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BS 02-2023

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SCHIFFFAHRT<br />

Zu viele Daten führen zu Problemen<br />

Die niederländische Wasserstraßenverwaltung »Rjkswaterstaat« leitet ein Projekt zum<br />

besseren Datenaustausch zwischen Schiffen. Automatische Kurssysteme können Risiken<br />

minimieren, eine endgültige Lösung aber braucht noch Zeit. Von Hermann Garrelmann<br />

Die Annahme: Schiffe kommunizieren<br />

untereinander und ohne<br />

menschliches Zutun über ihre Route<br />

und ihr Ziel. Welche Konsequenzen das<br />

haben kann, sollte in der Simulatorstudie<br />

des Instituts Marin erarbeitet werden.<br />

Dazu tauschten die Trackpiloten Informationen<br />

über ihre Fahrabsichten aus, so<br />

dass die anderen Schiffsführer in dem<br />

Revier die Absichten der anderen an der<br />

Studie beteiligten Schiffe erkennen konnten.<br />

Ziel war es zu ermitteln, ob die Binnenschifffahrt<br />

dadurch sicherer und effizienter<br />

werden kann.<br />

»Annahmen sind immer die Grundlage<br />

für ein Versagen«, formuliert es Projektleiter<br />

Patrick Potgraven recht drastisch.<br />

»Wenn Schiff A annimmt, dass<br />

Schiff B dieses tut, aber Schiff C denkt,<br />

dass Schiff B etwas anderes macht, dann<br />

wird es wahrscheinlich zu einem Zwischenfall<br />

kommen. Wenn ein Schiff dagegen<br />

automatisch einem anderen Schiff<br />

mitteilt, was es vorhat, kann das einfacher<br />

und zuverlässiger sein, als wenn<br />

der Schiffsführer dies selbst tut.«<br />

Etwa 6 % der Flotte, das sind etwa 500<br />

bis 600 Schiffe, arbeiten den Angaben zufolge<br />

bereits mit einem Trackpiloten, also<br />

einer Software-Lösung. Diese bekommt<br />

vor Fahrtbeginn einen Start- und einen<br />

Zielpunkt vorgegeben und berechnet<br />

dann die beste Route. Dabei wird das<br />

Kurssystem mit dem Ruder verbunden.<br />

Auf der Route wird eine Reihe von Wegpunkten<br />

gesetzt, die das Schiff passieren<br />

muss. Die Information wird automatisch<br />

mit anderen Schiffen geteilt. Allerdings<br />

bleibe der Schiffsführer bei aller Unterstützung<br />

letztendlich verantwortlich.<br />

»Das System ist eine Hilfe, aber übernimmt<br />

nicht die Verantwortung«, so Potgraven.<br />

Die liege weiter beim Skipper.<br />

Laut Colin Guiking, Leiter der Studie<br />

bei Marin, können Unwissenheit und falsche<br />

Annahmen immer wieder zu Missverständnissen<br />

und in der Folge zu Zwischenfällen<br />

führen. Automatische Systeme<br />

seien also durchaus in der Lage, Unfälle<br />

zu verhindern.<br />

Marin hatte eine Reihe von Fahrszenarien<br />

simuliert, bei denen zwei<br />

»Automatisierte Systeme sind eine Hilfe, aber übernehmen nicht verantwortlich«, sagt Patrick Potgraven<br />

Gruppen von drei Skippern in einem Simulator<br />

fuhren. Eine Gruppe fuhr mit einem<br />

Streckenlotsen, der die Informationen<br />

teilte, die andere Gruppe ohne. Zudem<br />

sei ein Eye-Tracker verwendet worden,<br />

um das Auge des Skippers zu verfolgen.<br />

Die Skipper fuhren auf 110 m-Schiffen.<br />

In einem Szenario ging es um eine<br />

stark befahrene Kreuzung, in einem anderen<br />

um ein aufgelaufenes Schiff mitten<br />

auf der Wasserstraße. Eine bessere Kommunikation<br />

habe tatsächlich zu mehr Effizienz<br />

und Sicherheit geführt, heißt es.<br />

Mit Argonics war auch ein führender<br />

Entwickler entsprechender Softwarelösungen<br />

anwesend, die in den Niederlanden<br />

von Alphatron vertrieben werden.<br />

»Wir haben bereits rund 250 Systeme<br />

verkauft«, berichtete Alexander Lutz, Inhaber<br />

von Argonics. Das Wachstum sei<br />

signifikant.<br />

Zudem ist Argonics auch am deutschen<br />

Projekt SciPPPer beteiligt, bei dem<br />

Schiffe automatisch durch Schleusen geleitet<br />

werden können. Nach der Pilotphase<br />

mit seinem System hat Lutz festgestellt,<br />

dass der schwierigste Teil darin besteht,<br />

dass man nicht vorhersagen könne, was<br />

Schiffe tun, die nicht mit diesem System<br />

ausgestattet sind. Eine Erfahrung, die<br />

auch das Team von Shipping Technology<br />

(ST) bestätigen konnte.<br />

Ein großes Risiko, so beschreiben es<br />

die beteiligten Parteien, besteht zudem<br />

darin, dass dem Skipper zu viele Informationen<br />

angezeigt würden. Es sei daher<br />

wichtig, dass nur die relevanten Informationen<br />

herausgefiltert werden.<br />

Dafür braucht es eine gemeinsame Plattform<br />

für den Datenaustausch zwischen<br />

mehreren Schiffen. VDES, das VHF-<br />

Datenaustauschsystem, ist jedoch noch<br />

nicht eingeführt worden und steht erst in<br />

einigen Jahren zur Vefügung. Bis auf weiteres<br />

muss also ein alternatives Kommunikationssystem<br />

verwendet werden.<br />

Die Schiffsführer hatten sich zudem eine<br />

Funktion zur Fahrtvorschau gewünscht.<br />

Dazu hatte Argonics eine Time-<br />

Warp-Funktion entwickelt. Per Knopfdruck<br />

kann der Skipper damit auf dem<br />

Bildschirm »vorspulen« und sehen, wie<br />

die Situation auf der Wasserstraße einige<br />

Minuten später aussieht. »Das begeistertdie<br />

Schiffer am meisten«, sagt Guiking.<br />

Eine marktreife Lösung ist definitiv<br />

noch nicht vorhanden. Unter anderem<br />

müssten Fragen der Datensicherheit und<br />

des Datenschutzes geprüft werden. Rijkswaterstaat<br />

soll daher weiter das Projekt<br />

koordinieren, um sicherzustellen, dass<br />

die Daten künftig besser zwischen den<br />

Systemen der verschiedenen Lieferanten<br />

ausgetauscht werden können. <br />

© Garrelmann<br />

Binnenschifffahrt <strong>02</strong> | 2<strong>02</strong>3<br />

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