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Gottfried August Bürgers Einfluß August \filhelm Schlegel.

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-94 -<br />

Der Kampf wurde von B. aufgenommen. Er spielte<br />

dabei die Rolle eines literarischen volkstribunen, welche<br />

in seinem Wesen insofern begründet war, als sein poli_<br />

tisches und soziales Empfinden demokratisch orientiert<br />

v/ar. So feinsinnig Schl. seinen Meister zu interpretieren<br />

verstand, diese Grundnote entging ihm. tsntwicklung<br />

und Neigung hatten ihn auf eine aristokratische Bahn geleitet,<br />

B. auf eine demokratische (eine Unterscheidung,<br />

welche für das gesamte Verhältnis des Sturms und<br />

I)rangs zur Romantik von Bedeutung ist).<br />

Heinrich Heine erfaßte dieses Mißverhältnis mit<br />

feinem Spürsinn und kam in der ,,Romantischen Schule,.<br />

ausführlich darauf zu sprechen (Elster V.37J l.). Für ihn<br />

ist Il. ,,ein f itane'o), welchen eine Aristoliratie von han_<br />

növerischen Junkern und Scltulpedanten zu Tode<br />

quälten."<br />

* ,,Wie konnte der vornehme, bebänderte<br />

Ritter <strong>August</strong> Wilhelm von <strong>Schlegel</strong> jene Verse begreifen,<br />

daß ein Ehrenmann, ehe er die Gnade cler Großen er_<br />

bettle, sich lieber aus der Welt heraushungern solle..,")<br />

Den deutlichsten Ausdruck findet B.-s demokratische<br />

Gesinnung in seiner Freimaurerrede ,,Ermunterung zur<br />

F'reiheit", welche 1790 unter dem frischen Einclruck cler<br />

französischen Revolution gehalten wurtle. (Wzb. III.<br />

202 f.) In dem Kampf der deutschen Fürsten gegen die<br />

neue Republik stellt er sich mit Entschiedenheit auf die<br />

Seite der letzteren: ,,Fiir wen, du gutes deutsches Volk,<br />

Behängt man dich mit Waffen ? -- Für F-ürsten- und fi.ir<br />

Adelsbrut Und fürs Geschmeiß der pfaifen.,, (Sauer<br />

Nr. 230.) Dieselbe wilde Demagogik offenbart sich in tlem<br />

,.Straflied beim sclrlechten Kriegsanfange der Gallier,,<br />

(Sauer Nr. 202) in dem Vierzeiler ,,(Jllmut,,, in dem<br />

,,Fragment" (Sauer Nr.228) in dem Epigramm vomJ" 1793<br />

(Sauer Nr.229).<br />

Die Ereignisse von 1789 haben seinem Empfinclen zu<br />

stürmischem Ausbruch verholfen, jedoch Iäßt er schon<br />

früher an Deutlichkeit nichts zu wünschen in den Gedichten:<br />

,,Der Bauer an seinen durch{auchtigen Tyrannen<br />

1775" (Sauer Nr. 23), der in dem dumpfen Zornesschrei:<br />

,,Du raubst! I)u nicht von Gott, Tyrann!,. endet,<br />

--95-<br />

,,f)er Edelmann und der Bauer'' (Sauer Nr. 122) und<br />

,,Mannstrotz" v. J.1787 (Sauer Nr 134), auf welches Heine<br />

anspielt.<br />

Wohl ist die gesamte Dichtung des Sturms und<br />

Drangs auch im sozialen Sinn von einer revolutionären<br />

Grundstimmung getragen, aber rrit B.-s Wesen ist diese<br />

so innig verwachsen, daß sie nicht als zeitliche Einrvirkung,<br />

sondern als persönliche Note gewertet werden<br />

muß, welche durch Herkunit, Entwicklung und Schicksal<br />

ihre Prägung erhielt.<br />

Obwohl Schl. gerade zur Zeit der französischen lRevolution,<br />

als B.-s soziales Empfinden atn leidenschaftlichsten<br />

aufsprudelte, mit ihm im regsten Verkehr stand,<br />

so färbte doch dieser Zug trotz seiner Jugend nicht auf<br />

'l'em-<br />

ihn ab. Sein schon damals kühles, ausgeglichenes<br />

perament, seine Herkunft, der vornehme Verkehr, clen er<br />

in Göttingen suchte und fand, dazu sein ausgeprägter<br />

Sinn für das Schickliche, dies alles machte ihn für ts.-s<br />

demagogische Ideen unzugänglich. Sie blieben ihm fern<br />

und fremd. Wenn B. den Ruf nach absoluter Volkstümlichkeit,<br />

iast kann man sagen, nach der literarischen Diktatur<br />

des dritten Standes, erschallen ließ, so war dies für<br />

Schl. eine rein schriftstellerische Angelegenheit, deren<br />

menschliche und soziale Motive er übersah.<br />

*,r*<br />

Wenn B.-s 'l'heorie von der ,,Volkstümlichkeit" in<br />

ihrem Verhältnis zu Schl. erst an dieser Stelle zusammenfassend<br />

besprochen wird, so geschieht dies deshalb, weil<br />

sie nicht Ausgangspunkt, sondern Mittelpunkt der<br />

B.-schen Produktion ist. Sie stellt sich dar als das Ergebnis<br />

seiner Neigungen zum Altdeutschen, zum Wunderbaren,<br />

zum Votksliedhaften, ein Ergebnis, welches durch<br />

die eigenartige Spiegelung, die diese Elegriffe in B.-s demokratischem<br />

Charakter erfahren, ihre besondere F'ärbung<br />

erhält.<br />

(Der ,,Herzensausguß über Volkspoesie", die erste<br />

Kundgebung der spezifisch B.-schen Literaturauffassung,<br />

stammt aus d. I. 1776, die Pilege des Wunderbaren (Le-<br />

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