Im Tal der BroklandSau
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Es zog sie zur Grünen Bank. Sie ging den kleinen Weg hinter der
Brücke und eine Maus querte ihren Weg. Sie ging einen Schritt
weiter und ein Frosch hüpfte über den Weg. Sie dachte: ‚Nun
fehlt nur noch eine Schlange‘. Sie ging sie zum Kleinen
Birkensee und freute sich über die schönen Seerosen. Ihr Herz
hüpfte. Irgendetwas passierte gerade. Sie ging durch das Birken
Tor und eine Schlange querte ihren Weg. Blaue Feder lachte.
Das waren die Medizingaben gewesen, die sie die letzten Jahre
begleitet hatten – die Maus, die Kröte und die Schlange. Dieses
Jahr hatte sie es mit den Wildsäuen. Sie setzte sich auf die
Grüne Bank und ihr war ganz feierlich zu Mute. Eine kleine
Schnecke im Gras leistete ihr Gesellschaft. Sie ging heim und
noch lange konnte man sie vergnügt grunzen hören. Daheim
wurde sie von den ‚Glorreichen Dreien‘ begrüßt und das
Ferkelkraut leuchtete goldgelb. Ihr kam der Gedanke, dass sie
selbst die Wildsau war. Klamm-heimlich hatte sich die
Wildsauen-Kraft in ihr Leben geschlichen. Noch vor einem Jahr
konnte sie mit dieser Kraft nichts anfangen. Sie fühlte sie nicht.
Nun konnte sie sie spüren – diese Lebendigkeit. Manchmal
wusste sie noch nicht, wie mit ihr umzugehen war, mit dieser
wilden Kraft. Sie war halt noch ein junges Wildschwein. Blaue
Feder wurde bewusst, dass alle Wesen, denen sie begegnete,
Anteile von ihr waren - Energien, Kräfte, die auch in ihr
schlummerten. Manche mehr, manche weniger deutlich. Wenn
sie sie wahrnehmen konnte, dann waren sie auch da.
43. ‚Augenbraue der Venus‘
Immer wieder machte die Schafgarbe auf sich aufmerksam. Sie
wuchs in der Wiese direkt vor ihrem Fenster und fing gerade an
zu blühen. Blaue Feder hatte Angst, dass ihre ‚Jungs‘ bald
wieder mit dem Rasenmäher kamen und so grub sie einige
Schafgarben aus. Sie wusste nicht, ob die Schafgarben
woanders anwachsen würden. Sie hatte gehört, sie wuchsen nur
dort, wo sie wollten.
Beim Ausgraben fiel ihr auf, dass die Schafgarben untereinander
verbunden sind. Botanisch gesehen war es wohl so, dass eine
Mutterpflanze Ausläufer bildet. Manche Ausläufer werden etwas
dicker, färben sich Violett-Rot und an ihrem Ende entspringt eine
neue Pflanze oder manchmal auch nur ein Blättertrieb. Blaue
Feder erinnerte es an ein Netz – wie Menschen, die sich
miteinander verbinden und gegenseitig stärken. Ihre Wurzel
dringt nicht tief in das Erdenreich ein. Sie wurde in der Literatur
auch als ‚Heil aller Welt‘ bezeichnet, weil ihre Heilkraft in viele
Bereiche geht. So wirkt sie sich auch heilend für das Erdenreich
aus. Es scheint so, als ob sie heilende Energien und
Lebenskräfte anziehen kann und ans Erdenreich weitergibt. Im
Garten stärkt sie so andere Pflanzen. Auch auf Blaue Feder hatte
sie diesen Einfluss. Schon bei der ersten Kräuterwanderung, als
Blaue Feder die jungen Schafgarbenblätter probierte, freute sich
ihre Seele. Die Schafgarbe wurde ‚Augenbraue der Venus‘
genannt, weil ihre Blätter gefiedert waren wie Augenbrauen.
‚Garwe‘ hieß der althochdeutsche Gesundmacher, hatten die
Schäfer beobachtet, wie die Schafe Schafgarben fraßen, um
sich damit zu heilen. Ihr lateinischer Name ‚Achillea‘ verwies auf
Achilles, der an der Ferse verletzt wurde. Die Göttin Aphrodite
empfahl ihm, seine Wunde mit Schafgarbe zu heilen. Blaue
Feder spürte zwei Qualitäten – zum einen das sanfte, wärmende
und krampflösende Element und zum anderen, der starke
Stängel in der Mitte, der aufrecht und unbeugsam dastand.
– Ihre ganze Erscheinung spiegelte ihr etwas Ausgleichendes,
das wohl mehr auf seelischer Ebene wirkte.