30.12.2012 Aufrufe

Gottfried August Bürgers Einfluß August \filhelm Schlegel.

Gottfried August Bürgers Einfluß August \filhelm Schlegel.

Gottfried August Bürgers Einfluß August \filhelm Schlegel.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

-- 72 ---<br />

Welches sind nun nach Schl. die trennenden Momente?<br />

Die Antithese von Kunst und Natur, an deren Stelle die<br />

Romantik die Synthese anstrebte, und demzufolge die<br />

falsche Deutung der neu aufgestellten, an sich tretflichen<br />

Muster als regellos geschaffener Naturergießungen.<br />

Die ,,Antithese von Kunst und Natur" bestimmt freilich<br />

auch B.-s Schaffen, iedoch in der Modifikation der<br />

,,Volkstümlichkeit" welche, wie man sehen rvird, der Romantik<br />

verhältnismäßig nahe lag.<br />

,,Shakespeare, die alten Balladen und Volkslieder"<br />

bilden geradezu den Nährboden, auf dem B.-s Dichtungen<br />

gediehen. Ja, zweifellos mußte Schl. in diesem Zusammenhang<br />

an ihn gedacht haben, denn wer wäre ein<br />

lebendigerer Vermittler der alten Balladen und Volkslieder<br />

gewesen, als gerade B. ?<br />

Was schließlich die Polemik gegen den Ilationalismus<br />

anlangt, so liegt es nahe genug, an B. zu denken, der in<br />

der geharnischten Ansprache ,,An die Philosophunkulos"<br />

seine Ansicht vom Wunderbaren verfochten hatte, der<br />

seine Stellung zvr Volksdichtung in erbitterter Fehde als<br />

,,f)aniel Wunderlich" gegen,,Daniel Säuberlich" verteidigte.<br />

Der letzte war kein anderer als der alte Nikolai,<br />

das Haupt der Berliner Aufklärungsliteraten, der nachmalige<br />

Erbfeind der Romantik, d. h. jener Feind, den die<br />

Romantik vom Sturm und Drang geerbt hatte.<br />

Weist schon der von Schl. skizzierte Zusammenhang<br />

zwischen Romantik und Geniezeit deutlich auf B.-s vermittelnde<br />

Rolle hin, so wird diese noch einleuchtender<br />

gemacht werden durch die folgenden vergleichenden Betrachtungen.<br />

***<br />

Homer und Shakespeare, das sind die zwei hellsten<br />

Gestirne, nach denen B. seine dichterische Laufbahn<br />

orientiert. Während aber seine Nachdichtung Shakespeares<br />

ihn in ungünstigem Lichte erschienen ließ, wurde<br />

er durch die Beschäftigung mit Homer auf den rechten<br />

Weg gewiesen.<br />

B.-s Auffassung von dem Wesen Homers findet sich<br />

niedergelegt in den ,,Gedanken über die Reschaffenheit<br />

--/ö-<br />

einer deutschen Uebersetzung des Homer, nebst einigen<br />

Probefragmenten" t77l (Wzb. IV l5).<br />

Homer ist nach seiner Ansicht in der Vorstellung der<br />

(lriechen, welche in der späteren Epoche verfeinerter<br />

Kultur lebten ,,ein ehrwürdiger Greis, den aber noch keine<br />

Runzeln des Alters entstellt hatten", (Wzb. IV 17) ,,ein<br />

braver, ehrwürdiger Mann nach altem Schrot und Korn,<br />

dessen Sonderheiten und Solöcismen man gern duldet,<br />

ia oft sogar mit Wohlgefallen betrachtet, ob man sie<br />

gleich selbst nicht nachahmt". (a. a.0.) Deshalb sei er auch<br />

nicht in der Sprache der modernen Deutschen schlechthin<br />

zu übersetzen, sondern in einer Ausdrucksweise, die teils<br />

veraltete, teils ausgestorbene Wörter, Wortiügungen und<br />

Redewendungen verwende (Beispiel:,,Sint" statt,,seit").<br />

Doch müssen diese ,,edel sein und nichts Komisches, Niedriges<br />

und Pöbelhaftes im Gebrauch an sich haben."<br />

(s. 1e.)<br />

Auf diese Weise hofft 8., dem ,,ehrwürdigen" Dichter<br />

gegenüber ein ähnliches Geiühl zeitlicher Distanz m erwecken,<br />

wie es der hellenische Zeitgenosse eines Sophokles<br />

bei der Lektüre der Odyssee empfunden<br />

haben mag.<br />

Etwas romantisches liegt schon in der klaren Erfassung<br />

jener eigentümlichen Wirkung, welche die poetische<br />

Darstellung einer zurückliegenden Kultur durch<br />

das Medium zeitlicher Entfernung eriährt. Noch romantischer<br />

muten die Mittel an, die B. vorschlägt.<br />

Der Uebersetzer soll sich an Luthers Sprache bilden<br />

und ,,fleißig die Ueberbleibsel der älteren Sprache und<br />

Dichtkunst, von den Minnesingern an bis nach Opitz herunter,<br />

studieren." (Wzb. IV. 20.) Als Quelle solcher Studien<br />

wird Johannes Schilters ,,Thesaur" ernpfohlen (Thesaurus<br />

antiquitatum teutonicarum u. s. w. Ulm 1727<br />

3 Bde.). Die Stelle ist insofern interessant, als sie eine<br />

Hauptquelle für B.-s germanistische Studien lietert.<br />

B. schlägt also vor zu archaisieren. I. J. l77l mußte<br />

dies noch als ein unerhörtes Wagnis erscheinen. Kein<br />

deutscher Dichter oder Uebersetzer hat mit wirklich dichterischen<br />

Ausdrucksmitteln auf Grund quellenmäßigen<br />

Studiums diesen Versuch vor ihm gewagt. (Goethes<br />

G.A. Bürger-Archiv G.A. Bürger-Archiv

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!