Schiffsverkehr leisten, könne<br />
die Aufgabe aber nicht allein stemmen. Die Branche stoße bei<br />
der als »vierte Revolution« nach dem Segel-, Kohle- und Schweröloder<br />
Dieselantrieb anzusehenden Dekarbonisierung an ihre Grenzen.<br />
Deshalb müssten alle Beteiligten – Politik, Mineralölbranche,<br />
Motorenhersteller, Forschung und Häfen – mit an Bord sein, so<br />
20 <strong>HANSA</strong> – International Maritime Journal 06 | <strong>2022</strong>