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neue perspektiven? kreative kammerpunkte?

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Systemische Therapie/Familientherapie<br />

„lange Kurzzeit-Therapien“ angesehen<br />

werden können.<br />

Setting-Vielfalt: Behandlungen können<br />

auch als Systemische Einzeltherapie (Bertrando<br />

& Boscolo, 2000), Systemische<br />

Paartherapie (Jones & Asen, 2002; Welter-<br />

Enderlin & Jellouschek, 2002) aufsuchende<br />

Familientherapie (Pittmann et al., 1966;<br />

Conen, 2002), als multisystemische Netzwerk-Therapie<br />

(Henggeler & Swenson,<br />

2005) und im Einzelfall in großen Netzwerk-Treffen<br />

(Speck & Attneave, 1973), als<br />

Multi-Familien-Therapie (Laqueur, 1969;<br />

Asen et al., 2001) oder als Systemische<br />

Gruppentherapie (Schmidt, 2001; Gerland,<br />

2006) durchgeführt werden.<br />

Stationäre Konzepte: In der stationären<br />

Psychiatrie kann das Verfahren als gemeinsame<br />

Behandlungsphilosophie ganzer<br />

Aufnahmestations-Teams genutzt werden.<br />

Im Projekt SYMPA („Systemtherapeutische<br />

Methoden psychiatrischer Akutversorgung“)<br />

wurden der regelmäßige Einbezug<br />

der Familien als Behandlungs-Mitplaner,<br />

eine systemische Fallbesprechungskultur<br />

(teilweise in Anwesenheit der Patienten)<br />

sowie das Verhandeln mit den Patienten<br />

über Therapieziel und -planung, Medikation,<br />

Diagnose und Entlassbrief durch eine<br />

gemeinsame Weiterbildung und ein Manual<br />

in mehreren Versorgungskrankenhäusern<br />

implementiert (Schweitzer et al.,<br />

2007). Vergleichbare Konzepte liegen für<br />

die stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie<br />

(Rotthaus, 1998) und die stationäre<br />

Psychosomatik vor (Schmidt, 2001).<br />

5. Indikation und Kontraindikation<br />

In der Systemischen Therapie/Familientherapie<br />

sind eher adaptive als selektive<br />

Indikationsentscheidungen typisch. Es wird<br />

weniger gefragt, für welches Störungsbild<br />

oder welches aktuelle Probleme welche<br />

Methode angemessen ist, sondern eher,<br />

wie das Setting (Teilnehmerzahl, Sitzungsabstände,<br />

Gesprächsthemen) auf dieses<br />

Therapiesystem inklusive Störungsbild und<br />

aktuellen Problemen zugeschnitten werden<br />

müsste. Aufgrund dieser ausgeprägten<br />

Setting-Flexibilität lassen sich für Systemische<br />

Therapie insgesamt nur schwer<br />

12<br />

absolute Indikationen wie Kontraindikationen<br />

benennen – Teilnehmerspektrum<br />

und Teilnehmerzahl, Sitzungsabstände und<br />

Gesprächsthemen werden immer sehr<br />

dicht an der Veränderungsbereitschaft<br />

und Belastungsfähigkeit des therapeutischen<br />

Systems angepasst.<br />

Anders ist dies bei systemtherapeutischen<br />

Mehrpersonensettings wie der Paar- oder<br />

der Familientherapie. Familientherapie als<br />

Mehrpersonen-Setting ist indiziert, wenn<br />

der Einbezug der Familie von dieser selbst<br />

gewünscht wird, wenn Wechselwirkungen<br />

zwischen familiärer Interaktion und Krankheitsgeschehen<br />

offenkundig sind, wenn<br />

eine Person in starker Abhängigkeit von<br />

Angehörigen lebt, oder wenn familiäre<br />

Ressourcen gezielt aktiviert werden sollen<br />

(Henning, 1991; Scheib & Wirsching,<br />

2004). Kontraindiziert sind systemische<br />

Mehrpersonensettings (wie Paar- und Familientherapie)<br />

dann, wenn dem Therapeuten<br />

die nötige Qualifikation für die<br />

Führung von Mehr-Personen-Therapien<br />

