Im Tal der BroklandSau
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33. Wilde Tulpen
Maifeiertag
Am Morgen erwachte sie aus belebten Träumen. Als sie sich
einen Kaffee machte, sah sie die Kohlmeisen, das Haar holen.
Sie hatte Brauner Bär draußen die Haare geschnitten. Blaue
Feder trank in Ruhe ihren Kaffee, machte sich fertig und zog los.
Die Linden bekamen Blätter. Blaue Feder pflückte sich einige.
Sie liebte frische Lindenblätter. Habt Ihr schon einmal
Lindenblätter gegessen? Probiert sie mal. Ihre herzförmigen
zartgrünen Blätter schmecken sanft und nussig, als würde man
die Liebe selbst verspeisen. Am Rande des Dorfes auf dem Weg
zur Broklandsau, da stand ein kleines Holzhaus. Alle naselang
weht am Fahnenmast dieses Hauses eine neue Fahne. Die
Bewohner müssen wohl Fahnen aus allen Ländern haben.
Manchmal sind es diese kleinen Dinge, die den Unterschied
ausmachen. Eine Frau kam aus dem Haus und strahlte Blaue
Feder an. Manchmal treffen sich Frauen und lächeln sich an, wie
Frauen sich eben anlächeln, wenn sie sich treffen. Dann ging sie
ihres Weges und Blaue Feder den ihren. Es war windstill, die
Fahne hing lautlos am Mast und Blaue Feder kannte sie nicht.
Also ließ sie sich auf ein Abenteuer ein, ohne zu wissen, wohin
es sie führt. Sie tauchte in ein Land ‚Irgendwo im Nirgendwo‘.
Sie ging über ein Hochplateau. Am Wegesrand hörte sie leise
tausend kleine Glöckchen klingen. Dieser Klang war ihr sehr
vertraut. Irgendwie fiel sie aus Zeit und Raum. Es gab wenig, was
ihre Aufmerksamkeit ablenkte. So horchte sie nur auf ihr Herz.
Tiefe Canyons taten sich auf in der trockenen schwarzen Erde.
Ein Fluss schlängelte sich an ihrem Grund. Der Fluss sang sein
Lied, ein Lied für alle ‚Eingeborenen‘.
War sie so eine ‚Eingeborene‘? Ein Kind von Mutter Erde, in
dessen Herzen es keine Grenzen gab. Am Wegesrand lachten
sie ein paar Blumen an. Sie hatte sie hier noch nie gesehen.
Wilde Tulpen, dachte sie bei sich und freute sich über diese
Neuland-Entdeckung.
Im Moor blühte zart-rosa ein wilder Apfelbaum und ein Rehbock
blickte sie an. Blaue Feder saß eine Weile am Großen Mondsee
und sah der Grauen beim Fischfang zu. Langsam ging sie
zurück. Im Garten der Nachbarin erblickte sie eine Tulpe. Dann
stand sie am Fuße der Dorfeiche, dort wo alle ihre Reisen
beginnen und enden.
Und siehe da, unter der Eiche blühten auch ein paar Wilde
Tulpen. Ein Lächeln strahlte über ihr Gesicht. Ein Lächeln wie
‚Eingeborene‘ eben lächeln. So ‚beliebt‘ konnte sie in die neue
Woche starten.
Später las Blaue Feder, dass Tulipa sylvestris die einzige in
Deutschland wild vorkommende Tulpenart war, und sie stand
unter Naturschutz.