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2015-04

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Personen<br />

Rosemarie Achenbach:<br />

Leben wie ein Kessel Buntes<br />

Mit 91 Jahren auf dem Weg zum Doktortitel<br />

Ich zucke ein wenig zusammen. Denke<br />

selbst oft an das eigene unbekannte Ablaufdatum.<br />

Verdränge ich gerne. Und diese Frau<br />

will sich damit den Doktorhut aufsetzen!<br />

„Wissen Sie, was daran so lustig ist?“ Sie<br />

schmunzelt: „Lustig daran ist, dass mein<br />

Doktorvater jünger ist als meine Kinder.“<br />

– Und weg ist die Beklemmung. „Natürlich<br />

bin ich mir bewusst, dass ich jeden Tag<br />

abgerufen werden kann. Das schreckt mich<br />

nicht. Ich habe die lebensnotwendige Distanz<br />

zu diesem Thema. Sollte die verloren<br />

gehen, dann…, ja dann höre ich auf damit.<br />

Dann geht das nicht mehr.“<br />

Doktorandin mit 91 Jahren:<br />

Rosemarie Achenbach<br />

Ein Leben wie ein Kessel Buntes. Und wenn diese<br />

Frau Teile ihres Lebens, Erlebens, ihrer Weisheit,<br />

ihres Wissensdurstes, ihres Seins vor Dir ausbreitet,<br />

dann musst Du aufpassen wie der vielzitierte Schießhund.<br />

So flott galoppiert sie verbal über den Parcours, springt behänd<br />

zwischen Zeiträumen einher, jongliert zwischen ihren<br />

Interessen mit der ganzen Erfahrung ihres Alters, ja, mit<br />

der Abgeklärtheit eines erfüllten – wenn auch nicht immer<br />

leichten – Lebens, an dessen Weg noch Ziele stehen. Die<br />

Rede ist von Rosemarie Achenbach aus Eiserfeld. Sie ist<br />

91 Jahre, geht zur Siegener Uni und schreibt zurzeit an ihrer<br />

Doktorarbeit. Thema der Dissertation: „Der Tod in der<br />

Philosophie“.<br />

Im Luftschutzbunker verschüttet<br />

Mit dem Tod hatte sie schon ein paar<br />

ernste Auseinandersetzungen. Damals von<br />

Polen aus auf der Flucht im Pferdetreck vor<br />

der Roten Armee und dann in einem Dortmunder<br />

Luftschutzbunker – im Bombenhagel<br />

verschüttet. Als die Luft immer knapper<br />

wurde, viele ihr Leben aushauchten, andere<br />

ohnmächtig wurden. Als Rosemarie Achenbach<br />

mit schwindenden Sinnen glaubte, „das<br />

war`s dann wohl!“ die Rettung im letzter<br />

Augenblick. Ein Erlebnis, das heute noch<br />

nachwirkt. Rosemarie Achenbach: „Ich habe<br />

die ganze Geschichte aufgeschrieben. Für die<br />

Nachwelt und auch als Selbsttherapie zu Bewältigung<br />

des schrecklichen Geschehens.“<br />

Natürlich rücke das bei der Doktorarbeit wieder<br />

näher. Gut, aber da ist ja die Sache mit der<br />

Distanz. Nicht nur das Vorbeischrappen am<br />

Tod im Luftschutzbunker, sondern auch die<br />

Berichte anderer Menschen über Nahtod-Erfahrungen haben<br />

sie letztlich dazu bewogen, sich dem Thema zu stellen. Der<br />

Glaube an Gott beeinflusst die Sichtweise der Pfarrersfrau<br />

(ihr Mann Friedrich starb vor über zehn Jahren.) Die Geisteswissenschaftlerin<br />

setzte sich bereits in ihrer Magisterarbeit<br />

(Philosophie) mit Glaubensfragen auseinander: „Der Gottesbegriff<br />

aus der Perspektive verschiedener Religionen“.<br />

Foto: Dieter Gerst<br />

Keine „echte Erfüllung“<br />

Die unbändige Lust zu studieren (u. a. Philosophie, Psychologie,<br />

Studium Generale) war schon immer in Rosemarie<br />

Achenbach vorhanden. Durch die Kriegswirren (ihr<br />

zukünftiger Mann kämpfte an der Westfront, sie selbst hatte<br />

42 durchblick 4/<strong>2015</strong>

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