fehlt, und überall dort wo die Gefahr besteht,<br />

dass Offenheit im Therapiegespräch<br />

später mit Gewalt, Missbrauch oder Repression<br />

beantwortet werden könnte, z.B.<br />

in Fällen von Kindesmissbrauch und häuslicher<br />

Gewalt.<br />

Trotz der eher an Kommunikation und<br />

Lebenswelt denn an der Symptomatik orientierten,<br />

systemtherapeutischen Arbeitsweise<br />

sind in den letzten Jahren zahlreiche<br />

störungsspezifische Konzepte vorgelegt<br />

worden, u. a. zur Einzeltherapie bei<br />

Angst- und Zwangsstörungen (Nardone,<br />

1997), bei Essstörungen (Nardone, 2003),<br />

zur Paartherapie bei sexuellen Störungen<br />

(Clement, 2004; Welter-Enderlin, 1994);<br />

zur Therapie mit Trauma-Patienten allgemein<br />

(Everstine & Everstine, 1983) und<br />

speziell bei sexuellem Missbrauch (James<br />

& Nasjlieti, 1983; Madanes, 1990/1997;<br />

Trepper & Barret, 1989) und schließlich<br />

zur Arbeit mit Sexualstraftätern (Eddy, 1991;<br />

Gruber & Rotthaus, 1999; Madanes, 1990;<br />

Rotthaus & Gruber, 2004).<br />

Publizierte systemtherapeutische Manuale<br />

liegen vor zu den Störungsbildern Depression,<br />

Störungen des Sozialverhaltens,<br />

Substanzstörungen und zu schweren psychiatrischen<br />

und somatischen Krisen des<br />

Jugendalters einschließlich Suizidalität (Szapocznik<br />

et al., 2003; Jones & Asen, 2002;<br />

Ollefs & v. Schlippe, 2005).<br />

Das störungsspezifische Vorgehen mit erwachsenenPsychiatrie-Psychotherapie-Patienten<br />

wird detailliert bei Perlmutter (1995)<br />

und Ruf (2005) beschrieben. Schweitzer<br />

und v. Schlippe (2006) beschreiben störungsspezifisches<br />

systemtherapeutisches<br />

Vorgehen bei 23 Störungsbildern, einschließlich<br />

solcher aus der Kinder- und<br />

Jugendlichenpsychotherapie und der Familienmedizin.<br />

Für die besonderen Bedürfnisse von sozioökonomisch<br />

benachteiligten „Multiproblemfamilien“<br />

sowie von Migranten<br />

und Angehörigen verschiedener ethnischer<br />

Gruppen hat die Systemische Therapie/Familientherapie<br />

seit ihren Anfängen<br />

bis heute zahlreiche bewährte Konzepte<br />

der gemeindebezogenen und aufsuchenden<br />

Familientherapie entwickelt (Conen,<br />

2002; Minuchin et al, 1967; Minuchin et<br />

al., 2000), die soziale und ethnische Randgruppen<br />

gut erreichten (Grawe et al.,<br />

1994). Bei einem stetig wachsenden Ausländeranteil<br />

in der deutschen Bevölkerung<br />

liegt hier ein für die Zugangsgerechtigkeit<br />

bedeutsames Versorgungspotenzial.<br />

Wo Patient und/oder Familie Behandlungswünsche<br />

vorbringen, die in anderen<br />

Verfahren angemessener angeboten werden<br />

– etwa nach intensiver biographischer<br />

Reflexion, nach Kompetenztraining und<br />

Übungsverfahren –, sollte im Erstgespräch<br />

über entsprechende Behandlungsalternativen<br />

aufgeklärt werden. Systemische<br />

Familientherapie ist naturgemäß nicht immer<br />

als alleinige Intervention hinreichend;<br />

bei schweren psychotischen und somatischen<br />

Störungen ist die Kombination mit<br />

anderen psychotherapeutischen oder<br />

pharmakologischen Interventionen optimal.<br />

6. Wirksamkeit der<br />

Systemischen Therapie/<br />

Familientherapie<br />

Nach der aktuellen Meta-Inhaltsanalyse von<br />

v. Sydow et al. (2007) ist die Wirksamkeit<br />

Systemischer Therapie/Familientherapie mit<br />

Psychotherapeutenjournal 1/2007

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