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Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek

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Frankfurter Allgem<strong>ein</strong>e Zeitung, 08.08.2012, Nr. 183, S. N5<br />

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Fairness und Ausgewogenheit im Urheberrecht<br />

Wissenschaft braucht <strong>ein</strong> anderes Urheberrecht, <strong>um</strong> Großverlage in die Schranken<br />

zu weisen. Die Balance zwischen Urhebern, Rechteverwertern und Nutzern ist<br />

gestört.<br />

Von Wolfgang Marquardt<br />

Das Urheberrecht und s<strong>ein</strong>e Adaption an die digitale Realität wurden lange Zeit nur<br />

in Spezialistenzirkeln diskutiert. In den letzten Wochen ersch<strong>ein</strong>en b<strong>ein</strong>ahe täglich<br />

große Artikel in den überregionalen Zeitungen, die sich aus der <strong>ein</strong>en oder anderen<br />

Perspektive damit befassen. Überwiegend melden sich Kunstschaffende und freie<br />

Schriftsteller zu Wort, die <strong>ein</strong> Urheberrechtsgesetz fordern, das ihnen die gewohnte<br />

Vermarktung ihrer Produkte auch unter den neuen informationstechnischen<br />

Bedingungen ermöglichen soll. Dieser Anspruch ist verständlich und wird von der<br />

Wissenschaft nicht angefochten, im Gegenteil. Festzuhalten ist aber, dass Kunst und<br />

Wissenschaft zwei unterschiedliche Sektoren sind, die <strong>ein</strong>es jeweils für sie<br />

funktionalen Urheberrechts bedürfen.<br />

Auch Wissenschaftler sind kreativ, sie müssen im Regelfall aber nicht vom Verkauf<br />

ihrer Produkte leben. Vielmehr stehen sie in Diensten <strong>ein</strong>er öffentlich finanzierten<br />

Hochschule, <strong>ein</strong>er außeruniversitären Einrichtung oder der Wirtschaft. Dennoch<br />

leben Wissenschaftler von und mit Publikationen. Sie veröffentlichen, <strong>um</strong> ihre<br />

Forschungsergebnisse weltweit zu verbreiten und so am wissenschaftlichen Diskurs<br />

teilzunehmen und nicht zuletzt auch, <strong>um</strong> sich damit <strong>ein</strong>en Ruf in der<br />

wissenschaftlichen Gem<strong>ein</strong>schaft zu erarbeiten. Auf der anderen Seite sind sie als<br />

Nutzer auf den ungehinderten Zugang zu Publikationen weltweit angewiesen, <strong>um</strong><br />

den Stand der Forschung zu kennen und ihn zur Grundlage der eigenen Arbeit<br />

machen zu können.<br />

Für die Wissenschaft ergeben sich vorrangig folgende Probleme: Verlage und andere<br />

sogenannte Rechteverwerter, die sich als Mittler zwischen Urheber und Nutzer<br />

betätigen und an die Urheber ihre Verwertungs- und Nutzungsrechte am Werk ganz<br />

oder teilweise abtreten, werden im Gesetz quasi wie der Urheber selbst behandelt.<br />

Dadurch können die Verwerter die Zugänglichkeit zu den von ihnen kontrollierten<br />

Werken restriktiver gestalten, als dies oft von den Urhebern gewünscht wird. Auch<br />

der übergeordnete Grundsatz der Vertragsfreiheit, der davon aus<strong>geht</strong>, dass sich hier<br />

wie in anderen Geschäftsbereichen Vertragspartner auf Augenhöhe begegnen, findet<br />

gerade beim wissenschaftlichen Publizieren oft nur wenig Berücksichtigung.<br />

In den besonders renommierten Organen zu publizieren, befördert die<br />

Wahrnehmung der Forschungsergebnisse ebenso wie das Renommee der Autoren.<br />

So stehen Wissenschaftler unter sehr hohem Druck, diese vorrangig zur<br />

Veröffentlichung zu nutzen. Die Rechteverwerter wieder<strong>um</strong> verbinden mit ihrer<br />

Tätigkeit grundsätzlich kommerzielle Erwartungen. Sie haben daher k<strong>ein</strong> Interesse<br />

daran, die spezifischen Eigeninteressen unterschiedlicher Urhebersphären vom<br />

Gesetzgeber berücksichtigt zu sehen, vor allem dann nicht, wenn diese - wie in der<br />

Wissenschaft - ureigentlich nicht kommerzieller Natur sind oder die kommerzielle<br />

