28.12.2012 Aufrufe

neue perspektiven? kreative kammerpunkte?

neue perspektiven? kreative kammerpunkte?

neue perspektiven? kreative kammerpunkte?

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

neut zur Benachteiligung der Psychotherapie<br />

kommen könnte.“<br />

Die jetzt im Bundesrat vorgenommenen<br />

Änderungen des GKV-WstG zeigen, dass<br />

unsere Ministerin auch Wort gehalten und<br />

Berufsrecht<br />

An dieser Stelle wollen wir in loser Reihenfolge<br />

über berufsrechtliche Anfragen<br />

aus dem psychotherapeutischen Alltag<br />

berichten, die von allgemeinem Interesse<br />

sind:<br />

„Suizid einer Patientin – Gilt die<br />

Schweigepflicht auch über den Tod<br />

hinaus?“<br />

Aus aktuellem Anlass hatte sich die Kammer<br />

mit der Anfrage einer Therapeutin zu<br />

befassen, ob die Schweigepflicht auch<br />

über den Tod der Patientin/des Patienten<br />

hinaus gilt bzw. ob und wer nach dem<br />

Tod ggf. die Therapeutin von der Schweigepflicht<br />

entbinden kann. Trauriger Hintergrund<br />

war der Suizid einer Patientin.<br />

Am Tag nach dem Tod der Patientin rief<br />

die Kriminalpolizei bei unserem Mitglied<br />

an und verlangte Auskunft u.a. über die<br />

Diagnose und den Verlauf der Therapie,<br />

um den Suizid zu verifizieren und ein<br />

Tötungsdelikt auszuschließen.<br />

Die Therapeutin handelte spontan vollkommen<br />

richtig, indem sie sich unter Verweis<br />

auf die Schweigepflicht zunächst Bedenkzeit<br />

erbat und sich dann an die Kammer<br />

mit der Bitte um Beistand wandte.<br />

Gemäß §§ 203 Abs. 4 StGB, 8 Abs. 1 der<br />

Berufsordnung der PP/KJP in Rheinland-<br />

Pfalz gilt die Schweigepflicht zunächst auch<br />

über den Tod hinaus. Da das Recht der<br />

Patientin/des Patienten, über die eigenen<br />

Geheimnisse aus dem persönlichen Lebensbereiche<br />

zu verfügen, ein höchstpersönliches<br />

Recht darstellt, ist dieses nicht<br />

vererblich (Laufs/Uhlenbruck, Handbuch<br />

des Arztrechts, 3. Auflage 2002, § 70<br />

Rdnr. 10). Man bezeichnet den Arzt bzw.<br />

Therapeuten insoweit auch als „einen zur<br />

Psychotherapeutenjournal 1/2007<br />

eine Lanze für die Psychotherapeuten gebrochen<br />

hat. Gerade dadurch, dass die<br />

Krankenhäuser sich für den ambulanten<br />

Sektor öffnen können, hat unsere Initiative<br />

auch arbeitsplatzsichernde Funktion für unsere<br />

dort tätigen Kolleginnen und Kollegen.<br />

Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder“<br />

(BGHZ 91, 392, 398f.; BGH in NJW<br />

1983, 2627, 2628). Aus diesem Grunde<br />

können auch die Angehörigen oder Erben<br />

anstelle der Patientin/des Patienten<br />

die/den PP/KJP nicht von der Schweigepflicht<br />

entbinden. Ausnahmen sind jedoch<br />

denkbar, z.B. wenn es sich um Geheimnisse<br />

handelt, die für die Wahrnehmung<br />

der Vermögensnachfolge von Bedeutung<br />

sind (vgl. BGH NJW 1983, 2627) und<br />

damit der Verfügungsbefugnis der Erben<br />

zuzuordnen sind.<br />

Hat die verstorbene Patientin/der verstorbene<br />

Patient zu Lebzeiten keinen ausdrücklichen<br />

Willen geäußert, welche Auskünfte<br />

die/der PP/KJP Dritten im Falle des<br />

