HÄFEN | PORTS Niedersachsen ist bereit und bedürftig Niedersachsens Häfen müssen zum Teil derbe Umschlag-Einbußen verkraften. Landeswirtschaftsminister Olaf Lies nutzte den jüngsten Hafentag in Stade für einen deutlichen Appell an Berlin und andere Landeshauptstädte. Von Michael Meyer Zum 31. Mal trafen sich Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung zum Niedersächsischen Hafentag – dieses Mal in Stade, dessen Hafen aktuell sein 50-jähriges Jubiläum feiert. In Feierlaune waren die Hafenvertreter aber nur bedingt. Das lag zum Einen an der aktuellen Umschlagbilanz, die traditionell zum Hafentag vorgestellt wird. Die Gruppe Seaports of Niedersachsen mit Standorten in Wilhelmshaven, Brake, Stade, Emden, Nordenham, Cuxhaven, Leer, Papenburg und Oldenburg hat im ersten Halbjahr <strong>2023</strong> insgesamt rund 26,17 Mio. t im Seeverkehr umgeschlagen. Damit sank der Umschlag um 2 % im Vergleich zum Vorjahr. André Heim, Geschäftsführer der Hafenmarketinggesellschaft, sagte, angesichts der »derzeit schwachen globalen Nachfrage, in Folge hoher Inflation, gestiegener Zinsen und der sehr hohen Energiepreise aufgrund des Krieges in der Ukraine«, könne man mit dem Ergebnis »unterm Strich zufrieden sein«. Positiv entwickelte sich wenig überraschend der Umschlag flüssiger Massengüter: +15 %. Hier macht sich die neue LNG- Infrastruktur infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine und die Abkopplung von russischen Pipeline-Importen bemerkbar. Ende 2022 war das erste Terminal in Betrieb genommen worden. In Wilhelmshaven wurden bis einschließlich Juni rund 1,5 Mio. t verflüssigtes Erdgas umgeschlagen. Bis Ende des Jahres werden dort weitere 19 LNG-Tanker erwartet. Insgesamt stieg der Anteil flüssiger Massengüter am Gesamtumschlag in Niedersachsen von 48 auf 56 %. Daran lässt sich erkennen, welche Bedeutung das Segment für die Häfen hat. Rückgänge wurden im Bereich der festen Massengüter registriert: 5,49 Mio. t oder rund 25 % wurden hier weniger über die Kaikanten verladen. Der Kohleumschlag sank um 25%. Eine Ursache für das Minus sind die Folgen der Energiekrise. »Während noch zu Beginn des Jahres große Mengen an Kohle umgeschlagen wurden, kam es durch vorübergehende Betriebseinstellungen der Kraftwerke zu rückläufigen Mengen. Auch bedingt durch das hohe Energiepreisniveau in Deutschland war es der energieintensiven Industrie kaum möglich, zu wettbewerbsfähigen Abstract: Lower Saxony is ready and in need Lower Saxony’s ports have to cope with severe cargo losses in some segments. The State Minister of Economics, Olaf Lies, used the recent Ports Day in Stade to make a clear appeal to Berlin and other state capitals. »In die Klimaneutralität reininvestieren und uns aus der Krise rausinvestieren« Olaf Lies Wirtschaftsminister Niedersachsen Preisen zu produzieren, was entsprechende Auswirkungen auf die Umschlagmengen, insbesondere im Seehafen Stade hatte«, heißt es seitens Seaports of Niedersachsen. Allein in Stade wurden rund 1,3 Mio. t weniger umgeschlagen, ein Minus von 47 %. Der Hafen an der Elbe hofft auf positive Effekte wie in Wilhelmshaven: Ein Anleger für verflüssigte Gase ist bereits im Bau. Er soll Umschlagmengen sichern. Insgesamt lassen Heim und seine Kollegen auch die geplanten Projekte für den Import und die Umwandlung von grünem Ammoniak und Wasserstoff »positiv nach vorne blicken«. Einen starken Einbruch gab es auch am JadeWeserPort in Wilhelmshaven. Das Eurogate-Containerterminal meldete einen Rückgang um knapp 16 % auf 293.535 TEU. »Deutliche Einbrüche im weltweiten Fracht- und Containervolumen auf den volumenstarken Fahrtgebieten Asien-Europa, Transpazifik und Transatlantik tragen unter anderem zu diesem Ergebnis bei«, teilten die Verantwortlichen mit. Positiv hingegen der Auto-Umschlag: An Neufahrzeugen rollten in Emden und Cuxhaven im ersten Halbjahr rund 827.000 Einheiten über die Kaikanten – ein Plus von rund 20 %. Wachstum gab es insbesondere im Export nach Großbritannien und im Import aus Südafrika. Für das Segment Stückgut – zu dem auch RoRo- und Containerverkehre gehören – wurde ein Minus von 9 % auf 6,33 Mio. t gemeldet. Immer wichtiger wird der Umschlag von Komponenten für Windparks. Dafür sind aber zusätzliche Flächen nötig. Michael de Reese, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Niedersächsische Seehäfen, betonte: »Die niedersächsischen Seehäfen sind bereit, einen entscheidenden Beitrag zum Ausbau der Windenergie zu leisten. Um die Ausbauziele bis 2030 zu erreichen, sind jedoch umfangreiche Investitionen in die Seehafeninfrastruktur notwendig.« Er appellierte an den Bund, Verantwortung zu übernehmen und die nötigen Rahmenbedingungen für die Umsetzung der Energiewende zu schaffen, dann könnten die Häfen den von einer neuen Studie belegten Bedarf von 200 bis 275 ha Flächen decken. »Nationale Aufgabe« Aus Sicht von Seaports-Geschäftsführer Heim gehören zu den besseren Rahmenbedingungen unter anderem Investitionen in Ausbau und Erhalt von Bahnanbindungen und Wasserstraßen, er nannte Projekte wie die Fahrrinnenanpassungen der Außen- und Unterweser sowie der Außenems als Beispiele. Der Bund müsse sich stärker bei der Finanzierung der Hafeninfrastruktur einbringen. Ein weiterer Kritikpunkt: Die deutsche Einfuhrumsatzsteuer schränke die Wettbewerbsfähigkeit der Häfen gegenüber europäischen Konkurrenten ein. 64 <strong>HANSA</strong> – International Maritime Journal <strong>10</strong> | <strong>2023</strong>
H1| <strong>2023</strong>: Flüssiges Massengut: 25,88 Mio. t; 56% H1|22: 48% Gütergruppen bei Seaports of Niedersachsen H1|22 24% H1|22 28% H1| <strong>2023</strong>: Stückgüter (inkl. RoRo & TEU): 13,57 Mio. t; 24% H1| <strong>2023</strong>: Festes Massengut: 14,98 Mio. t; 20%