Verwertbarkeit gar <strong>ein</strong>schränken könnten.<br />

An der Beschaffung dieser renommierten Organe kommen auch Hochschul- und<br />

Institutsbibliotheken nicht vorbei. Daher funktioniert der Wettbewerb im Markt für<br />

wissenschaftliche Publikationen nur <strong>ein</strong>geschränkt - mit den entsprechenden Folgen<br />

für die Preisbildung. Die Europäische Kommission hat vor <strong>ein</strong>igen Jahren<br />

festgestellt, dass sich im Bereich der Wissenschaftsverlage quasi-monopolistische<br />

Angebotsstrukturen herausgebildet haben. Da das Geschäft sehr stark von <strong>ein</strong>igen<br />

wenigen international agierenden Großverlagen bestimmt wird, die ihren Blick seit<br />

Jahren kompromisslos in Richtung der Mehrung des Shareholder-Value richten,<br />

steigen die Preise gerade der zentralen Zeitschriften mittlerweile in nahezu<br />

astronomische Höhen.<br />

Bei den Marktführern Elsevier, Springer und Wiley-Blackwell sind Preiserhöhungen<br />

von 1990 bis heute von 500 Prozent und sogar mehr k<strong>ein</strong>e Seltenheit. Und das,<br />

obwohl die Verlage den wissenschaftlichen Autoren in aller Regel k<strong>ein</strong>e Honorare<br />

bezahlen, sie auch nicht an den Gewinnen beteiligen, die Autoren ihre Aufsätze<br />

bereits im Verlagsformat <strong>ein</strong>reichen und auch die am peer-review-Prozess<br />

beteiligten Wissenschaftler z<strong>um</strong>eist k<strong>ein</strong>e Honorare erhalten. Kosten entstehen für<br />

den Verlag im Wesentlichen bei der Organisation dieses Prozesses, beim Druck,<br />

beim Vertrieb und beim Betrieb der elektronischen Plattform sowie beim Marketing<br />

ihrer Produkte.<br />

Schikanöse Vermarktung<br />

Diese Preisentwicklung hatte in den vergangenen Jahren gravierende Folgen:<br />

<strong>Bibliothek</strong>en mussten Zeitschriftenabonnements kündigen und können weniger<br />

Monographien anschaffen. Der damit verbundene Verlust der Literaturversorgung<br />

in der Breite hat Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit der Wissenschaft selbst.<br />

<strong>Es</strong> entsteht zudem <strong>ein</strong> Verdrängungswettbewerb, der insbesondere die Existenz von<br />

Kl<strong>ein</strong>- und Spezialverlagen gefährdet. Die starke Marktstellung großer Verlage führt<br />

nämlich zu Vermarktungspraktiken, die durchaus als schikanös <strong>ein</strong>zustufen sind. So<br />

wird den <strong>Bibliothek</strong>en im Rahmen von Paketangeboten der Einkauf ganzer<br />

Zeitschriftensortimente aufgezwungen, die nicht dem Bedarf der <strong>Bibliothek</strong><br />

entsprechen.<br />

Der Urheber selbst wird mit <strong>ein</strong>em für den juristischen Laien ka<strong>um</strong><br />

nachvollziehbaren digitalen Vertragsentwurf konfrontiert, der als Voraussetzung der<br />

Manuskript<strong>ein</strong>reichung lediglich per Knopfdruck bestätigt werden kann. An<br />

gleichberechtigte Vertragshandlungen zwischen Autor und Verlag ist in <strong>ein</strong>em<br />

solchen Setting nicht zu denken. Und dies alles vor dem Hintergrund, dass die<br />

öffentliche Hand die Forschung und die dafür notwendigen <strong>Bibliothek</strong>en und<br />

Informationsinfrastrukturen finanziert. Sie bezahlt nicht nur das<br />

Forschungsergebnis, indem sie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler z<strong>um</strong><br />

Zwecke des Erkenntnisgewinns fördert; sie kommt anschließend auch für die<br />

Abonnements der Journale auf, in denen die Erkenntnisse verschriftlicht werden.<br />

Damit bezahlt letztlich die öffentliche Hand - z<strong>um</strong>indest teilweise - die eigene<br />

Leistung.<br />

All dies belegt, dass das jahrhundertealte Modell der Arbeitsteilung von<br />

Wissenschaft und Verlagen z<strong>um</strong> beiderseitigen Vorteil von <strong>ein</strong>er kl<strong>ein</strong>en, aber<br />

1 von 2 08.08.2012 13:46

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