S - Theologische Fakultät - Universität Heidelberg
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Lehrauftrag für feministische Theologie<br />
DR. ELSDÖRFER<br />
S<br />
Mi 16-18 Uhr<br />
Öinst<br />
Frauen im Bereich des Islam<br />
»Gleichstellung« ist ein Begriff, den der Islam im Kontext der Beziehungen zwischen Männern und<br />
Frauen in der Religion und der Gesellschaft kennt. »Gleichberechtigung« dagegen ist ihm nicht<br />
geläufig.<br />
Der in Europa und Amerika – oft auf dem Kontext der Absetzung und des Kampfes mit dem<br />
Christentum – entwickelte Begriff der »Gleichberechtigung« impliziert alle Rechte der Frauen,<br />
sämtliche Rollen in der Gesellschaft ausüben zu können, die auch Männer ausüben können.<br />
Da in vielen islamischen Ländern die Religion stärker die gesellschaftlichen Normen bestimmt, als<br />
das im christlichen »Westen« mit seiner weitgehenden Trennung von Religion und Gesellschaft der<br />
Fall ist, gelten die religiösen Normen, die Mohammed in seiner Zeit aufgestellt hat, oft noch heute<br />
– nicht nur in Bezug auf die Frauen.<br />
Mohammed war ein Prophet der »Gerechtigkeit Allahs«, und so konnten zwar Frauen zu seiner<br />
Zeit durchaus Geld besitzen, ein Geschäft ausüben - Mohammeds erste Frau Chadidscha war eine<br />
erfolgreiche Geschäftsfrau – aber als Regel galt: Männer sind physisch stärker, ihre Aufgabe ist,<br />
die Frauen und Familien zu beschützen und zu ernähren – und deshalb erbten Männer mehr aus<br />
dem Familienerbe als die Frauen; schließlich oblag den Männern die Erhaltung der Familie.<br />
Im 19. Jahrhundert wurde von ägyptischen Sozialreformern gefordert, islamische Frauen zu<br />
höheren Schulen und öffentlicher Bildung zuzulassen, später auch das <strong>Universität</strong>sstudium in<br />
einigen islamischen Ländern legalisiert. Das Argument war: In den Händen der Frauen liegt die<br />
Bildung der nächsten Generation, und so muss alles daran gesetzt werden, dass die islamischen<br />
Frauen selbst gebildet sind, sonst verkümmert die Gesellschaft.<br />
Frauen und Familie – ein gesellschaftlicher Grundpfeiler im Islam – werden besonders<br />
aufmerksam verfolgt in den Augen des »Westens«. Mit Schleier und »Restriktionen« versehen<br />
scheinen Frauen hier zu verkümmern. Diesem Bild aber hält die sich ständig wandelnde<br />
»islamische Welt« so nicht stand. Frauen in der Türkei, im Iran, in Pakistan können studieren,<br />
Berufe ausüben – »gleichberechtigt« sind sie sicher in der Gesellschaft nicht, aber den Männern<br />
»gleichgestellt«, vor den Augen Allahs, im Sinne der Begriffe von Gerechtigkeit, die der Koran<br />
nahe legt.<br />
»Manche Fragen der westlichen feministischen Bewegung würden islamische Frauen nicht<br />
aufwerfen«, so schreibt Hamideh Mohagheghi in der Betrachtung meines Buches »Frauen in<br />
Christentum und Islam«, »die islamische Welt ist befangen von der Liebe zur Vergangenheit« – so<br />
schreibt Fatima Mernisssi, die wohl berühmteste Vordenkerin eines »islamischen Feminismus«-<br />
UNO – Beauftragte für Frauenfragen und marokkanische Soziologie-Professorin.<br />
In meinem Seminar möchte ich, ausgehend von meiner eigenen historischen und aktuellen Studie<br />
zur Situation von Frauen im Islam, islamischen »Feminismus« zu Wort und persönlicher<br />
Darstellung kommen lassen. Die Verwurzelung in der Kultur und Religion ist mir dabei genauso<br />
wertvoll wie die aktuelle politische und soziologische Betrachtung der Situation von Frauen in<br />
divergierenden islamischen Gesellschaften – vor allem geht es aber auch um die Situation<br />
islamischer Mitbürgerinnen in Deutschland, ihr Selbstverständnis und ihre religiöse, politische und<br />
kulturelle Verwurzelung.