Es geht um ein Stück Kultur - Treffpunkt Bibliothek
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DIE RHEINPFALZ - Pfälzer Tageblatt / Rh<strong>ein</strong>schiene vom 24.10.2012<br />
Seite: 7 Gattung: Tageszeitung<br />
Ressort: <strong>Kultur</strong> Jahrgang: 2012<br />
Seitentitel: <strong>Kultur</strong> N<strong>um</strong>mer: 248<br />
Denk mal<br />
Lob der <strong>Bibliothek</strong><br />
Von Markus Clauer<br />
Der Gründungsmythos der <strong>Bibliothek</strong>en<br />
hat etwas Rührendes. Der biblische<br />
Seth, wie er versucht das Weltwissen<br />
s<strong>ein</strong>er Zeit auf zwei Säulen aus gebranntem<br />
Ton von der Sintflut zu retten. Zwei<br />
Tontafeln, wie niedlich, die <strong>Bibliothek</strong>en<br />
heute sind ungerührte Inseln im infiniten<br />
Meer der Informationen. In der<br />
Zeit zwischen Gutenbergs Erfindung<br />
(<strong>um</strong> 1450) und dem Jahr 1990 sind rund<br />
zehn Millionen Bücher erschienen. Seither<br />
kommen jedes Jahr <strong>ein</strong>e Million<br />
Exemplare dazu – <strong>um</strong> von dem zu<br />
schweigen, was das Internet an Wortschwall<br />
und Erkenntnis produziert. <strong>Es</strong><br />
steht in den Wolken.Wer aber m<strong>ein</strong>t,<br />
dass das Digitale, E-Book und Gomorrha,<br />
die <strong>Bibliothek</strong> zu <strong>ein</strong>em weltverlassenen<br />
Niemandsland gemacht hat, irrlichtert.<br />
Gerade dort erweist sich, dass<br />
das Buch immer noch <strong>ein</strong>e unschlag-<br />
Wörter: 345<br />
© 2012 PMG Presse-Monitor GmbH<br />
bare Benutzeroberfläche darstellt, problemlos<br />
auszuleihen, haltbar – und<br />
Absturzgefahr besteht auch nicht. Vielleicht<br />
sind <strong>Bibliothek</strong>en gerade wegen<br />
des Abebbens des Gedruckten noch für<br />
sehr lang <strong>ein</strong> Platz, an dem s<strong>ein</strong> muss –<br />
darf? Auch wenn man sich dort durch<br />
auf <strong>ein</strong>em Lesegerät durch Fachzeitschriften<br />
blättert. Ein stiller Ort ist dieser<br />
Wissensspeicher von <strong>Kultur</strong>gut. Die<br />
Mobiltelefone schlafen.<br />
Noch nie wurden so viele <strong>Bibliothek</strong>en<br />
gebaut wie in den vergangenen Jahren.<br />
Freilich sehen sie aus wie Ufos mit<br />
Buchregalen. Nachts leuchten die Lesesäle<br />
der Universitätsbibliotheken wie<br />
Kathedralen der Versenkung. Tagsüber<br />
drängt es sich wie bei Starbucks. Manche<br />
Studenten sch<strong>ein</strong>en dort zu leben.<br />
In der Schulbücherei – wenn schlaue<br />
Lehrer sie erhalten haben – sieht man<br />
Jungs ihre E-Mails checken. Nebenan<br />
flackert in der Geschichtskurs-Clique<br />
die Idee auf, dass man über den Dreißigjährigen<br />
Krieg mehr als Wikipedia wissen<br />
kann. Und, dass <strong>ein</strong> Multimediathekar<br />
vielleicht weiß, in welchem Buch<br />
das steht und in welcher Fachdatenbank<br />
mit offener Bezahlschranke.<br />
<strong>Es</strong> gibt Landstriche, an denen ist die<br />
Bücherei, selbst, wenn sie noch so aussieht,<br />
wie sie heißt, <strong>ein</strong>er der wenigen<br />
realen öffentlichen Orte. Zugang für<br />
jeden. Kann s<strong>ein</strong>, dass dort noch irgendetwas<br />
passiert. Wie hat <strong>ein</strong> kluger<br />
Mann <strong>ein</strong>mal gesagt, mit jedem Menschen<br />
stirbt <strong>ein</strong>e <strong>Bibliothek</strong>. Eine Welt<br />
ohne sie ist nicht zu denken. Oder mit<br />
der Vorsitzenden des Deutschen <strong>Bibliothek</strong>sverbands,<br />
Monika Ziller heißt sie,<br />
ausgedrückt: „Ihre beste Zeit kommt<br />
erst noch.“