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Gottfried August Bürgers Einfluß August \filhelm Schlegel.

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deuten doch immer eine Auslese, keine Mehrheit. Auch<br />

hier ein Widerspruch! Dabei verwahrt er sich von Anfang<br />

an, man möchte sagen beinahe ängstlich; gegen die<br />

Auffassung, er dichte für den Pöbel: ,,Volk, nici'rt Pöbel!"<br />

Zusammenfassend lällt sich sagen: Von liercy und<br />

dem Volkslied ausgehend irat IJ. 1776 in dem ,,Herzenszrusguß<br />

über Volkspoesie" für die öpischJyrische Poesie<br />

Volkstümlichkeit geiordert. 1784 'wurde die Forderung<br />

als eine allgemein gültige, auf dem Recht der Mehrheit<br />

fußende zu begründen versucht. 1789 zeist sich eine gervisse<br />

Unsicherheit. B. bleibt in der Auffassung des Begriffs<br />

,,Volk" nicht konsequent. Um volkstümlich zu sein,<br />

nruß die Darstellung verständlich, einfach und :ratürlich<br />

sein.<br />

**+<br />

Wie stellt sich nun Schl. zu diesen Ansichten? Auch<br />

in seiner Anschauung unterliegt der Begriff ,,Popularität"<br />

gewissen Wandlungen. Seine Rezensionen über B.-s<br />

Gedichte (1789) urrd über das ,,Hohe Lied" (beidc hsg.<br />

v. J. Minor.Ztscln. für österr. G]'rmn. 1894. Heft 7) gehen<br />

darüber hinweg. Schl. zeigt sich wohl als begeisterter<br />

f]annerträger seines Meisters, aber dessen Grundiorderung<br />

wird nicht erwähnt. Als Forrnbeherrscher, als planvoller<br />

Künstler wird B. gerühmt, nicht als Volksdiclrter.<br />

Entweder schwieg Schl., weil er diesen Zug als etwas<br />

ihm Wesensfremdes nicht zu loben wußte. oder u'cil er<br />

seine Bedeutung noch nicht in vollem Llmfang erkannt<br />

hatte.<br />

Unr so nachdrücklicher geht er in der Bürgerrczension<br />

v. J. 1600 darauf ein. Ja, es ergibt sich hier das<br />

umgekehrte Verhältnis: Als Kunstdichter tritt B. zurück,<br />

als Volks- und Balladendichter steht cr in hellsier Vordergrundbeleuchtung<br />

da. Das ,,I-lohe Lied", das Schl. 1790<br />

noch 24 Buchseiten lang interpretiert und panegyrisch<br />

verherrlicht hatte, wird als ,,kaltes Prachtstück" (Bfick.<br />

VIII 132) abgefertigt und in eine Linie gestellt rnit der<br />

,,Nachtfeier der Venus", die allerdings sqhr eingehend<br />

besprochen wird. Auch sie als Muster. aber nicht, wie<br />

man es'machen soll, sondern wie man es nicht nrachen<br />

-- 99 -'<br />

soll. Sie ist ein Beispiel iür B.-s selbstquälerische ,,Correktheit"<br />

und ,,silbenstecherei". (129) (Vgl. Wzb. III.<br />

82-131 ,,Rechenschaft über die Veränderungen itt der<br />

Nachtfeier der Venus".) Diese Begriffe werden als<br />

,,schulmäßig" und unpoetisch (,,Korrekt -- korrigieren".<br />

Beispiel die ,,Nachtfeier") verworfen. (S. 121 f.) Durch<br />

sie hänge B. noch mit dem Regelwesen der alten Richtung<br />

zusammen. In seinen Balladen aber erkennt Schl.<br />

den neuen, der Romantik verwandten Geist.<br />

1789 tat Schl. die ,,Lenore" tnit dem nicht begründeten,<br />

unglaublichen Urteil ab, der ,,wilde .Jäger'l und<br />

,.des Pfarrers Tochter von Taubenhain" ,,lasse sie gewilS<br />

an Kunst und Stärke der Darstellung weit hinter sich"<br />

(Min. a. a. 0. S. 587.) 1800 urteilt er: ,,Lenore bleibt<br />

immer <strong>Bürgers</strong> Kleinod, der kostbare Ring, wodurch er<br />

sich der Volkspoesie, wie der Doge von Venedig dem<br />

Meere, für immer antraute." (99)<br />

Diesem veränderten Gesichtspunkt gemäß rückt<br />

Q.-s<br />

,,Popularität" 1800 in' den Mittelpunkt. Unter ,,Volk"<br />

habe B. ,,einen mittleren Durchschnitt aus allen Stürrden<br />

r.erstanden" (75) Einen solchen Durchschnitt gebe es<br />

nicht. indem die an wissenschaftlicher und konventioneller<br />

Bildung Theil nehmenden und die davort ausgeschlossenen<br />

Stände gänzlich getrennt bleiben". (75)<br />

Hat man nun scharf zu.ischen zwei Schichten zu<br />

tlennen, so hat die Poesie das Itecht, sich an die obere<br />

zu wenden, da es ihr gegeben sei, ,,das Höchste im<br />

Menschen auszusprechen."<br />

Das Ziel, sich beiden zugleich verstiindlich zu<br />

machen, sei wohl erreichbar, aber nicht das einzig ntögliche.<br />

Wie recht Schl. hatte mit der Behauptung, B. habe<br />

sich mit dieser Forderung selbst nicht recht verstanden<br />

(75), geht aus der oben iestgestellten Ljnsicherheit B.-s<br />

hervor. Unr den unteren Ständen verständlich zu werden,<br />

sei keine Hefablassung nötig, denn die Natur tcile<br />

Plrantasie und Empfänglichkeit ohne Rücksicht auf Geburt<br />

aus. (75) B.-s Forderung nach Verständlichkeit sei<br />

zu billigen, doch sei sie gerade im Hinblick auf Volkstümlichkeit<br />

nicht immer attgebracht, da z. B. die Ilibel<br />

und die alten katholischen Kirchenlieder gerade wegen<br />

G.A. Bürger-Archiv G.A. Bürger-Archiv<br />

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