Todes erteilen darf und welche nicht und<br />

kann man den Willen auch nicht aus<br />

schlüssigem Handeln des Patienten zu<br />

Lebzeiten ableiten, so ist der mutmaßliche<br />

Wille der Patientin/des Patienten zu erforschen.<br />

Es ist zu überlegen, ob es Umstände<br />

gibt, aus denen man schlussfolgern<br />

kann, dass das Interesse an der Geheimhaltung<br />

mit dem Tod erloschen sein könnte;<br />

beispielsweise deshalb, weil der Patient<br />

seine Familie versorgt sehen wollte und<br />

die Informationen zur Durchsetzung einer<br />

Versicherungsleistung erforderlich sein<br />

könnten.<br />

Bestehen dann noch Zweifel an dem Willen<br />

des Patienten, so muss derjenige, der<br />

der Schweigepflicht unterliegt, eine Abwägung<br />

zwischen seiner standesrechtlichen<br />

Bindung an die Schweigepflicht und<br />

dem wohlverstandenen Interesse des verstorbenen<br />

Patienten an der Geheimhaltung<br />

treffen. Er muss also die Umstände,<br />

die für ein Beibehalten der Schweigepflicht<br />

Rheinland-Pfalz<br />

Zu den konkreten Auswirkungen der<br />

Änderungen wird die Kammer noch in<br />

der ersten Jahreshälfte Informationsveranstaltungen<br />

anbieten. Sie werden über<br />

die Termine rechtzeitig informiert werden.<br />

und gegen die Offenbarung (und umgekehrt)<br />

sprechen, für sich ermitteln und sie<br />

gegeneinander abwägen. Es empfiehlt sich,<br />

die Abwägung sorgfältig zu dokumentieren.<br />

Als Ausgleich für diese ebenso schwierige<br />

wie risikobehaftete Aufgabe billigt die<br />

Rechtsprechung der/dem PP/KJP einen<br />

gewissen Entscheidungsspielraum zu, der<br />

einer gerichtlichen Überprüfung entzogen<br />

ist, solange die Gründe nachvollziehbar<br />

dargelegt werden. Ein pauschales Berufen<br />

auf die Schweigepflicht genügt dann<br />

nicht mehr (OLG Naumburg, Beschluss<br />

vom 09.12.2004, 4 W 43/04), vielmehr<br />

muss der Entscheidungsfindungsprozess<br />

dargelegt werden können (wobei es freilich<br />

problematisch ist, ob nicht in dieser<br />

Darlegung bereits ein Bruch der Schweigepflicht<br />

besteht).<br />

Fazit: Es ist eine schwierige Aufgabe, gerade<br />

für einen Nichtjuristen, anhand dieser<br />

abstrakten Vorgaben der Rechtsprechung<br />

im Einzelfall die richtige Entscheidung zu<br />

treffen. Wendet man die Argumentation in<br />

der Rechtsprechung, insbesondere die des<br />

OLG Naumburg, konsequent an, so kann<br />

eine sachgerechte Abwägung ohne Informationen<br />

zu dem Hintergrund der Anfrage<br />

(sei diese nun durch die Polizei, durch<br />

die Erben oder durch eine Versicherung<br />

gestellt) nicht erfolgen. Die Entscheidung<br />

der/des PP/KJP wird immer davon abhängen,<br />

wer genau welche Informationen benötigt<br />

und zu welchem Zweck. Erst, wenn<br />

sie/er sich davon ein Bild machen konnte,<br />

ist eine Entscheidung für oder gegen die<br />

Schweigepflicht rechtskonform möglich.<br />

Kann der Interessenskonflikt partout nicht<br />

aufgelöst werden, sollte im Zweifel eine Entscheidung<br />

zugunsten der Schweigepflicht<br />

erfolgen.<br />

87<br />

Rheinland-<br />

Pfalz

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!