neue perspektiven? kreative kammerpunkte?
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neut zur Benachteiligung der Psychotherapie<br />
kommen könnte.“<br />
Die jetzt im Bundesrat vorgenommenen<br />
Änderungen des GKV-WstG zeigen, dass<br />
unsere Ministerin auch Wort gehalten und<br />
Berufsrecht<br />
An dieser Stelle wollen wir in loser Reihenfolge<br />
über berufsrechtliche Anfragen<br />
aus dem psychotherapeutischen Alltag<br />
berichten, die von allgemeinem Interesse<br />
sind:<br />
„Suizid einer Patientin – Gilt die<br />
Schweigepflicht auch über den Tod<br />
hinaus?“<br />
Aus aktuellem Anlass hatte sich die Kammer<br />
mit der Anfrage einer Therapeutin zu<br />
befassen, ob die Schweigepflicht auch<br />
über den Tod der Patientin/des Patienten<br />
hinaus gilt bzw. ob und wer nach dem<br />
Tod ggf. die Therapeutin von der Schweigepflicht<br />
entbinden kann. Trauriger Hintergrund<br />
war der Suizid einer Patientin.<br />
Am Tag nach dem Tod der Patientin rief<br />
die Kriminalpolizei bei unserem Mitglied<br />
an und verlangte Auskunft u.a. über die<br />
Diagnose und den Verlauf der Therapie,<br />
um den Suizid zu verifizieren und ein<br />
Tötungsdelikt auszuschließen.<br />
Die Therapeutin handelte spontan vollkommen<br />
richtig, indem sie sich unter Verweis<br />
auf die Schweigepflicht zunächst Bedenkzeit<br />
erbat und sich dann an die Kammer<br />
mit der Bitte um Beistand wandte.<br />
Gemäß §§ 203 Abs. 4 StGB, 8 Abs. 1 der<br />
Berufsordnung der PP/KJP in Rheinland-<br />
Pfalz gilt die Schweigepflicht zunächst auch<br />
über den Tod hinaus. Da das Recht der<br />
Patientin/des Patienten, über die eigenen<br />
Geheimnisse aus dem persönlichen Lebensbereiche<br />
zu verfügen, ein höchstpersönliches<br />
Recht darstellt, ist dieses nicht<br />
vererblich (Laufs/Uhlenbruck, Handbuch<br />
des Arztrechts, 3. Auflage 2002, § 70<br />
Rdnr. 10). Man bezeichnet den Arzt bzw.<br />
Therapeuten insoweit auch als „einen zur<br />
Psychotherapeutenjournal 1/2007<br />
eine Lanze für die Psychotherapeuten gebrochen<br />
hat. Gerade dadurch, dass die<br />
Krankenhäuser sich für den ambulanten<br />
Sektor öffnen können, hat unsere Initiative<br />
auch arbeitsplatzsichernde Funktion für unsere<br />
dort tätigen Kolleginnen und Kollegen.<br />
Verschwiegenheit verpflichteten Treuhänder“<br />
(BGHZ 91, 392, 398f.; BGH in NJW<br />
1983, 2627, 2628). Aus diesem Grunde<br />
können auch die Angehörigen oder Erben<br />
anstelle der Patientin/des Patienten<br />
die/den PP/KJP nicht von der Schweigepflicht<br />
entbinden. Ausnahmen sind jedoch<br />
denkbar, z.B. wenn es sich um Geheimnisse<br />
handelt, die für die Wahrnehmung<br />
der Vermögensnachfolge von Bedeutung<br />
sind (vgl. BGH NJW 1983, 2627) und<br />
damit der Verfügungsbefugnis der Erben<br />
zuzuordnen sind.<br />
Hat die verstorbene Patientin/der verstorbene<br />
Patient zu Lebzeiten keinen ausdrücklichen<br />
Willen geäußert, welche Auskünfte<br />
die/der PP/KJP Dritten im Falle des<br />
Todes erteilen darf und welche nicht und<br />
kann man den Willen auch nicht aus<br />
schlüssigem Handeln des Patienten zu<br />
Lebzeiten ableiten, so ist der mutmaßliche<br />
Wille der Patientin/des Patienten zu erforschen.<br />
Es ist zu überlegen, ob es Umstände<br />
gibt, aus denen man schlussfolgern<br />
kann, dass das Interesse an der Geheimhaltung<br />
mit dem Tod erloschen sein könnte;<br />
beispielsweise deshalb, weil der Patient<br />
seine Familie versorgt sehen wollte und<br />
die Informationen zur Durchsetzung einer<br />
Versicherungsleistung erforderlich sein<br />
könnten.<br />
Bestehen dann noch Zweifel an dem Willen<br />
des Patienten, so muss derjenige, der<br />
der Schweigepflicht unterliegt, eine Abwägung<br />
zwischen seiner standesrechtlichen<br />
Bindung an die Schweigepflicht und<br />
dem wohlverstandenen Interesse des verstorbenen<br />
Patienten an der Geheimhaltung<br />
treffen. Er muss also die Umstände,<br />
die für ein Beibehalten der Schweigepflicht<br />
Rheinland-Pfalz<br />
Zu den konkreten Auswirkungen der<br />
Änderungen wird die Kammer noch in<br />
der ersten Jahreshälfte Informationsveranstaltungen<br />
anbieten. Sie werden über<br />
die Termine rechtzeitig informiert werden.<br />
und gegen die Offenbarung (und umgekehrt)<br />
sprechen, für sich ermitteln und sie<br />
gegeneinander abwägen. Es empfiehlt sich,<br />
die Abwägung sorgfältig zu dokumentieren.<br />
Als Ausgleich für diese ebenso schwierige<br />
wie risikobehaftete Aufgabe billigt die<br />
Rechtsprechung der/dem PP/KJP einen<br />
gewissen Entscheidungsspielraum zu, der<br />
einer gerichtlichen Überprüfung entzogen<br />
ist, solange die Gründe nachvollziehbar<br />
dargelegt werden. Ein pauschales Berufen<br />
auf die Schweigepflicht genügt dann<br />
nicht mehr (OLG Naumburg, Beschluss<br />
vom 09.12.2004, 4 W 43/04), vielmehr<br />
muss der Entscheidungsfindungsprozess<br />
dargelegt werden können (wobei es freilich<br />
problematisch ist, ob nicht in dieser<br />
Darlegung bereits ein Bruch der Schweigepflicht<br />
besteht).<br />
Fazit: Es ist eine schwierige Aufgabe, gerade<br />
für einen Nichtjuristen, anhand dieser<br />
abstrakten Vorgaben der Rechtsprechung<br />
im Einzelfall die richtige Entscheidung zu<br />
treffen. Wendet man die Argumentation in<br />
der Rechtsprechung, insbesondere die des<br />
OLG Naumburg, konsequent an, so kann<br />
eine sachgerechte Abwägung ohne Informationen<br />
zu dem Hintergrund der Anfrage<br />
(sei diese nun durch die Polizei, durch<br />
die Erben oder durch eine Versicherung<br />
gestellt) nicht erfolgen. Die Entscheidung<br />
der/des PP/KJP wird immer davon abhängen,<br />
wer genau welche Informationen benötigt<br />
und zu welchem Zweck. Erst, wenn<br />
sie/er sich davon ein Bild machen konnte,<br />
ist eine Entscheidung für oder gegen die<br />
Schweigepflicht rechtskonform möglich.<br />
Kann der Interessenskonflikt partout nicht<br />
aufgelöst werden, sollte im Zweifel eine Entscheidung<br />
zugunsten der Schweigepflicht<br />
erfolgen.<br />
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Rheinland-<br />
Pfalz