HANSA 10-2023
MSC-Einstieg bei HHLA · Niedersachsens Häfen · HullPIC 2023 · Peter Gast Schiffahrtsregatta · Offshore-Marktkompass · VDMA · NMK · London Shipping Week · Methanol-Neubau für Maersk
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SCHIFFSTECHNIK | SHIP TECHNOLOGY<br />
Zeitenwende für den Marineschiffbau?<br />
Seit den großen politischen Ankündigungen wartet auch der Schiffbau auf konkrete Aufträge<br />
von der Bundeswehr. Es geht um viel Geld und umfangreiche Projekte. Grund genug für die<br />
<strong>HANSA</strong>, die Marine im Sondervermögen näher zu betrachten. Von Hans-Uwe Mergener<br />
Eines der Neubau-Projekte: »F126-Fregatte«<br />
Mit der Veröffentlichung eines Zielbildes seiner Marine für die<br />
Jahre nach 2035 ging der Inspekteur der Marine im März<br />
<strong>2023</strong> in eine Art Offensive. In dem Dokument mit dem Titel »Kurs<br />
Marine 2035+« richtet er den Blick nach vorn in eine an den sich<br />
abzeichnenden Bedrohungen orientierte Auslegung der Flotte zu<br />
Wasser und in der Luft. Eine operative Perspektive unter dem Vorbehalt,<br />
dass die benötigten Ressourcen verfügbar werden. Die dargelegte<br />
künftige Struktur der Flotte wird natürlich auch genährt<br />
durch die Erwartungen der Marine an die weitere Entwicklung des<br />
Verteidigungshaushaltes und das Sondervermögen Bundeswehr.<br />
Inzwischen ist die mit der von Bundeskanzler Olaf Scholz am 27.<br />
Februar 2022 proklamierte Zeitenwende eingestellten Euphorie einer<br />
Ernüchterung gewichen. Zweifel ob des Versprechens zum<br />
Einhalten des Zwei-Prozent-Zieles sind nicht nur angesichts der<br />
von Bundesfinanzminister Christian Lindner proklamierten finanzpolitischen<br />
Normalität angebracht. Zwar wird dem Verteidigungsminister<br />
im Jahr 2024 ein Rekordansatz von 51,8 Mrd. €<br />
bereitgestellt. Doch auch mit den zugestandenen 19,2 Mrd. € aus<br />
dem Sondervermögen kommen damit noch immer nicht die für<br />
dem Zwei-Prozent-Ziel entsprechenden 80 Mrd. € zusammen.<br />
Ins Sondervermögen! Marsch, Marsch!<br />
Das Gesetz zur Finanzierung und zur Errichtung eines »Sondervermögens<br />
Bundeswehr« und zur Änderung der Bundeshaushaltsverordnung<br />
vom 1. Juli 2022 sieht für die Marine vor:<br />
• Korvette 130 (Boote 6–<strong>10</strong>)<br />
• Fregatte 126 (Schiffe 1–4)<br />
• Future Naval Strike Missile (FNSM)<br />
• Flugabwehrflugkörper für U-Boot [IDAS]<br />
• Unterwasserortung [Sonix] (Ergänzungsbeschaffung)<br />
• Mehrzweckkampfboote (auf 40 Mio. € gedeckelt)<br />
• Nachfolge Festrumpfschlauchboot (RHIB) <strong>10</strong><strong>10</strong> für KSM<br />
• U 212CD (U 219)<br />
• Drei weitere Seefernaufklärer (somit insgesamt acht)<br />
© Damen Shipyards<br />
Die bereits in den Vorjahren haushälterisch behandelten Vorhaben<br />
Fregatte F126, Ergänzungsbeschaffung K130 (vulgo zweites Los)<br />
und die beiden deutschen Boote aus dem deutsch-norwegischen<br />
Beschaffungsprojekt U212 CD (U 219) sowie die Nachfolge RHIB<br />
<strong>10</strong><strong>10</strong> wurden lediglich aus dem regulären Verteidigungshaushalt,<br />
dem Einzelplan 14, ins Sondervermögen Bundeswehr übertragen.<br />
Dort finden sich mittlerweile auch die Betriebsstoffversorger und<br />
das Flottendienstboot Klasse 424.<br />
Mit dem verabschiedeten Sondervermögen können somit nur<br />
die Mehrzweckkampfboote des Seebataillons und drei weitere Seefernaufklärer<br />
Poseidon P-8A als reale Portfolioergänzung für die<br />
Marine gewertet werden.<br />
Geplatzte Hoffnungen<br />
Spätestens mit der Verabschiedung des Bundeshaushaltes <strong>2023</strong><br />
im Dezember platzten für Träger des dunkelblauen Rocks zwei<br />
Hoffnungen. Die Option für zwei weitere Fregatten der Klasse<br />
126 wird vorerst nicht gezogen und auf spätere Haushaltsjahre<br />
verschoben. Wobei hoffentlich berücksichtigt wird, dass nach<br />
Bauvertrag im Juni 2024 die letzte Frist für eine derartige Operation<br />
ausläuft.<br />
Ebenfalls abgeräumt wurde die Idee, Boote U212A durch weitere<br />
Einheiten U212CD ersetzen zu können. Zwar soll die Bauwerft<br />
Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) auf eine unverbindliche<br />
Anfrage des Bundesministeriums der Verteidigung von<br />
Anfang März 2022 für Termine sowie Kapazitäten weiterer ein<br />
bis sechs U-Boote dieses Typs auch »optimistisch« geantwortet<br />
haben. Allerdings kam es in der Folge zu keiner formalen Angebotsaufforderung.<br />
Stattdessen nur die »Absichtserklärung«,<br />
weitere U212CD in den nächsten Jahren in den regulären Verteidigungshaushalt<br />
aufzunehmen. Dieses Versprechen erneuerte<br />
der Verteidigungsminister Boris Pistorius beim Produktionsstart<br />
U212CD am 12. September <strong>2023</strong> in Kiel.<br />
Was heißt das für Marine und deutschen Schiffbau?<br />
Durch die beschriebene Umschichtung von bereits bewilligten<br />
Vorhaben wanderten etwas mehr als 13 Mrd. € für Rüstungsvorhaben<br />
der schwimmenden und tauchenden Marine aus dem Verteidigungshaushalt<br />
in das Sondervermögen Bundeswehr.<br />
Im Einzelnen: Das Bundeshaushaltsgesetz 2024 (Entwurf)<br />
weist eine Summe von 2,138 Mrd. € für die Beschaffung des zweiten<br />
Loses der Korvette Klasse 130 aus. Aktuell liegt das Projekt<br />
16 % über der Veranschlagung. Für die Fregatte F126 (vier Einheiten)<br />
sind im gleichen Entwurf 4,892 Mrd. € ausgebracht, in einem<br />
früheren belief sich die Investition auf mehr als 5 Mrd. €.<br />
2,036 Mrd. € werden für die (drei) Flottendienstboote Klasse 424<br />
veranschlagt – ein Betrag, der sich nach Insidern aus Berlin mittlerweile<br />
auf einen Gesamtauftragswert (einschließlich der Ausbildungs-Referenzanlagen)<br />
in Höhe von 3,217 Mrd. € gesteigert<br />
hat. Die beiden Betriebsstofftanker schlagen mit 882 Mio. € zu<br />
42 <strong>HANSA</strong> – International Maritime Journal <strong>10</strong> | <strong>2023</strong>