2015-04
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dazu. Oder aber der schnelle Euro auf die Hand ist immer<br />
verführerisch. Für beide Seiten. Im Hotelgewerbe, Betrieben<br />
oder Krankenhäusern sind inzwischen die offiziellen<br />
Arbeitsstellen – meist outgesourct – also die Jobs laufen<br />
über Subunternehmer. Doch hier wird die Zeit unnachgiebig<br />
getaktet. Drei oder fünf Minuten pro Raum. Wer länger<br />
braucht, ist selber schuld. Ein Knochenjob. Und wie einfach<br />
machen es sich diejenigen, die den Dreck verursacht<br />
haben mit ihrer oft gnadenlosen und lautstarken Kritik. In<br />
Kliniken hört jedoch der Spaß bzw. der Sparwahn der Auftraggeber<br />
auf. Gründlich und billig geht eben nicht.<br />
Schon die Kölner träumten von Heinzelmännchen, die<br />
über Nacht wie von Geisterhand alles aufräumten und<br />
die unbequeme Arbeit erledigten. Der Heinzelmännchenbrunnen<br />
vor dem Brauhaus Früh gibt Zeugnis von diesem<br />
Wunsch oder Märchen.<br />
Denn man war faul und legte sich / hin auf die Bank und<br />
pflegte sich. / Da kamen bei Nacht, / ehe man´s gedacht, /<br />
die Männlein und schwärmten / und klappten und lärmten<br />
/ und rupften und zupften / und hüpften und trabten. / Und<br />
eh ein Faulpelz noch erwacht, / war all sein Tagwerk bereits<br />
gemacht. Heißt es im Gedicht von August Kopisch.<br />
Und der Traum endet:<br />
„O weh! Nun sind sie alle fort. / Man kann nicht mehr wie<br />
sonsten ruhn, / man muss nun alles selber tun.“<br />
Vielleicht stammt hierher der legendäre Ausdruck vom<br />
„Kölschen Wisch“, wo es mit der Sauberkeit nicht so genau<br />
genommen wird. So kann man noch heute von eher protestantisch<br />
geprägten Gegenden hören, dass hier das Putzen<br />
eine wichtigere Rolle spielt als in katholischen.<br />
Ganz ausgestorben sind die Heinzelmännchen<br />
aber noch nicht. In Siegen gibt es seit einiger Zeit<br />
die „Heinzelwerker“ im Haus Herbstzeitlos, die<br />
Senioren bei kleineren Reparaturen oder Problemen<br />
im Haushalt unentgeltlich zur Seite stehen.<br />
Apropos „Kölscher Wisch“: den WGs, also<br />
Wohngemeinschaften vor allem für Studenten, wird<br />
dieser Putzstil immer noch nachgesagt. Dreckiges<br />
Geschirr in der Badewanne gestapelt, überquellende,<br />
übel riechende Kühlschränke, Schmutzwäsche<br />
stapelt sich um Betten und Bad, bis sie endlich mal<br />
in den Waschsalon gebracht wird. Die Klos: „kein<br />
Kommentar“. Dass hier, trotz „To-do Liste“, wer<br />
ist wann für was zuständig, die Reinlichkeit baden<br />
geht, scheint vorprogrammiert. „Denn je höher der<br />
Bildungsgrad, desto schlechter putzen die Leute“<br />
stellt Nicole Karafyllis in einem Interview mit der<br />
Süddeutschen Zeitung fest. Und Professorin Karafyllis<br />
muss es wissen, sie hat sich als Professorin<br />
an der TU Braunschweig mit dem Thema Putzen<br />
als Kulturtechnik wissenschaftlich auseinandergesetzt*).<br />
Sie ist eine Frau, die dazu steht, dass sie<br />
leidenschaftlich gerne putzt. Sie sagt, dass man<br />
Putzen als eine Art Meditation erfahren könne:<br />
„weil die Dinge, die einen umgeben, ganz bewusst<br />
wahrgenommen werden, denn zum Saubermachen<br />
muss ich sie regelmäßig anfassen.“ Heute gibt es<br />
aber auch Studenten-WGs, die „clean“ sind und<br />
an der auch die WDR-Superhausfrau Yvonne Willicks ihre<br />
Freude hätte. Denn nach all den Kochsendungen gibt uns<br />
Fernsehzuschauern Frau Willicks seit einigen Jahren auch<br />
Nachhilfe im Haushalt und beim Reinigen.<br />
Putzen ist auch heute noch meist ein weibliches Thema.<br />
Nicole Karafyllis sagt „ Ja, aber wenn Männer putzen,<br />
dann sehr systematisch. Sie sehen es als wissenschaftliches<br />
Problem an, als Herausforderung. Sie brauchen viel<br />
länger als Frauen und putzen oft gründlicher. Sie verwenden<br />
Spezialmittel und kaufen sofort einen Hochdruckreiniger.“<br />
Vielleicht hat sie recht.<br />
Ob heute im 21. Jahrhundert Roboter den Haushalt erledigen<br />
können? Als Rasenmäher oder Staubsauger entlasten<br />
diese kleinen Dienstleister vielleicht den Gärtner oder die<br />
Hausfrau. Beim Herd hilft die „Pyrolyse“, den Backofen<br />
regelmäßig zu säubern. Immer mehr elektrischer Schnick-<br />
Schnack erobert die Küche. Google und Co. wollen in Zukunft<br />
alles bei uns zu Hause digital erledigen: Einkaufen,<br />
Heizen, das vorbereitete Menü auf den Punkt zubereiten,<br />
die Wasch- und Spülmaschine bedienen. Aber beispielsweise<br />
Bügeln, Ein- und Aufräumen, Staubwischen, Putzen von<br />
Bad und Küche fordern noch Handarbeit und ein Gespür für<br />
individuelle Aufgaben. Und überhaupt, möchten wir alles<br />
dem Netz überlassen? Die guten Geister im Haus wären<br />
dann Bits und Bytes. Und Kollege Roboter übernimmt das<br />
Kommando. Wollen wir das? Skepsis ist angebracht.<br />
Tessie Reeh<br />
*) Süddeutsche Zeitung Magazin Nr. 28. Juli <strong>2015</strong>; Nicole Karafyllis: „Putzen als Passion“<br />
Verlag Kadmos 2013<br />
4/<strong>2015</strong> durchblick 57